3. Dezember 2024
Kritik am Condorcet-Blog

Der Condorcet-Blog steht für Diskurs

In einem heftigen Tweet auf LinkedIn beklagte sich Felix Scheibe, Dozent an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) über die Kritik an den Personen, welche seit Wochen in den Medien für ihre Ideen für einen Umbau der Schule werben. Auch der Condorcet-Blog wurde hier angeführt und ganz allgemein warnte er vor einer Bubble-Bildung. Was den Vorwurf der Bubble-Bildung betrifft stimmt das natürlich nicht… im Gegenteil, findet Condorcet-Autor Alain Pichard.

Herr Scheibe schreibt in einem Post: «Nennt man heutzutage «seine» eigene Bubble produzieren, in der man sich unglaublich wohl fühlen kann. Muss schön sein, sich von ja-sagern umgeben zu können und das nur per Knopfdruck. Es lebe der Fortschritt.»

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Der Blog steht für einen offenen Diskurs

Was den Condorcet-Blog betrifft, müssen wir diesen Vorwurf zurückweisen. Die Gründer des Bildungsblogs sind zwar «Lehrplan 21-kritisch» eingestellt und vertreten ein eher humanistisches Bildungsprinzip, aber sie suchen den Bildungsdiskurs. In unserem Newsletter schreiben wir jeweils die Anrede: «Liebe Freunde des gepflegten Bildungsdiskurses».

Felix Scheibe, Dozent ZAHW: Seine eigene Bubble produzieren, in der man sich unglaublich wohl fühlen kann.

Das hat auch mit unserer Geschichte zu tun, denn der Blog wurde von Leuten aus dem linken, liberalen und konservativ-rechten Spektrum gegründet. Sie alle verbindet der Wunsch nach einer Schule, in der alle Schülerinnen und Schüler etwas lernen, und das Ziel, das Kant’sche Ideal der Mündigkeit anzustreben. Selbstverständlich bildet unsere Autorenschaft (über 60 Schreibende) keinen monolithischen Blog. Während Professor Herzog und ich selbstorientierte Lernformen unterstützen, lehnen diese andere mehr oder weniger heftig ab und setzen auf die direkte Instruktion. Als ich mich kritisch über das Schulschwänzen zu Fridays for Future geäussert hatte, widersprach mir mein Freund und Mitgründer des Condorcet Blogs, Georg Geiger aufs Schärfste. Und auch über das Gendern und den Sinn von PISA führen wir einen kontroversen Diskurs.

Bei uns hat schon Franz Eberle sein Kompetenzprinzip verteidigt, Herr Wampfler seine Thesen zur Digitalisierung darlegen dürfen oder Herr Leuenberger die Positionen des VSLCH. Wir suchen den Widerspruch und pflegen ihn. Denn nur im Diskurs wächst das gegenseitige Verständnis und die Argumentationsfähigkeit.

Auf LinkedIn hingegen wurden sachliche Kommentare unseres Mitarbeiters Philipp Loretz, Präsident des LVB, gelöscht und manche Leute haben ihn gar blockiert. So etwas würde bei uns nie vorkommen!

Dass es Herr Scheibe auch anders kann, zeigen er und Herr auf der Maur zurzeit auf LinkedIn. Dort gibt es derzeit einen echten Diskurs zwischen ihnen und unserem Condorcet-Autor Philipp Loretz. Es herrscht das Prinzip Rede und Gegenrede, alles sachlich und respektvoll. Ihn zu lesen ist erhellend und spannend.

