21. Dezember 2024

Die zahlreichen “Bildungsleichen” werden verschwiegen

Der Beitrag von Miriam Locher, Fraktionspräsidentin der SP im Landrat (BL), hat in unserem Blog zu reden gegeben. Condorcet-Autor Urs Kalberer erinnert die Bildungspolitikerin an die SP-Bildungspositionen der letzten Jahre, welche viele Reformen vorbehaltlos unterstützt haben.

Urs Kalberer, Sekundarlehrer und Sprachdidaktiker

Miriam Locher, Kindergärtnerin und SP-Fraktionspräsidentin im Baselbieter Landrat, beschrieb in einem Artikel im Condorcet-Blog (https://condorcet.ch/2020/08/linke-bildungspolitik-eine-starke-oeffentliche-schule-fuer-alle/), was «linke Bildungspolitik» bedeutet. Ihre Schilderung fordert mich zu einer kritischen Entgegnung heraus.

Miriam Locher, SP-Politikerin BL: Eine starke Volksschule

Locher setzt sich ein für «eine starke öffentliche Schule für alle». Wer tut das nicht? Doch was soll denn konkret gestärkt werden? Die Schulbehörden, die Schulleitungen, die Lehrer, die Schüler oder etwa die Eltern? Weiter fordert sie Zugang zu Bildung und Ausbildung für alle. Das tönt wie abgeschrieben aus einem Parteiprogramm zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Mir scheint, dies hätten wir in der Schweiz in ziemlich luxuriöser Art und Weise bereits längstens umgesetzt. Mit Förderunterricht und Therapien für alle und jeden. Locher verschweigt aber die praktischen Folgen ihrer Forderung, welche von ihrer Partei in allen Kantonen vorangetrieben werden:  Abschaffung der Noten, Einebnung der unterschiedlichen Niveaus auf der Sekundarstufe, Steigerung der Maturitätsquote, Ausbau der Tertiärstufe in der Hoffnung auf eine damit verbundene Steigerung des Bruttosozialprodukts. Auch das ist linke Bildungspolitik. Schöne neue Welt.

Gemäss den Zahlen der OECD hat die Schweiz (nach Luxemburg) die höchsten Bildungsausgaben der Welt. Doch dies ist für «linke Bildungspolitik» noch viel zu wenig.

Schule soll Freude machen

Ganz wichtig für Locher ist es, dass «Schule Freude macht». Wir scheinen ein Problem mit bösen Lehrern zu haben, die ihre Aufgabe darin sehen, die Schüler plagen zu wollen. Doch bloss Freude haben, reicht eben nicht. Wichtiger ist doch, dass die Schüler auch möglichst viel in der Schule lernen. Davon ist bei Locher nichts zu lesen. Mehr wissen und können ist nicht immer nur Plausch – lernen ist auch verbunden mit Mühe und Anstrengung. Doch wächst daraus auch Freude, Befriedigung und sogar Stolz auf das Geleistete.

Gemäss den Zahlen der OECD hat die Schweiz (nach Luxemburg) die höchsten Bildungsausgaben der Welt. Doch dies ist für «linke Bildungspolitik» noch viel zu wenig. In einer nicht enden wollenden Kaskade von Forderungen wünscht sich Locher

  • Frühförderung
  • flächendeckende Tagesstrukturen
  • kleinere Klassen
  • kleinere Lehrerpensen
  • durchlässigere Klassen
  • Investitionen in IT auf der Primar- und Sekundarstufe
  • mehr Weiterbildung für Lehrer
  • keine Mehrbelastungen für die Lehrer
  • keine Lohnkürzungen
  • «Integration um jeden Preis»
  • Verbesserung der Infrastruktur der Schulbauten
  • mehr Musik- und Schwimmunterricht
  • mehr Freifächer
  • genügend Geld für Klassenlager

Die Probleme können nicht einfach mit Geld zugedeckt werden.

Die Bildungsausgaben sind in den letzten Jahren massiv gestiegen

Die Liste macht nicht den Eindruck, als sei sie vollständig. Vielleicht kommen nächste Woche noch ein paar weitere Forderungen dazu. Trotz der massiven Investitionen (vor allem auch in die Verwaltung und den pädagogischen Überbau) ist die Schweiz punkto Schülerleistungen nur mässig erfolgreich. Das SP-Rezept: «Wenn etwas nicht hilft, einfach die Dosierung erhöhen», kann nicht funktionieren. Die Probleme können nicht einfach mit Geld zugedeckt werden.

