Vor einiger Zeit war ich an eine Wohnungseinweihung eines ehemaligen Schülers eingeladen. Der Bosnier mit Schweizer Pass, der 1994 als Flüchtling in die Schweiz kam, kaufte sich mit seinem Vater gerade ein ganzes Haus. Die ganze Familie rackerte und sparte dafür. Geradezu begeistert war er aber, als er schon wenige Tage, nachdem er mit dem Verkäufer einig wurde, einen Termin beim Notar erhielt, der bereits das Grundbuch anvisiert hatte und er merkte, dass er jetzt ein wirklicher Besitzer wurde. In seinem Heimatland hätte dies ein Jahr gedauert und wäre ohne Schwarzgeld kaum möglich gewesen.
Migranten sind in der Schweiz viel besser integriert als anderswo
Im Schweizer Arbeitsmarkt sind unsere ausländischen Mitbürger viel besser integriert als im übrigen Europa. Und dies, obwohl die Schweiz ab 2000 im Verhältnis wesentlich mehr Immigranten aufgenommen hat als beispielsweise die USA. Sie sind alle kranken- und altersversichert und pensionsberechtigt. Die Kinder des Bosniers machen eine Lehre, und eine seiner Töchter ist Mitglied in dem von mir gegründeten Lehrlings- und Migrantentheater Biel.
Die Umkehrung der Werte
„Wer sich anstrengt“, vertraute mir der gelernte Polymechaniker an, „kann in diesem Land etwas erreichen“. Und er ärgert sich wie ich über die Migrantenflüsterer, welche die Schweiz als ein integrationsfeindliches Land darstellen und den neuen Migranten eine Umwertung aller Werte vorpredigen: Keine Leistung, viele aufpäppelnde Sonderbetreuungen, Rassismusberatungsstellen und Integrationsbehörden, welche ihren ausländischen Klienten vor allem eines suggerieren: „Wir sind doch alle Opfer“.
Migration ist immer mit einer grossen Anpassungsleistung verbunden
Migration ist immer mit einer grossen Anpassungsleistung verbunden. Wir können das mildern und erleichtern. Aber grundsätzlich gilt, was ich «meinen Albanern» oder meinen «Türken» immer wieder predige: «Ihr müsst euch mehr anstrengen als eure einheimischen Klassenkameraden.» Das ist weltweit das Los der Migranten, wenn sie weiterkommen wollen.
Integration findet durch Arbeitschancen statt. Das ist, was zählt. Und wir müssen dafür sorgen, dass dies auch so bleibt, gerade in Biel, wo diese Erfolgsstory ins Stottern zu geraten droht.
In meiner aktuellen Arbeitsumgebung habe ich festgestellt, dass die meisten Migrantenkinder dieses Prinzip verstanden haben. In den späten 90er und frühen 2000er-Jahren war das noch anders. Unsere auf Toleranz und Verständnis eingestellten Schulen waren teilweise überfordert mit dem flegelhaften Verhalten von Teilen dieser Schülergeneration. Massive Unterrichtsstörungen, unzählige nervenaufreibende Gespräche mit den Eltern dieser Jugendlichen, der Auftritt immer zahlreicherer Institutionen, welche einbezogen werden mussten oder wollten, führten unter anderem zu einer enormen Fluktuation im Lehrkörper.
Unsere auf Toleranz und Verständnis eingestellten Schulen waren teilweise überfordert mit dem flegelhaften Verhalten von Teilen dieser Schülergeneration
Die tiefer eingestuften Realklassen füllten sich mit fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern, die Schweizer Eltern nahmen ihre Kinder aus diesen Klassen, zogen in andere Wohngegenden oder suchten sich eine Privatschule.
Darunter auch mir bestens bekannte linke Persönlichkeiten, welche in Sonntagspredigten das Hohelied der Toleranz und des Willkommens sangen, ihre eigenen Kinder aber nicht als Klempner einer schief gelaufenen schulischen Integration sahen und sie nicht in den Brennofen multikultureller Schwärmereien schicken mochten.
Chaos im Unterricht will niemand.
Die Lehrkräfte haben diese Lektion gelernt. Die Schulen reagieren heute viel klarer auf muslimische Sonderwünsche und lassen sich kaum mehr auf der Nase herumtanzen. Eine allgemein härtere Gangart gegenüber Disziplinlosigkeiten wurde eingeschlagen zum Vorteil unserer Schüler und vor allem auch unserer Migrantenkinder. Chaos im Unterricht will niemand.
Bloss keine “Therapeutisierung”
Hingegen kommt es häufiger vor, dass die «Schweizer» in meinem Unterricht genügsam werden, ihre Eltern «Nachteilsausgleiche» verlangen, dass sich therapeutische Massnahmen häufen, Kinder überbetreut und verhätschelt werden und die Anspruchshaltung gegenüber der Schule wächst. Gerade in meiner Agglomerationsgemeinde gibt es unter einem Teil der Jugendlichen eine latente «Fremdenfeindlichkeit». Ich pflege dann genauso hart zu sagen: «Draussen an der Grenze warten Dutzende von Menschen, die hier arbeiten und etwas leisten wollen. Ihr müsst nicht das Gefühl haben, dass wir die von euch fernhalten, damit ihr eure bequeme Leistungsverweigerung weiterführen könnt.»
Alain Pichard