Stellt man sehr intelligenten Menschen eine neue Aufgabe, finden sie schneller kluge Lösungen. Ihre Fähigkeiten werden dringender denn je gebraucht und sind auch ökonomisch von großem Nutzen. Das rohstoffarme und wirtschaftlich hoch entwickelte Deutschland benötigt so viele kluge Köpfe wie möglich, in der Forschung, der Wirtschaft, der Politik, der Verwaltung, der Bildung.

Tiefgründiges Denken ist überall gefragt; man denke an Themen wie Digitalisierung, Energie, Klima und Bildung. Deshalb wäre es sehr wünschenswert, dass sich jeder in Schule, Studium und Beruf entsprechend seiner kognitiven Fähigkeiten entfalten könnte. Dann entsteht weder Unter- noch Überforderung, was auch dem Wohl des Einzelnen dient.
Nun üben auch hierzulande intelligente Menschen geistig anspruchsvolle Tätigkeiten aus, etwa in den MINT-Berufen; ein Physik- oder Mathematikstudium kann man ohne überdurchschnittliche Intelligenz gar nicht bewältigen. Studien belegen zudem einen, wenn auch moderaten Zusammenhang zwischen Intelligenz und der Wahrscheinlichkeit, Führungskraft zu werden.
Gesellschaftliche Möglichkeiten nicht ausgeschöpft
Doch sind gesamtgesellschaftlich die Potentiale längst nicht ausgeschöpft. Das zeigt sich besonders deutlich an dem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischem Erfolg, der in Deutschland höher ist als in vielen anderen Ländern und sich hartnäckig hält.
So ist im Schlüsselfach Mathematik die Intelligenz ein schwächerer Vorhersagefaktor für die Leistung als die mathematische Basiskompetenz, mit der man die Schule beginnt. Schon bei der Einschulung klafft je nach Elternhaus eine große Lücke. Für den sprachlichen Bereich sind die Befunde ähnlich. Eine qualitativ hochwertige frühe Bildung könnte abhelfen.
Die meisten wissen gar nichts von ihrer Hochbegabung, viele, vor allem die Mädchen, passen sich an einen schulischen Rahmen an, in dem der Durchschnitt dominiert und in dem sie unterfordert werden.
Schwierig ist, man glaubt es kaum, nicht selten auch die Lage herausragend intelligenter Menschen. Sie könnte sich sogar verschlechtert haben. Zumindest ist im PISA-Test 2022 die Gruppe der besonders leistungsstarken Schüler – nicht alle sind hochbegabt – signifikant gesunken, sowohl in Mathe als auch im Lesen.
Ressourcen liegengelassen
Hochbegabte sind zu herausragenden intellektuellen Leistungen fähig und motiviert. Diese Ressource liegen zu lassen, ist fahrlässig, die Gesellschaft müsste sie hegen und pflegen. Davon ist man hierzulande weit entfernt. Die meisten wissen gar nichts von ihrer Hochbegabung, viele, vor allem die Mädchen, passen sich an einen schulischen Rahmen an, in dem der Durchschnitt dominiert und in dem sie unterfordert werden.
Entgegen der Klischees sind zwar längst nicht alle Hochintelligenten unglücklich. Doch muss man annehmen, dass ein substantieller Teil stetig unter seinen Möglichkeiten bleibt, für manche mit schlimmen psychischen Folgen.
Ihre Anpassung an den Durchschnitt hat auch mit dem Neid der anderen zu tun. So vermeiden Eltern hochbegabter Kinder, mit anderen Eltern darüber zu sprechen. Auch gegenüber Lehrern kann es schwierig sein, eine hohe Intelligenz anzusprechen. Die könnten genervt reagieren – schon wieder Eltern, die ihre Kinder für besonders schlau halten.
Spitzenabitur oft kein Nachweis für Hochbegabung
Die Gesellschaft duldet offensichtlich wenig Ungleichheit mit Blick auf die Intelligenz. Andererseits neigt der Mensch dazu, sich selbst und seinen Nachwuchs für überdurchschnittlich intelligent zu halten. Und Eltern aus den oberen Schichten tun viel, um ihre Kinder, manchmal auf Teufel komm raus, zu fördern. Mit Blick auf die Intelligenz können sie freilich über die angeborene Spanne hinaus rein gar nichts herausholen.
Das neidische Gerangel könnte man eigentlich bleiben lassen, schließlich hat kaum jemand ein hochbegabtes Kind.
Genetisch herrscht viel Gleichheit: 70 Prozent der Menschen sind normal intelligent. Höherbegabt sind lediglich knapp 14 Prozent, hochbegabt nur noch zwei von 100 Personen. Das neidische Gerangel könnte man eigentlich bleiben lassen, schließlich hat kaum jemand ein hochbegabtes Kind. Auch ein Spitzenabitur ist oft kein Nachweis einer Hochbegabung. Durchschnittlich Begabte können es bei entsprechender Anstrengung, gutem Selbstkonzept und elterlicher Unterstützung, Stichwort Nachhilfe, ebenfalls erreichen.