Streitgespräch Loretz-Wampfler

Traf der Loretz (auf) den Wampfler • Nachwehen eines Editorials

Vor einigen Wochen gingen in diesem Blog die Wogen hoch, als sich der Präsident des lvb, Philipp Loretz, und der Fachdidaktiker Philippe Wampfler einen Diskurs über den Sinn der Digitalisierung unseres Unterrichts lieferten. Roger von Wartburg fasst ihn zusammen und ordnet ihn ein.

Das Editorial des «lvb inform» aus der Feder von LVB-Präsident Philipp Loretz trug den Namen «Schulische Digitalisierung bedarf der Reflexion» [1] und rief dazu auf, die stetig anwachsende digitale Vereinnahmung von Schülerinnen und Schülern – mittlerweile bis auf die Unterstufe hinab – kritisch zu hinterfragen und einem pädagogischen Konzept unterzuordnen. In der Folge löste besagtes Editorial kontroverse Debatten im Internet aus. Dieser Artikel liefert hierzu einen kurzen Überblick und bietet Interessierten die Möglichkeit, via QR-Codes die aufschlussreichen Kommentare nachzulesen.

Roger Von Wartburg, Sekundarlehrer, ehemaliger Präsident des lvb: Das lvb-Inform hat Wirkung.

Facebook und Wampfler

Ihren Anfang nahm die Kontroverse in der Facebook-Gruppe «Lehrerinnen und Lehrer Schweiz», die von der früheren LCH-Vizepräsidentin Marion Heidelberger administriert wird und über 6000 Mitglieder zählt. Dort repostete die Administratorin einen Post von Gymnasiallehrer und Fachdidaktiker Philippe Wampfler, in dem dieser verkündete, Schulen müssten einen Unterricht anbieten, der in eine Kultur der Digitalität passe.

Philippe Wampfler ist seit einigen Jahren medial sehr präsent und wird von verschiedenen Zeitungen und anderen Medien gerne als Experte für Bildungsfragen hinzugezogen, nicht zuletzt im Themenkomplex Digitalität. Aber auch zu anderen Fragen äussert sich Wampfler pointiert; so hat er etwa im Jahr 2021 zusammen mit Björn Nölte das Buch «Eine Schule ohne Noten» publiziert, dessen Titel Programm ist.

Loretz wirft ein

Philipp Loretz nahm Philippe Wampflers Äusserung zum Anlass, um einige Kernelemente seines Editorials ins virtuelle Rund zu werfen. Er verwies u.a. auf Befunde, wonach der permanente Einsatz digitaler Werkzeuge zu starker Ablenkung, einer Schwächung der Konzentrationsfähigkeit, einer Behinderung des Arbeitsgedächtnisses und damit zu einer markanten Verschlechterung der Lernleistung führe. Aus diesem Grund votiere er für klare IT-Nutzungsregeln, die sich an der geistigen und körperlichen Unversehrtheit der Schülerinnen und Schülern orientierten. Den Einsatz von iPads bereits in der Basis- und Unterstufe sieht er sehr kritisch.

Philippe Wampfler reagierte umgehend und warf Loretz eine «eigenwillige Auswertung der Studien» vor. Eine Reflexion müsse «mehr sein als eine Ablehnung». Loretz seinerseits antwortete ebenfalls und das Ganze ging munter hin und her – und weckte das Interesse des Bildungs-Blogs www.condorcet.ch, zu dessen Autorenteam Philipp Loretz zählt. Condorcet übernahm die Debatte aus der Facebook-Gruppe auf die eigene Website, was weitere Kommentare hervorrief. [2]

Condorcet und Hoffmann

Das langjährige LVB-Mitglied Felix Hoffmann, seines Zeichens ebenfalls Teil des Condorcet-Autorenteams, sah sich veranlasst, eine Replik auf den Austausch zwischen Wampfler und Loretz [3] zu verfassen, die auf www.condorcet.ch veröffentlicht wurde. Hoffmann ging darin mit Wampfler ins Gericht und warf ihm vor, seine Unterstellungen an Philipp Loretz’ Adresse nicht zu begründen, sondern mit Allgemeinplätzen um sich zu werfen.

«Schreiben, was ist», lautete das Motto von SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein. Diesem Credo fühlt sich auch der LVB seit jeher verpflichtet.

Diese Replik wiederum zog diverse neue Kommentare nach sich – nicht zuletzt von Philippe Wampfler selbst, aber auch von anderer Seite. Frei nach Mani Matter: Da mischte der (virtuelle) Saal sich ein. Wer sich ein Bild davon machen will, ist dazu herzlich eingeladen; die QR-Codes führen Sie an die entsprechenden Stellen.

Dem Diskurs verpflichtet

Das Gelbe Heft lebt!

Eines jedoch wurde einmal mehr eindrücklich unter Beweis gestellt: Artikel aus dem «lvb inform» zeitigen immer wieder Wirkung. Manchmal werden sie in Zeitungen aufgenommen, von Landratsmitgliedern in den politischen Debatten zitiert oder – wie im vorliegenden Fall – im Internet heiss diskutiert.

Wir werden alles dafür tun, dass das auch in Zukunft so bleibt. Indem wir ganz bewusst auch heisse Eisen aufgreifen und die redensartlichen Elefanten im Raum, welche an vielen Orten gerne dauerhaft ausgespart werden, thematisieren. «Schreiben, was ist», lautete das Motto von SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein. Diesem Credo fühlt sich auch der LVB seit jeher verpflichtet.

 

[1] Schulische Digitalisierung bedarf der Reflexion, lvb inform 2023/24-01
https://lvb.ch/2022/wp-content/uploads/2023/10/02_Editorial-Schulische-Digitalisierung-bedarf-der-Reflexion_lvb-inform_23-24-01-1.pdf

[2] Digitalisierung: Wie weit soll sie gehen?
https://condorcet.ch/2023/10/digitalisierung-wie-weit-soll-sie-gehen/

[3] Eine Replik auf den Austausch zwischen Wampfler und Loretz, https://condorcet.ch/2023/10/eine-replik-auf-den-austausch-zwischen-wampfler-und-loretz/

 

 

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