Eigentlich hatte man gehofft, diese Form von Geschlechterstereotypen zu überwinden: dass Jungs angeblich besser rechnen können und Mädchen besser reden, dass männliche Jugendliche sich eher für Mathe und Physik interessieren und weibliche für Deutsch und Gesellschaftswissenschaften. Es gibt Girls Days, MINT-Mädchenförderkurse und Initiativen wie „Komm, mach MINT“.
Und trotzdem bleiben Frauen in den Berufen, die sich mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – kurz: mit MINT-Fächern – befassen, aller guten Verdienstmöglichkeiten zum Trotz unterrepräsentiert. Schlimmer noch: Schon in der Grundschule öffnet sich die Kluft zwischen Jungen und Mädchen im Fach Mathematik.
Dieser Trend hat sich sogar noch verschärft. Laut dem MINT-Nachwuchsbarometer der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Joachim Herz Stiftung haben die Geschlechterunterschiede bei den mathematischen Leistungen in den vergangenen zehn Jahren sogar noch erheblich zugenommen: Hatte der Abstand zwischen Jungen und Mädchen der vierten Klasse im Jahr 2011 noch bei neun Lernwochen gelegen, blieben die Mädchen 2021 bereits 15 Lernwochen zurück.
„Der Befund offenbart, dass es den beteiligten Akteuren in der Grundschule trotz des inzwischen vorhandenen Problembewusstseins nicht gelingt, die Benachteiligung der Mädchen im Fach Mathematik zu überwinden“, heißt es im Nachwuchsbarometer. Überdies zeigten Mädchen ein geringeres Selbstvertrauen und Interesse gegenüber Mathematik als Jungen.
Ein Teil der deutschen Grundschüler ist auffällig schlecht in Mathematik – und zwar nicht erst seit der Corona-Zeit.
Bei der Motivation seien die Geschlechterdifferenzen sogar noch größer als bei den Leistungen, hält der Bericht fest. „Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich Jungen eher überschätzen und Mädchen sich in Bereichen, die nach traditionellem Rollenbild nicht zu ihrer Identität passen, stärker unterbewerten.“ Ein Teufelskreis.
Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und Studienleiter des Nachwuchsbarometers, stuft die sich weiter öffnende Kluft zwischen den Leistungen von Mädchen und Jungen als „beunruhigend“ ein. Durch die Covid-Krise und die zeitweisen Schulschließungen habe sich der Trend noch verstärkt, sagt Köller. „Das liegt auch daran, dass die Jugendlichen im Homeschooling eher die Dinge gemacht haben, die sie können und an denen sie Spaß haben. Die Mathematik kam dabei vor allen bei den Mädchen eher zu kurz. Geschlechterstereotype konnten sich so weiter ausprägen.“
Während es in der Schule keine Gewichtung von Fächern und keine geschlechterbezogene Priorisierung des Angebots gebe, würden Stereotype in den Familien möglicherweise sogar noch unterstützt. „Und in der Tat interessieren sich Mädchen nach wie vor eher für lebensnahe Disziplinen wie Biologie und Medizin, während die Jungen eher in den abstrakten, alltagsfernen Disziplinen zu Hause sind. Darin spiegeln sich auch Sozialisation und Erziehung.“
„Mädchen interessieren sich eher für lebensnahe Disziplinen“
Auch Köller zerbricht sich manchmal den Kopf darüber, ob sich solche Zuschreibungen überhaupt auflösen lassen. Bisher sei das jedenfalls nicht geglückt – trotz des großen Interesses der MINT-Unternehmen, auch aus dem Pool der jungen Frauen stärker Begabungsreserven zu schöpfen, um den Fachkräftemangel zu beheben. „Wir haben noch nicht den Königsweg gefunden, wie wir mehr Mädchen für MINT-Ausbildungen oder MINT-Studiengänge gewinnen können“, gesteht Köller.
Und für die Mädchen bestehe auch kein Leidensdruck, da sie auch in anderen Disziplinen höchst erfolgreich Karriere machen könnten. „Sie werden eben Industriekauffrau statt Kfz-Mechatronikerin oder studieren Medizin anstelle von Chemie, weil sie dort den Bezug zur Lebenswelt haben.“
„Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer dafür sensibilisieren, mit welchen mathematischen Aufgabenstellungen man Mädchen kognitiv aktivieren kann.“
Olaf Köller, Studienleiter des Nachwuchsbarometers
Im lebensweltlichen Bezug von mathematischem und naturwissenschaftlichem Unterricht sieht der Bildungsforscher deshalb auch den entscheidenden Hebel für Lehrkräfte, die Mädchen doch noch für MINT-Fächer zu begeistern. „Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer dafür sensibilisieren, mit welchen mathematischen Aufgabenstellungen man Mädchen kognitiv aktivieren kann“, sagt Köller. „Das sind typischerweise Kontexte aus dem sozialen Umfeld der Mädchen, wo sie lernen, dass sie zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen, am besten im Team mit anderen.“
„Historische Krisensituation“
Auch weibliche Role Models könnten hilfreich sein – allerdings nur, wenn sie nicht zu abgehoben sind und ihre Karrieren erreichbar scheinen. „Die erfolgreiche 28-jährige Start-up-Unternehmerin, die innerhalb von drei Jahren Millionärin geworden ist, wirkt auf die meisten Mädchen eher demotivierend.“
„Jeder zweite Jugendliche mit Migrationshintergrund geht in Deutschland nach der Sekundarstufe 1 nicht in eine berufliche Ausbildung, sondern ins Übergangssystem.”
Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN)
Derzeit jedenfalls sind junge Frauen in den MINT-Berufen noch in der Minderzahl. In der MINT-Ausbildung ist nur eine Frau unter acht Auszubildenden, im dualen MINT-Studium beträgt der Frauenanteil 20 Prozent. Immerhin: In klassischen MINT-Studiengängen stieg ihr Anteil leicht auf 31 Prozent.
Und auch bei ausländischen Studierenden sind diese Studiengänge an deutschen Hochschulen beliebt. Die Zahl ausländischer Studienanfänger ist laut Nachwuchsbarometer um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. „Viele ausländische Studierende kommen aus Osteuropa und Asien, wo die Ingenieurswissenschaften eine hohe Wertschätzung erfahren“, sagt Köller. „Sinnvoll wäre es, diese Menschen hier auch anschließend zu halten.“
Dramatische Folgen
Bildungsforscher Köller sieht Deutschland in einer „historischen Krisensituation“. Durch die demografische Entwicklung gingen derzeit nur recht kleine Kohorten in den Ausbildungsmarkt. Gleichzeitig gebe es viel zu viele Unqualifizierte, weil große Gruppen schon in der Schule verloren gingen, so Köller. „Jeder zweite Jugendliche mit Migrationshintergrund geht in Deutschland nach der Sekundarstufe 1 nicht in eine berufliche Ausbildung, sondern ins Übergangssystem. Wenn es dort gut läuft, endet das in einer wenig qualifizierenden Ausbildung, wenn es schlecht läuft, gleich auf dem Sozialamt.“
Die Unternehmen würden daher erhebliche Probleme bekommen, prognostiziert der Bildungsforscher. „Die Kopplung von demografischer Entwicklung und niedrigen Kompetenzniveaus gerade in den MINT-Fächern wird uns in der wirtschaftlichen Entwicklung stark dämpfen. Die volkswirtschaftlichen Folgen werden dramatisch sein.“
Es ist nur noch zum Lachen: Die Genderagenda versucht verbissen, was nie gelingen wird. Frau ist Frau und das ist auch gut so. Vielleicht hat die elende Zwängerei dann einmal ein Ende.