Für unsere ausserkantonalen und ausländischen Leserinnen und Lesern muss hier kurz einleitend die Zweisprachigkeit des Kantons Bern und insbesondere der Stadt Biel erklärt werden. Der Kanton Bern mit insgesamt 1 Million Einwohner hat mit dem französischsprachigen Teil, dem Berner Jura, rund 55’000 französischsprachige Mitbürgerinnen und Mitbürger. Das entspricht rund 5,5% der Bevölkerung. Die Stadt Biel ist offiziell zweisprachig. Hier beträgt der Anteil der Romands (so nennt man die französischsprachigen Mitbürgerinnen und Mitbürger) 44%, Tendenz steigend. In der Stadt Bern leben derzeit 146’000 Einwohner, davon sind offiziell rund 7’500 französischsprachig, was auch mit den vielen Bundesbeamten zu tun hat. Die Zweisprachigkeit wird daher von den Behörden des Kantons und der beiden genannten Städte als ein vordringliches Bildungsziel erklärt. Deshalb richtete man in den beiden Städten sogenannte bilingue Klassen ein, in denen deutschsprachige und französischsprachige Schülerinnen sitzen. Diese beiden zweisprachigen Schulen sind als Schulversuche deklariert. Nun hat der Berner Gemeinderat, diesen Schulversuch völlig überraschend beendet, was zu einer grossen Kontroverse geführt hat. Der Paukenschlag der grünen Bildungsdirektorin, Ursina Anderegg, den Schulversuch Clabi (classes bilingues) nicht weiterzuführen, löste bei den betroffenen Eltern und ihren Kindern verständlicherweise grosse Betroffenheit aus. Wie die Filière Bilingue in Biel, die 2010 eingeführt wurde, ist die Clabi äusserst beliebt. Es gibt 200 Anmeldungen, von denen nur 12 aufgenommen werden können.

In Biel, das sich bekanntlich als eine zweisprachige Stadt versteht, war die Einrichtung der Filière Bielingue nachvollziehbar. Es gibt immer wieder Leute ausserhalb Biels, die denken, dass in Biel alle Schulen zweisprachig seien. Dabei sind die Klassen und sogar Schulhäuser strikt nach der Sprache getrennt. Mit der Filière Bilingue wollte man das zumindest in einer Schule ändern. Bei ihrer Einführung gab es allerdings auch kritische Stimmen. 145 Lehrkräfte monierten in einem offenen Brief, dass hier an den Grundfesten der öffentlichen Schule gerüttelt werde. Die besagen nämlich, dass alle Kinder dieser Stadt zumindest gleiche Schulbedingungen haben.
In den Aussenquartieren ist der Prozentsatz der fremdsprachigen Kinder, die die Kindergärten und die Primarschule besuchen, mittlerweile auf über 80% gestiegen, auf die ganze Stadt bezogen beträgt er 60%. Vermutungen gehen davon aus, dass der Anteil Kinder, die zu Hause weder Deutsch noch Französisch sprechen, bei den unter Dreijährigen schon 75% beträgt.
Wie hoch der Anteil der fremdsprachigen Kinder in der Stadt Bern ist, weiss ich nicht, aber das Problem der Brennpunktschulen gibt es auch dort.
Man hat für die Kinder des Mittelstands eine feine Schule eingerichtet, die mehr finanzielle Mittel erhält, eine ausgeglichenere Schülerschaft hat und überdies noch die «stärkeren» Schüler aus den anderen Quartieren abzieht. Damit wird die Restschulproblematik noch verschärft.
Die Filière Bilingue, im Stadtzentrum und im Einzugsquartier des Mittelstands beheimatet, hat sich indes eine Drittelquote zurechtgelegt. Die Klassen bestehen aus einem Drittel deutschsprachiger, einem Drittel französischsprechender und einem Drittel fremdsprachiger Kinder. Und damit ist das Dilemma, das auch auf die Clabi zutrifft, klar umrissen. Man hat für die Kinder des Mittelstands eine feine Schule eingerichtet, die mehr finanzielle Mittel erhält, eine ausgeglichenere Schülerschaft hat und überdies noch die «stärkeren» Schüler aus den anderen Quartieren abzieht. Damit wird die Restschulproblematik noch verschärft. Dort, in den Aussenquartieren, müssen die Lehrkräfte die ganze Last der Integration bewältigen und ankommende Migrantenkinder immer häufiger alphabetisieren, was eine Knochenarbeit ist. Es ist erstaunlich, dass die beiden linken Städte Bern und Biel, diesen Tatbestand einfach hinnahmen. Die Bildungsdirektorin der Stadt Bern stand nun allerdings vor ganz profanen Problemen. Steigende Schülerzahlen, prekäre Verhältnisse in den Brennpunktschulen, knappe Finanzen oder mangelnder Schulraum betreffen alle Schülerinnen und Schüler der Stadt. Kann man es sich da erlauben, den ohnehin knappen Schulraum noch für eine staatlich finanzierte Privatschule für den Mittelstand zu reservieren? Der Gemeinderat hat sich für die Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler entschieden und Mut gezeigt, sich mit dem Mittelstand, der seine Interessen sehr gut zu verteidigen weiss, anzulegen.

