19. August 2025
Inside EDK

Es herrschte zuerst Betroffenheit

Die Erziehungsdirektorinnen und -direktoren der Kantone wurde von den PISA-Verantwortlichen bereits einige Tage vor der Bekanntgabe der PISA-Resultate informiert. Es herrschte eine Stimmung der Betroffenheit. Dann übernahmen die Kommunikationsspezialisten der EDK.

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Betroffenheit, dann kamen die Kommunikationsprofis.

Die Redaktion des Condorcet-Blogs vermutete bereits vor Wochen, dass die Resultate der PISA-Studie 22 nicht sehr berauschend ausfallen würden. Das Interview von Herrn Schleicher mit Richard David Precht im ZDF gab hierzu erste Hinweise. Mr. PISA verkündete dabei «Weisheiten», die man vormals von den PISA-Kritikern vernommen hatte, sprach plötzlich von der Bedeutung der Lehrperson und verstieg sich sogar zu einer atemberaubenden Aussage: «Man hat das Herz der Bildung vergessen!» (https://condorcet.ch/2023/11/der-brandstifter-als-feuerwehrmann/)

Schliesslich wurden uns erste Insider-Informationen von der Sitzung der Erziehungsdirektoren mit den PISA-Verantwortlichen und der EDK  zugetragen: «Es herrschte», so ein Anwesender, «eine betroffene Stimmung!» Die Bildungsverantwortlichen, welche die Mission der Vermessung und der Kompetenzorientierung während all der Jahre in die Schulzimmer hineinbeorderten, schwiegen.

Andreas Schleicher, OECD-Verantwortlicher für die PISA-Studien: Man hat das Herz der Bildung vergessen.

Dann wurde plötzlich auch Kritik laut. Es könne doch nicht sein, dass wir mit all den Lehrplanvorgaben, des Lektionenausbaus und vor allem den massiven Mehrausgaben im Bildungssystem nicht vom Fleck kämen und sogar noch Rückschritte machten, meinten diverse Bildungsdirektoren. Andere forderten jetzt Sofortmassnahmen, um endlich die skandalös hohe Zahl der Illetristen zu senken.

Die EDK-Spitze liess am Schluss verlauten, dass man die Voten zur Kenntnis nehme, sich aber um eine «einheitliche Kommunikation» bemühe. Der Fortgang ist bekannt: Die Kommunikationsprofis übernahmen und heraus kam die bekannte Medienmitteilung mit der Glücksbotschaft: Im internationalen Vergleich schneiden die 15-jährigen Jugendlichen in der Schweiz in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften gut bis sehr gut ab. In allen drei getesteten Kompetenzbereichen liegt die Schweiz über dem OECD-Durchschnitt.

Das erinnert den Schreiber dieser Zeilen an einen Witz aus der ehemaligen Sowjetunion: Ein US-Amerikaner und ein Russe traten gegeneinander im 10’000 m-Lauf an. Der US-Amerikaner gewann. Die russische Prawda berichtete anschliessend: «Im einen international besetzten Leichtathletikwettkampf über 10’000 m wurde der Russe Kiril Leonow hervorragender Zweiter, während der favorisierte US-Amerikaner Will Henderson den enttäuschenden vorletzten Platz belegte.

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