22. Dezember 2024
Die PH-Bern wirbt

Mehr als Mandala malen – eine Antiwerbung der PH-Bern

Die PH-Bern produzierte vor vier Jahren mehrere Kurzfilme, in denen die Vorzüge des Lehrberufs und natürlich auch ein Studium an der Hochschule angepriesen wurden. Plötzlich tauchten sie wieder auf. Condorcet-Autor Alain Pichard schaute sie sich an, nachdem er von einer Stellvertretung an einer 9. Klasse in einer Brennpunktschule zurückkam.

Letzte Woche wurde mir obiger Werbefilm plus noch fünf weitere Porträts von Lehrpersonen zugeschickt. Sie wurden schon vor einigen Jahren produziert, zirkulieren aber offensichtlich seit neuestem wieder im Netz. Nach Durchsicht der PH-Werbedrehs schickte ich diese an eine befreundete Regisseurin, die im schweizerischen Filmwesen tätig ist und selbst auch Werbefilme dreht. Ich bat sie um eine fachkundigen Expertise. Ihr Urteil war unbarmherzig. Die fünf Filmchen, welche die PH-Bern zu ihren Studiengängen und dem Lehrberuf allgemein produzieren liess, hätten allerhöchstens «Schultheaterniveau». Müde Witzchen, gestelzte Aussagen, komplette Uncoolness. Eine Antiwerbung für den Berufsstand. So die Kurzzusammenfassung.

Werbefilme für unseren Berufsstand, sollten eigentlich das Ziel haben, intelligente, initiative und interessante Persönlichkeiten für einen Beruf zu gewinnen, der zurzeit ein Imageproblem hat.

Werbefilme für unseren Berufsstand, sollten eigentlich das Ziel haben, intelligente, initiative und interessante Persönlichkeiten für einen Beruf zu gewinnen, der zurzeit ein Imageproblem hat. Als gestandener Lehrer, der ab und zu einmal ins Kino geht und auch schon Werbefilme in Auftrag gegeben hat, realisierte ich schnell, dass hier fast alles schief ging. Das fängt schon beim Titel «Mehr als Mandala malen» an. Man nehme an, Coop würde mit einem Film für den Verkäuferinnenberuf werben. Würde der Titel dann heissen: «Wir verkaufen mehr als Süssigkeiten»? Oder «Coop verkauft keinen Mist»? Negativ besetzte Wörter im Titel sind in der Kommunikationstechnik ein No go. Ein krasser Anfängerfehler. Eine sympathische Pascale, Studentin im 3. Jahr, führt uns mit einigen müden Witzchen durch ihr Institut, und bestätigt nebenbei unfreiwillig alle Klischees, die man sich heute von den Lehrerinnen macht. Sie spricht zu den Betrachtern des Films wie mit Kindern, mit einer Babysprache und einem leichten Sprachfehler, was sie sympathisch, aber nicht cool macht. Intelligente dynamische Persönlichkeiten stellen hier bereits ab. Die von mir angefragte Regisseurin schüttelte den Kopf: «Was haben sich die Filmemacher (wer war das eigentlich?) dabei gedacht, als sie die arme Pascale in diesem Outfit gefilmt haben? Eine Mischung aus Klimaaktivistin und Kitabetreuerin tingelt durch graue Gänge, bieder angezogen, wenig Ausstrahlung, wenig Charisma, einfach nur herzig.» Das gelte im Übrigen auch für ihre männlichen Kollegen, die in den anderen Filmen auftreten. Dass sie dann noch in ihrer Wohnung Gitarre übt, bedient weitere Schablonen, die man sich von Unterstufenlehrerinnen macht. Ich kenne Lehrerinnen, die als SLAM-Akrobaten auftreten oder in Rockbands spielen.

Wir lehren hier Umgang mit Diversität ganz nach Lehrplan 21.