Dagegen haben die Eltern – durchaus mit Recht- darauf hingewiesen, dass sich der Kanton und auch die Gemeinde Bern vorgenommen haben, die Zweisprachigkeit zu fördern. Man müsse, so die Argumentation der Eltern, die Clabi nicht schliessen, sondern im Gegenteil ausbauen, da ja das Bedürfnis eindeutig vorhanden sei.
Wenn die Politik nun frivol einfach weitere Ziele formuliert, ohne auf die Realität Rücksicht zu nehmen, werden Ansprüche geweckt, Prioritäten verschoben und grundlegende Bildungsziele gefährdet.
Und damit wären wir bei einem grundsätzlichen Problem. Was ist die Aufgabe der Schule? Sie soll unter vielem anderen den Kindern, lesen, schreiben und rechnen lernen. Und hier scheitert die Schule offensichtlich schon im Ansatz. 25% der Schülerinnen und Schüler können nach 9 Schuljahren keinen korrekten Satz lesen, geschweige denn bilden. Nicht wenige von ihnen kommen aus dem Heer der Migrantenkinder. Wenn die Politik nun frivol einfach weitere Ziele formuliert, ohne auf die Realität Rücksicht zu nehmen, werden Ansprüche geweckt, Prioritäten verschoben und grundlegende Bildungsziele gefährdet. Die Frage ist, ob man mit einer privilegierten Schule wie der FiBi oder der Clabi das Prinzip der öffentlichen Schule für alle ritzt und damit einen zu hohen Preis bezahlt. Die Eltern des Mittelstands mit ihren Politikern in den Parlamenten wissen sich zu wehren, keine Frage. Sie können Briefe schreiben und haben ihre Lobby. Das haben die Eltern unserer Migrantenkinder nicht.
Was willst du denn? Sollen wir alles Geld nun den Migranten geben?
Viele Clabi-Unterstützer stehen für eine offene Schweiz, positionieren sich gegen fremdenfeindliche Ideologien und befürworten die heutige Einwanderungspolitik. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber der Preis ist nun einmal, dass unser Land, wie auch die Migrantenkinder selbst eine enorme Integrationsleistung vollbringen müssen. Unsere Migrantenkinder sind nun einmal da. Die meisten von ihnen voller Lerneifer und Tatendrang. Wir dürfen sie nicht einfach in “Ghettoschulen” abschieben, in Klasseneinheiten, in denen sie praktisch unter sich sind. Eine empörte Clabi-Mutter fragte mich: “Was willst du denn? Sollen wir alles Geld nun den Migranten geben?” Womit bewiesen ist, viele Mittelstandsfamilien lieben das Fremde, aber nicht die Fremden.
Bereits 2012 hat der damalige Bildungsdirektor der Stadt Biel, Cédric Némitz, ein überzeugter Linker, gesagt: Entweder steht die Filière Bilingue allen offen, oder man muss sie beenden.
Gewiss ist es für die Kinder der Clabi ein Schock, wenn sie ihr kleines Paradies nun verlassen sollen. Berechtigte Fragen über die Kommunikation des Gemeinderats und die Schulraumplanung stehen im Raum. Und es gibt mit Sicherheit klügere Lösungen. Aber das Dilemma muss diskutiert werden, und die zweisprachigen Klassen müssen neu gedacht werden. Das sollte ohne Hysterie und Hektik geschehen. Bereits 2012 hat der damalige Bildungsdirektor der Stadt Biel, Cédric Némitz, ein überzeugter Linker, gesagt: Entweder steht die Filière Bilingue allen offen, oder man muss sie beenden. Das Wort «Katastrophe» fällt da und dort. «Katastrophe» geht einem leicht über die Lippen und es ist immer eine Frage der Optik. Ich finde zum Beispiel die Tatsache, dass 25% der Schülerinnen am Schluss der obligatorischen Schulzeit weder lesen noch schreiben können, eine Katastrophe: für die Betroffenen, für die Gesellschaft und für den Ruf der öffentlichen Schule.
Ideen sind gesucht, die für alle Kinder und Jugendlichen einen gangbaren Weg zur Bi- oder Trilingualität ermöglichen. Ausprobieren müsste man vielleicht, ob es einen zwei- oder dreistufigen Weg gäbe: 3 Jahre Primarschule muttersprachlich, 3 Jahre Primarschule muttersprachlich, aber immersiv (je zur Hälfte Deutsch und Französisch oder Französisch und Deutsch), 3 Jahre Sekundarstufe bilingual.