Authentisches Lernen im Sprachbad Frühfranzösisch! Zwei bis drei Franzlektionen pro Woche mit einer Lehrperson, die Französisch nicht aus Freude unterrichtet, sondern weil es im Stundenplan steht? Fürs Frühfranzösisch haben wir viel zu wenig LehrerInnen.
Noch teurer wird das Debakel mit den Lehrmitteln. Der grosse Fehler war, dass man dafür Gurus engagierte statt einen erfahrenen Verlag, dessen Produkte auf Kompetenz gründen und nicht auf einer Ideologie. Bei Passepartout waren offensichtlich die Gurus des intrinsischen Lust-und-Laune-Prinzips am Werk, das in den Medien immer breiter gewalzt wird, an den Realitäten aber kläglich scheitert. So eine Realität wären zum Beispiel die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die entwicklungspsychologischen Prozesse bei Pubertierenden, die eigentlich auch in den Elfenbeintürmen der Hochpädagogik bekannt sein müssten. Manch Halbwüchsiger sieht das mit dem Französisch nämlich pragmatisch: “Nach Lausanne ist es zwar ein Katzensprung, aber viel näher liegt mir doch London! Und am allernächsten ist mir das Silicon Valley. Und wenn ich schon mal selber wählen darf, was ich wann und wo und wie im Unterricht machen kann, dann mache ich am liebsten …nada.”
Die mutigen Schulen schaffen heimlich das Ostschweizer Lehrmittel “Dis donc!” an und riskieren Untersuchungshaft, die ängstlichen fahren ihre Lernziele zurück.

So versuchen wir Sprachlehrkräfte verzweifelt, mit dem persönlichen Notfallkasten den Sinn für die zweite Landessprache zu schärfen: mit Brücken zum realen Leben, zur Berufswelt, zur Landeskultur. Da ist Französisch nämlich noch immer ein Thema und kann sogar Spass bereiten. Aber für den grossen Spass musst du zuerst ein paar Wörter in der Festplatte haben und nicht nur im Google Translator. Die Funktion “Speichern” gibt es bei Clin d’oeil aber nicht. Eine nachhaltige Unterrichtseinheit übers Einkaufen, übers Essen, über die Mode, übers Flirten mit einem netten Romand? Fehlanzeige. Und so nimmt unser Schulfranzösisch seinen teuren Lauf. Die mutigen Schulen schaffen heimlich das Ostschweizer Lehrmittel “Dis donc!” an und riskieren Untersuchungshaft, die ängstlichen fahren ihre Lernziele zurück. Und die Gymnasien und Berufsschulen lassen im Ausbildungsjahr eins den ganzen Grundwortschatz und die Verbformen nachbüffeln und starten dann die Aufholjagd zur Matur oder zum Diplom.
Unser Schulverlag hat ein finanzielles Klumpenrisiko. Es heisst Mille feuille und Clin d’oeil. Und damit hat auch der Kanton Bern seinen Klumpen am Bein. Statt die Limousine Passepartout zu stoppen und zu verschrotten, tröstet er sich mit einem Bonmot des Münchner Originals Karl Valentin: “Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut”. Quel désastre!
Wichtige Bemerkung: Ich schreibe diesen Text nicht als Schulleiter der Sekundarschule Langnau, sondern als Privatperson und Lehrperson, die seit 30 Jahren Französisch unterrichtet.


Vielen Dank, Herr Aebi
Wir müssen unbedingt wieder die Speichertaste reaktivieren.
Als Mathematiklehrer habe ich das Problem, dass ebenfalls alle Grundlagen bereit gestellt werden müssen. Seitens der neubeintretenden Gymnasiasten fallen fehlende algebraische Fähigkeiten oder unbekannte Grundlagen wie Kleiner-Zeichen etc auf.
Dafür werden neue Grundlagenfächer eingeführt und neue Schwerpunktfächer erfunden. Die basalen Fertigkeiten in Deutsch, Französisch und Mathematik stärken? Fehlanzeige.
Zum Glück gibt es Lehrkräfte, die sinnfreie Vorgaben ignorieren und auf Bewährtes setzen. Ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein.