21. November 2024

Erziehungsdirektoren knausern mit Informationen zur neuen Digitalisierungsstrategie

Im Eiltempo soll in der Schweiz ein nationales Technologiezentrum eingerichtet werden. Wer aber die Papiere der EDK liest, wird nicht ganz schlau. Condorcet-Autor Urs Kalberer hat sie gelesen und stellt dabei die richtigen Fragen.

Nachdem die Gemeinden schweizweit nun bereits Hunderte von Millionen für Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) an ihren Volksschulen ausgegeben haben, folgen jetzt Massnahmen, um die Ziele der EDK-Digitalisierungsstrategie zu erreichen. Die EDK spricht dabei von einer «fundamentalen Neuorientierung im ICT-Unterricht». Doch ICT verändert den Unterricht schon seit mehr als 20 Jahren kontinuierlich. Wieso gerade jetzt die Weichen umgestellt werden sollen, verschweigt die EDK in ihrem Arbeitsplan wie auch in der ICT-Strategie.  Ganz allgemein tappt man bei beiden Papieren grösstenteils im Dunkeln, was die konkrete Umsetzung angeht. Es macht den Anschein, als ob zuerst einmal Geräte, Software und Unterhaltsmandate eingekauft wurden und nun beschlossen wird, was mit diesen Dingen in der Schulpraxis geschehen soll.

Für eine seriöse Auseinandersetzung fehlt den Betroffenen die Zeit

Das von der EDK angeschlagene Tempo zur Umsetzung der ICT-Massnahmen ist horrend: Im Mai wurde ein Arbeitsplan beschlossen, im Oktober soll dieser abgesegnet werden und die neue nationale Bildungsplattform soll am 1. Januar 2020 den Betrieb aufnehmen. Die nun vorgelegte Umsetzung erscheint dabei als alternativlos – kein Wunder, für eine seriöse Auseinandersetzung mit dieser grundlegenden Neuausrichtung fehlt den Betroffenen schlicht die Zeit. Aber vielleicht sind breite Diskussionen bei solch offensichtlichen Top-Down-Projekten grundsätzlich nicht erwünscht.

Tiefgreifende Auswirkungen

Bild: AdobeStock

Dabei sind die Auswirkungen für den Unterricht durchaus tiefgreifend: Mit Hilfe von Learning Analytics können Daten zum Lernverhalten erfasst und gesammelt werden.  Individuelle dynamische Curricula werden damit möglich, bei denen der Lehrer die Kontrolle an den Computer und die Algorithmen abgegeben hat. Wohin dies führt, zeigen Untersuchungen der OECD zu PISA: Gerade bei Ländern mit hohem Einsatz von digitalen Geräten ist der Lernfortschritt vergleichsweise gering. Die digitale Aufrüstung ist also keine Garantie für bessere Leistungen.

Ein wichtiges Element in der neuen Strategie ist die Gründung einer Föderation, welche die Lehrmittel digital bereitstellen soll. Die Gefahr besteht, dass zukünftig nur noch Lehrmittel von Anbietern im Gebrauch sein werden, die der Föderation beigetreten sind.

Ein wichtiges Element in der neuen Strategie ist die Gründung einer Föderation, welche die Lehrmittel digital bereitstellen soll. Die Gefahr besteht, dass zukünftig nur noch Lehrmittel von Anbietern im Gebrauch sein werden, die der Föderation beigetreten sind. Dies schränkt die Methodenfreiheit stark ein. Werden wir in Zukunft noch stärker durch Einheitslehrmittel (vgl. Passepartout-Projekt) gelenkt?

Ist ein nationales digitales Technologiezentrum sinnvoll?

Das Hauptaugenmerk richtet die EDK auf die Datensicherheit. Dazu soll ein nationales digitales Technologiezentrum geschaffen werden, welches die Kantone, die Schulleitungen und die Schulkinder gemeinsam nutzen sollen. Die Schüler, Lehrlinge und Studenten werden bis hinauf in die Tertiärstufe mittels Clouddiensten erfasst und dokumentiert. Dazu soll eine schweizweit akzeptierte digitale Identität für alle Schulen geschaffen werden. Wollen und brauchen wir dies? Gerade punkto Datensicherheit bieten sich dezentrale, geschlossene Netzwerke als eine weniger auf Lecks und Angriffe exponierte Alternative an.

Angesichts der spärlichen Informationen, welche die Erziehungsdirektoren-Konferenz preisgibt, sind die hier aufgeworfenen Fragen nur ein Bruchteil der Bringschuld seitens der verantwortlichen Stellen.

 

EDK-Dokumente greifbar unter http://www.edk.ch/dyn/12277.php

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