Redaktion
Lieber Alain, mit 66 Jahren in ein kantonales Parlament gewählt zu werden, ist keine Selbstverständlichkeit. Und erst noch von einem hinteren Listenplatz einen Bisherigen zu verdrängen, kommt auch nicht alle Tage vor. Wie erklärst du dir das Resultat?
Alain Pichard
Interessant ist dieses Resultat vor allem deshalb, weil ich mit Bildungsthemen angetreten bin und teilweise auch mit dezidiert anderen Positionen, als sie von der Mehrheit des kantonalen Parlaments vertreten worden sind. Auch in meiner Partei zählt das Thema Bildung nicht zu den Kernthemen. Ich interpretiere dies als wachsende Zustimmung für meine Kritik an den gegenwärtigen Schulreformen. Ich scheine nicht die Einzelmaske zu sein,
als die ich von den Lehrerverbänden und Bildungsbürokraten immer dargestellt werde.
Trotzdem die Frage: Mit 66 Jahren könnte einem ja auch mal etwas anderes einfallen, als wieder in die Politik zu gehen.
Mein Rentnerdasein wurde eindeutig verschoben. Aber nicht nur durch den Wiedereinstieg in die Politik. Seit Mitte Februar habe ich eine Klasse übernommen, weil man keine Lehrer findet. Es ist eine Migrantenklasse in einem Brennpunktquartier. Und das gibt enorm viel zu tun. Und beim neuerlichen Unterrichten bin ich natürlich auch mit den verheerenden Auswirkungen der gegenwärtigen Bildungspolitik konfrontiert worden. Bildungspolitik wird im Kanton gemacht.
Ich nehme an, dass in den Berner Schaltzentralen der Bildungspolitik die Alarmglocken läuten.
(lacht) Das nehme ich auch an. Aber keine Sorge, ich werde konstruktive Arbeit leisten.
Klassenlehrer, Grossvater, Grossrat … Scheue Frage, bleibt die noch Zeit für den Blog?
Bis zum Sommer wird es eng. Danach habe ich wieder mehr Zeit, weil mein Einsatz in der Schule dann zu Ende geht. Der Blog bleibt eine zentrale Aufgabe in meinem Leben, und wir haben hier viel vor… Das verspreche ich unseren Leserinnen und Lesern.
Das ist nun wirklich eine erfreuliche Nachricht! Offensichtlich hat Alain Pichard nicht mit politischer Allerwelts-Propaganda, sondern mit seinen klaren Botschaften zu Bildungsfragen bei einer grossen Zahl von Wählerinnen und Wählern überzeugt. Und das zu Recht. Mit dem neuen Grossrat kommt ein Vertreter der praxisorientierten Bildungspolitik ins Berner Parlament. Man kann davon ausgehen, dass er als berufener Lehrer die zentralen Themen des Schulalltags aufgreifen und pragmatische Lösungen vorschlagen wird. Pädagogische Dogmatiker werden nun sicher nervös werden, denn mit Alain Pichard betritt ein erfahrener, messerscharf analysierender Pädagoge die politische Bühne. Diese nötige Auffrischung in Bern wird unserer Volksschule gut tun.