Die Fakten: Die Bildungsdirektorin des Kanton Zürichs Silvia Steiner hat in einer Medienkonferenz Massnahmen zur Entlastung von Schulleitungen und Lehrpersonen vorgestellt. Gemäss dem Bildungsexperten und Praktiker Dominic Schläpfer, werden die Probleme wieder nicht richtig angegangen und Fehlanreize gesetzt.
Warum das wichtig ist: Die Volksschule ist in der Krise: Es herrscht Fachkräftemangel, gemäss Pisa-Studie kann bis zu einem Viertel der Schüler nicht mehr richtig lesen und der Sonderschulbedarf steigt.
Die Massnahmen: Die Mitte-Regierungsrätin präsentiert fünf Massnahmen zur Krisenbekämpfung.
- Die jährliche Arbeitszeitpauschale (Stunden für die Arbeit neben der effektiven Unterrichtszeit) für Klassenlehrpersonen wird von 100 auf 120 Stunden erhöht, und zusätzliche Stunden können je nach Klassengrösse oder -zusammensetzung zugeteilt werden.
- Zur administrativen Entlastung der Lehrpersonen wird die Zeiterfassungspflicht weitgehend aufgehoben, und die Anzahl der Tätigkeitsbereiche wird auf drei reduziert.
- Lehrpersonen in der Berufseinstiegsphase erhalten 61 statt 59,5 Stunden pro Wochenlektion.
- Schulleitungen bekommen mehr Ressourcen und eine höhere Lohneinstufung.
- Der minimale Beschäftigungsgrad wird auf 40% erhöht.
In Zahlen: Gemäss Bildungsdirektion belaufen sich die Kosten im ersten Jahr für den Kanton auf etwa 10 Millionen Franken, während die 160 Gemeinden insgesamt rund 42 Millionen Franken tragen müssen. Nach vollständiger Umsetzung wird erwartet, dass der Kanton jährlich zusätzliche 13 Millionen Franken und die Gemeinden 54 Millionen Franken aufwenden müssen.
Dominic Schläpfer ist seit über 30 Jahren praktizierender Primarlehrer und weiss, worauf es im Unterricht ankommt. Der “Nebelspalter” hat ihn gefragt, was er als erfahrener Praktiker von den Massnahmen der Bildungsdirektion hält.
Integrativer Unterricht als eigentliches Problem
O-Ton Schläpfer: “Entlastungen für Lehrpersonen sind ja schön und gut, aber die Massnahmen bleiben Symptombekämpfung. Die Arbeitspauschale zu erhöhen, schafft nur weitere Lücken im Unterricht, die jemand füllen muss. Der integrative Unterricht ist das eigentliche Problem. Wenn man alle Kinder ins gleiche System steckt und sich dann wundert, warum man plötzlich stetig mehr Ressourcen braucht, läuft etwas gewaltig schief.”
Schläpfer nennt noch ein weiteres Problem, welches einen grossen Einfluss auf unsere heutige Situation in der Volksschule hat.
PH-Studenten mit zu wenig Praxiserfahrung
O-Ton Schläpfer: “Die Verakademisierung des Lehrerberufs hat einen grossen Anteil zum Fachkräftemangel beigetragen. Früher war man schon im ersten halben Jahr der Ausbildung vor einer Klasse und konnte Praxiserfahrung sammeln. Dabei merkte man auch gleich, ob einem der Beruf überhaupt zusagt. Heute sammeln PH-Studenten zu spät und zu wenig Praxiserfahrung und merken dann, dass sie gar nicht dafür gemacht sind, Kinder zu unterrichten. Viele wechseln die Branche oder arbeiten ausschliesslich als Vikar.”