Das hochgejubelte Mehrsprachenkonzept der Primarschule hat zu einem Fiasko geführt, das keine Geiss wegschlecken kann. Der gut belegte Leistungsabfall im Französisch kommt im aufschlussreichen Vergleich von Felix Schmutz klar zum Ausdruck. Doch wann endlich hören die verantwortlichen Bildungspolitiker auf, das didaktische Disaster weiter schönzureden und die nötigen Konsequenzen zu ziehen? Viele scheinen noch immer nicht eingesehen zu haben, dass mit dem Überladen des frühen Fremdsprachenunterrichts das Fach Französisch zum eigentlichen Verlierer wurde.
Die Primarschule hat weit bessere Möglichkeiten, die kulturelle Vielfalt unseres Landes den Schülern näherzubringen. Statt viele Stunden für ein gescheitertes Dreisprachenkonzept einzusetzen, würde ein gehaltvoller Geografie- und Geschichtsunterricht mit einer stärkeren Hinwendung zu den nichtalemannischen Regionen mehr bringen.

Als Hauptargument für das frühe Lernen der französischen Sprache wird deren wichtige Funktion für den nationalen Zusammenhalt aufgeführt. Die Förderung eines über die kulturellen Unterschiede hinausgehenden Gemeinschaftsgefühls ist zweifellos eine wichtige Aufgabe, zu der auch die Schule einiges beitragen kann. Doch Frühfranzösisch ist alles andere als der Königsweg zu diesem Ziel.
Die Primarschule hat weit bessere Möglichkeiten, die kulturelle Vielfalt unseres Landes den Schülern näherzubringen. Statt viele Stunden für ein gescheitertes Dreisprachenkonzept einzusetzen, würde ein gehaltvoller Geografie- und Geschichtsunterricht mit einer stärkeren Hinwendung zu den nichtalemannischen Regionen mehr bringen. Doch es sind ausgerechnet die Realienfächer, welche in der Lehrerbildung infolge des Riesenaufwands für die Mehrsprachendidaktik am meisten Federn lassen mussten.
Die Romandie und das Tessin haben für Sechstklässler viel Attraktives zu bieten. Warum nicht die elektrische Energiegewinnung am Beispiel der Kraftwerkanlage der Grande Dixence erklären und dabei das Wallis geografisch den Schülern näherbringen? Der Kanton Neuenburg mit der Reissbrettstadt La Chaux-de-Fonds, der Uhrenindustrie und den malerischen Freibergen kann die Türe zu einem französischsprachigen Kanton weit öffnen. Zum Tessin wird mit der unerhört spannenden Geschichte der Gotthardbahn leicht ein Zugang gefunden. Und ein Klassenlager in einem Bündner Bergdorf könnte bei Sprachbegabten sogar Interesse für die wohlklingende romanische Sprache wecken. Es bieten sich unzählige Themen an, um die Regionen im Westen und Süden unseres Landes im Realienunterricht lebendig werden zu lassen.
Frühfranzösisch trägt wenig zum nationalen Zusammenhalt bei. Umso mehr müsste in einen qualitativ hochstehenden Geografie- und Geschichtsunterricht investiert werden. Der Bildungsauftrag der Primarschule braucht eine deutliche Akzentverschiebung, um unseren Schülerinnen und Schülern starke Bilder von der Vielfalt unseres Landes vermitteln zu können. Die Erstaugustredner sind gefordert, aber anders als die Verfechter der Mehrsprachendidaktik dies sehen.


Nach den von Ignoranz zeugenden Verlautbarungen Christophe Darbellays zu Frühfranzösisch, bläst nun auch Elisabeth Baume-Schneider anlässlich ihrer 1.-August-Rede an der Bundesfeier in Rorschach ins gleiche Horn und schiesst dabei denselben Bock.
Wie der einstige Parteipräsident der ehemaligen CVP bedient sich dabei auch die Bundesrätin ähnlich absurder Argumente. So meint Baume-Schneider, die «Westschweiz diskutiert nicht über Deutsch in der Primarschule.» So als ob dieses Scheinargument etwas daran ändern würde, dass der Frühfranzösisch-Unterricht in der Deutschschweiz nicht funktioniert und entsprechend katastrophale Resultate zeitigt. Abgesehen davon steht der Fremdsprachenunterricht in der Westschweiz sehr wohl auch zur Debatte. So schneidet der dortige Deutschunterricht in der Analyse des in Genf lehrenden Sprachwissenschaftlers Daniel Elmiger schlecht ab – «die Ergebnisse seien miserabel.»
Auf diesem Hintergrund mutet Baume-Schneiders Appell «Wir müssen uns gegenseitig verstehen» geradezu grotesk an. Denn der Frühfremdsprachenunterricht, der laut der Bundesrätin unerlässlich für das gegenseitige sprachliche Verständnis sei und dieses ergo überhaupt erst ermögliche, ist beidseits des Röstigrabens nicht zielführend. Die Absurdität hinter der Argumentation des gegenseitigen Verständnisses muss man sich vor Augen führen: Beim bundesrätlichen Appell verhält es nämlich sich in etwa so, als ob man zwecks Herstellung eines Regendachs zwei Wellbleche mit Tesafilm verbinden wollte, logischerweise dann wegen der mangelnden Reissfestigkeit des Klebbands an der Aufgabe kläglich scheitert, um dann umso leidenschaftlicher den Einsatz von Tesafilm zu fordern.
Eine Mitschuld an der gegenwärtigen Misere der Fremdsprachenvermittlung sieht der erwähnte Sprachwissenschaftler Elmiger bei den Kantonen und der EDK. «Diese seien weder in der Lage noch willens, die Situation grundlegend zu verändern.» Baume-Schneider, Darbellay und viele andere Exponenten der Bildungspolitik verharren unbelehrbar in ihrer Echokammer, die weder für Fakten noch Argumente zugänglich ist. Einer Sekte gleich bleiben sie unter sich und beharren halsstarrig auf ihrer alleinseligmachenden, unumstösslichen Botschaft nationaler Kohäsion und Verständigung, ohne zu merken, dass sie diesen beiden im Wege stehen.
Ja, Frau Baume-Schneider, Sprache ist tatsächlich «das entscheidende Werkzeug», ohne das unser Land nicht funktionieren kann. Deswegen sollten sie die Sprachvermittlung nicht behindern.