Interessant sind die kolportierten Botschaften dennoch. Die fröhlich aufgestellte Studentin unterrichtet NMG und Musik an mehreren Klassen. In eine dieser Klassen dürfen wir hineinschauen. Die Schüler – wir vermuten eine 5. Klasse – sitzen in Inseln in einem schönen Klassenzimmer alle vor dem Laptop und diskutieren sichtlich leb- und ernsthaft über schulische Inhalte. Am Visualizer auf dem Lehrerpult hängt ein Triangel. Pascale schlägt es an, ein angenehm leiser Ton ertönt, die Kinder verstummen und schauen ihre Lehrerin brav und erwartungsfroh an. Pascale freut sich: «Alles eine Frage des Classroom-Managements – kann man lernen!», flüstert sie in die Kamera. Und: «Wir lehren hier Umgang mit Diversität ganz nach Lehrplan 21». Damit wäre auch der staatliche Propagandaanspruch abgehakt. Es ist eine Art Disney-World, die uns hier präsentiert wird.

Als die positiv eingestellte Pascale ihre Dozentinnen aus dem Klassenzimmer holt und sie nach ihrer Tätigkeit fragt, erhält man plötzlich Botschaften, die sich an Erwachsene richten. Das heisst, es gibt hier so etwas wie fundierte Kurzbotschaften. Am Schluss besucht unsere zukünftige Kollegin noch einige Kommilitonen und fragt sie, weshalb sie den Beruf so cool finden. Man hört dabei Aussagen wie «jeder Tag ist anders» oder «Die Beziehung mit den Kindern ist mir wichtig». Immer wieder wird die Teamarbeit betont. In einem anderen Film erklärt uns ein Junglehrer aus Ipsach auf SUP-Board (wie kommt man auf eine solche Idee? Wollte man den Freizeitcharakter unseres Berufs betonen?), wie wichtig ihm im Beruf die Teamarbeit sei. Die Botschaft: Ziel des Unterrichtens ist die Teamarbeit!

Zwei Dinge fehlen völlig: Man sieht kaum Aufnahmen von Schülerinnen und Schülern (was man technisch hätte einblenden können) und man hört nichts von Belastungen, Frust, Schwierigkeiten und Grenzerfahrungen.

Wenn man aber alles Negative und Anspruchsvolle weglässt, besteht die Gefahr, dass man einen Beruf vermittelt, dessen Tätigkeit intellektuell anspruchslos ist und der keine nennenswerten Herausforderungen bietet.

Diese Aufgabe übernimmt ein Analysenpapier, dass ironischerweise vor wenigen Tagen vom Personalverband der Lehrkräfte (Bildung Bern) herausgegeben wurde. In diesem Informationsschreiben wird erklärt, weshalb so viele Lehrkräfte in Teilzeit arbeiten. Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in dramatischen Worten auf die dunkle Seite der Lehrtätigkeit hingewiesen: Belastung, Belastung, Belastung. Es ist von Burnoutgefahr die Rede, von Unterbezahlung, von Grenzsituationen.

Natürlich gehört das nicht in einen Werbefilm. Wenn man aber alles Negative und Anspruchsvolle weglässt, besteht die Gefahr, dass man einen Beruf vermittelt, dessen Tätigkeit intellektuell anspruchslos ist und der keine nennenswerten Herausforderungen bietet.

Die von mir angefragte Regisseurin rät: «Auf keinen Fall aufschalten! Das ist klassische Antiwerbung:» Ein bisschen streng ist das Urteil dieser Regisseurin schon. Sie fragte mich, ob ich wisse, wie hoch das Budget dieser Filmchen war. Als ich mit der Gegenfrage antwortete, wie viel sie denn bei einem Werbefilm verdiene, meinte sie: «Ich arbeite nicht unter einem Tagesansatz von 15’000 Fr. Aber darin ist alles enthalten: Outfit, Beleuchtung, Drehbuch, Casting, Kamera, Schnitt usw.»

Nun denn, wir haben in unserem Kollegium eine Lehrerin, deren Hobby das Filmemachen ist. Der Condorcet-Blog hat bereits zwei ihrer Filme aufgeschaltet. https://condorcet.ch/2022/09/kreativitaet-einer-integrationsklasse-ein-beispiel-aus-biel/

Bescheidenes Budget, viel Inspiration und Rasse, schräge Motive. Wir können der PH den Kontakt vermitteln

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Ein Kommentar

  1. Auffallend ist auch, dass viel von begleiten, unterstützen, coachen usw. die Rede ist. Lehren wollen die angehenden Lehrerinnen und Lehrer – ebenso wie die Dozierenden – offenbar nicht.

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