Viele Lehrkräfte kennen das Problem: Obwohl ein Thema im Unterricht gründlich behandelt wurde, ist schon nach wenigen Wochen nur noch wenig davon abrufbar. Auch zu Hause greifen viele Schülerinnen und Schüler zu einer verbreiteten Strategie – sie wiederholen den Lernstoff kurz vor der Prüfung besonders intensiv, in der Hoffnung, dass das sogenannte “Bulimie-Lernen” den gewünschten Effekt bringt. Doch die Lernpsychologie sagt: Wer Gelerntes über mehrere Tage verteilt wiederholt und dabei Pausen einlegt, lernt nachweislich nachhaltiger.

Diese Technik wird in der Forschung als verteiltes Lernen bezeichnet (engl.: “spaced practice” oder “distributed practice”). Sie ist keineswegs neu – bereits im 19. Jahrhundert erkannte der Psychologe Hermann Ebbinghaus, dass Wissen besser im Gedächtnis bleibt, wenn zwischen den Lerneinheiten etwas Zeit vergeht. Doch wie groß sollten diese Pausen sein? Eine Metaanalyse gibt darauf eine Antwort.
Was wurde untersucht?
Ein Forschungsteam um Nicholas Cepeda der University of Colorado in den USA analysierte in einer Metaanalyse 317 Experimente aus über 180 Studien. In allen ging es um die Frage, wie sich verschiedene Zeitabstände zwischen mehreren Übungseinheiten auf das Behalten von Informationen auswirken. Außerdem untersuchten die Forschenden, wie sich dieser Abstand zum Zeitpunkt verhält, an dem das Gelernte später abgefragt werden soll.
Am wirksamsten ist die Wiederholung genau dann, wenn das Erinnern gerade noch gelingt, aber schon etwas Mühe kostet.
Die Metaanalyse zeigt deutlich, dass Lernen mit Pausen besser wirkt als Lernen am Stück. Wer denselben Stoff an mehreren Tagen wiederholt, anstatt ihn am Stück intensiv zu bearbeiten, behält ihn länger. Entscheidend ist jedoch: Nicht jede Pause ist gleich wirksam.
Die Forschenden sprechen von einem nicht-linearen Effekt: Zu kurze Abstände bringen wenig, zu lange Abstände führen dazu, dass zu viel vergessen wurde. Am wirksamsten ist die Wiederholung genau dann, wenn das Erinnern gerade noch gelingt, aber schon etwas Mühe kostet. Wer langfristiges Behalten fördern will, sollte mit kurzen Pausen beginnen und die Abstände nach und nach vergrößern.
Wie lässt sich das Ergebnis erklären?
Die Erklärung liegt in der Art und Weise, wie unser Gedächtnis arbeitet. Wenn wir etwas neu lernen, bleibt es zunächst nur für kurze Zeit im sogenannten Arbeitsgedächtnis. Ohne Wiederholung wird es schnell verdrängt. Erfolgt die Wiederholung aber mit einer gewissen Verzögerung, muss das Gehirn aktiv nach dem Wissen suchen – ein Prozess, der das Erinnerte im Langzeitgedächtnis verankert.
Kommt die Wiederholung hingegen zu früh, ist das Gedächtnis noch “warm”, das Lernen fühlt sich leicht an, ist aber wenig wirksam. Wird die Pause zu lang, ist das Wissen oft schon zu weit verblasst, um beim Wiederholen effektiv reaktiviert zu werden. Die beste Wirkung zeigt sich, wenn das Gedächtnis gerade so herausgefordert wird, dass es sich anstrengen muss, aber noch Erfolg hat.
Was heißt das für die Praxis?
Für den Unterricht bedeutet das: Wichtiges sollte nicht nur einmal besprochen, sondern mit wachsendem zeitlichem Abstand wieder aufgegriffen werden, etwa durch Rückfragen zu früheren Themen, gezielte Wiederholungsphasen oder kleine Tests. Auch bei Hausaufgaben lohnt es sich, nicht nur den Stoff vom aktuellen Tag zu behandeln, sondern gezielt auch Inhalte der Vorwoche, des Vormonats oder des letzten Schuljahres. Besonders wirksam wird verteiltes Lernen dann, wenn die Wiederholungen nicht nur aus einfachem Wiederlesen oder Üben bestehen, sondern das Gelernte aktiv aus dem Gedächtnis abgerufen werden muss. Die Forschung spricht hier vom Testungseffekt: Schon der Versuch, sich an Inhalte zu erinnern, stärkt die Verankerung im Gedächtnis.
Es lohnt sich zudem, Schülerinnen und Schüler für verteiltes Lernen als Lernstrategie zu sensibilisieren: Wer etwa für eine Klassenarbeit lernt, sollte nicht alles an einem Tag erledigen, sondern mehrere Wiederholungen mit Pausen einplanen – zum Beispiel am ersten, dritten, siebten und vierzehnten Tag.
Zur Studie
Cepeda, N. J., Pashler, H., Vul, E., Wixted, J. T., & Rohrer, D. (2006). Distributed Practice in Verbal Recall Tasks. A Review and Quantitative Synthesis. Psychological Bulletin.
Link zur Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16719566
Interessant wäre in diesem Kontext die Rolle der Hausaufgaben.
These: Diese tragen zum verteilten Lernen bei und erhöhen dadurch auch die Bildungsgerechtigkeit.