Herr Scheibe zitiert in seinem Post beispielsweise den Satz unseres Autors Felix Schmutz: «Tatsache ist, dass nicht nur pädagogische Motive den Reformdiskurs antreiben, sondern auch handfeste geschäftliche Interessen. (Condorcet Artikel , 17.3.24)». Darüber kann man streiten. Mir kommen hier Sätze der Reformer in den Sinn, welche die Schule als Ganzes als rückständig, ungerecht und ressourcenverschleudernd darstellen. Aber im ganzen Artikel setzt sich Herr Schmutz vor allem ausführlich mit der von den Reformern ins Feld geführten Wyman-Studie auseinander. In bester Condorcet-Manier hinterfragt er deren Resultate, entlarvt das fragwürdige Design der Studie und bringt andere gegenteilige Untersuchungen in die Diskussion ein. Das ist Diskurs im besten Sinne des Wortes. Was bei uns leider oft fehlt, ist die Reaktion der Gegenseite, obwohl sie willkommen ist. Die Debatten werden auf verschiedenen Plattformen geführt. Die unzähligen Beiträge in den Medien, die Tweets und Videos seitens der Reformer werden in Safe Spaces veröffentlicht, auf denen nicht oder nur gefiltert geantwortet werden kann. Dass es Herr Scheibe auch anders kann, zeigen er und Herr auf der Maur zurzeit auf LinkedIn. Dort gibt es derzeit einen echten Diskurs zwischen ihnen und unserem Condorcet-Autor Philipp Loretz. Es herrscht das Prinzip Rede und Gegenrede, alles sachlich und respektvoll. Ihn zu lesen ist erhellend und spannend.

Wir freuen uns auf Ihre Beiträge oder noch besser: Vielleicht sehen wir uns ja einmal an einem Podium Pro und Contra versteht sich. Denn letztendlich geht es neben den Lerninhalten ja auch um Mündigkeit. Offene Debatten, gegensätzliche Meinungen anhören und sich dann eine Meinung bilden. Mündigkeit erfordert allerdings Mut und Souveranität.

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4 Kommentare

  1. Ich freue mich schon auf das erste Pro-Contra Podiumsgespräch mit diesen “Erneuerern”, deren Ideen übrigens gar nicht so neu sind. Spannend wird es sein, die nebulöse Rhetorik dieser “Experten” zu entblättern, um dann festzustellen, dass der Kaiser nackt ist. Es ist zu hoffen, dass sie aber den Schritt in den Diskurs wagen, in aller Öffentlichkeit! Der Condorcet-Blog, das muss ich festsellen, hat diesen Schritt von Anfang an gewagt.

  2. Diejenigen, die bei Kritik sofort laut “Bubble” rufen, sitzen in der Regel zuallererst selbst in einer Solchen, ohne es zu merken.

  3. Um Alain Pichards Replik auf den LinkedIn-Tweet von Felix Scheibe, dem Dozenten an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), bin ich froh. Auch für uns Beteiligte. Ich lasse mich im Denken und Argumentieren nicht gerne als «partikulärer Weltsichtler» in eine Blase entrücken oder in eine bestimmte Ecke drängen.
    Wir alle, die hier mitwirken, wissen doch um das Notwendige des Dialektischen. Bildungsprozesse sind dialektische Prozesse. In diesem Sinne sind wir inspiriert von Hegel – oder eben noch lieber: von Marquis de Condorcet. Wir wissen doch, dass wir im Parallelogramm des pädagogisch Subtilen und Achtsamen keinen Vektor ungestraft maximieren dürfen, weil sich sonst der Gegenvektor minimiert. Das anspruchsvolle Gleichgewicht ist zu suchen. À la recherche …, so sehe ich mich, so nehme ich den Blog wahr. Eine Entweder-oder-Mentalität vermag zwar den martialischen Pauker-Typen oder die pädagogische Laissez-faire-Befürworterin zu unterscheiden. Solches Polaritätsdenken aber verkennt, dass Unterrichten ein Sowohl-als-auch-Geschehen ist.
    Wir können es auch anders formulieren – mit Karl Jaspers: «Jede Ausschliesslichkeit ist inhuman.»

  4. Geschäftliche Interessen sind immer dann im Spiel, wenn sich Beratungsfirmen (z.B. Rahel Tschopp mit Denkreise) oder Stiftungen wie Mercator oder Bertelsmann an der Diskussion um die ideale Schule beteiligen und sich als neutrale Forschende ausgeben, die herausgefunden haben, wie man es machen muss, um ein komplexes Problem auf einfache Weise zu lösen. Das ist etwa so, wie wenn ein menschenliebender Anbieter ein sicheres Mittel gegen Rückenschmerzen anpreist oder ein anderer das Lernen einer Fremdsprache in 2 Wochen.

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