Was Frau Locher verschweigt, sind die zahlreichen Bildungsleichen, welche den Weg zur linken Bildungspolitik verstopfen: massive Aufblähung des Verwaltungspersonals, Frühfremdsprachen, konstruktivistischer Lehransatz, Lehrplan 21 mit Kompetenzorientierung, das Chaos der Inklusion, Methodenzwang à la Passepartout, Ideologie statt Wissenschaft in der Lehrerbildung. All dies sind Erblasten, die links – entgegen besseren Wissens – offenbar noch immer euphorisch beklatscht werden.

Es gibt keine linke oder rechte Bildungspolitik, es gibt nur eine erfolgreiche und pragmatische oder eine, die scheitert.

Fairerweise muss gesagt sein, dass die SP in vielen dieser Entwicklungen von allen Parteien (inkl. SVP) tatkräftig unterstützt wurde. Es gibt keine linke oder rechte Bildungspolitik, es gibt nur eine erfolgreiche und pragmatische oder eine, die scheitert. Denn Fakten sind parteiunabhängig. Deshalb meine naive Frage: Wäre es nicht wohltuend, die Bildung aus dem Parteiengezänk mit ihren Einflüsterern und Manipulatoren zu befreien und Leute zusammenzubringen, welche ohne Scheuklappen und Berührungsängste das Beste für die Jugend des Landes erreichen wollen?

Urs Kalberer, 30. August 2020

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3 Kommentare

  1. Ich bin mir nicht sicher, ob Herr Kalberer den Beitrag von Miriam Locher über «Linke Bildungspolitik: Eine starke öffentliche Schule für alle» wirklich genau gelesen hat. So schreibt Locher «Integration um jeden Preis, Checks und ein flächendeckendes Monitoring erachten wir als nicht zielführend.» – wie man nun darauf kommt, dass die Baselbieter SP-Fraktionspräsidentin Integration um jeden Preis will, bleibt mir schleierhaft. Auch wäre es von Vorteil, würde sich der Autor konkreter mit der Bildungspolitik der Baselbieter Sozialdemokratie befassen, anstatt diese pauschal und undifferenziert zu verurteilen. Wie man wissen sollte, ist unsere Bildungspolitik föderal organisiert. Wohl wird im Bünderland anders politisiert als im Baselbiet. Aus diesem Grund Herr Kalberer: Öffnen Sie ihre Augen und werfen Sie einen differenzierten Blick auf die Bildungspolitik der Baselbieter SP während der vergangenen vier Jahre. Sie werden staunen.

    1. Erstaunlich, wie Jan Kirchmayr argumentiert. Bevor Monika Gschwind das ED BL übernahm, war dieses über Jahrzehnte fest in sozialdemokratischer Hand. Die unseligen Checks, die überfordernde Integration, das vom Volk inzwischen mit 85% Stimmenanteil versenkte Projekt Passepartout wurden unter sozialdemokratischer Führung aufgegleist, erbittert vorangetrieben und von SP-Politikern im Landrat stets unterstützt. Die Mitverantwortung der SP dafür jetzt zu leugnen, ist ein unschönes politisches Manöver. Kirchmayrs Schelte an die Adresse von Urs Kalberer ist deshalb höchst unangebracht.

  2. @Felix Schmutz: Haben Sie meinen Kommentar zu Ende gelesen? Dort steht: « Öffnen Sie ihre Augen und werfen Sie einen differenzierten Blick auf die Bildungspolitik der Baselbieter SP während der vergangenen vier Jahre. Sie werden staunen.»
    Würde vielleicht auch Ihnen gut tun, dies zu beherzigen, anstatt pauschal und undifferenziert zu urteilen.
    Übrigens: Sie haben natürlich recht, die SP unterstützte die Einführung von PPT, half aber genauso mit, die geleitete Lehrmittelfreiheit einzuführen. Das ist ihnen in ihrem SP-Bashing wohl vergessen gegangen.

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