28. April 2024

Das Interview mit Lars Burgunder: Ich war mir meiner Wirkung nicht bewusst

In der Rubrik “Es war einmal!” hat Condorcet-Autor Alain Pichard die Tat des Lars Burgunder vor 5 Jahren noch einmal in Erinnerung gerufen (siehe: Aus der Rubrik: Es war einmal oder wie ein junger Lehrer die hochtrabenden Pläne eines Bildungsdirektors und seiner ihn verehrenden Fankurve zu Fall brachte, 27.10.21). Kurz darauf telefonierte er mit dem damaligen Zweifler. Entstanden ist ein hübsches kleines Interview.

Alain Pichard, frisch pensionierter Lehrer, Mitglied der Condorcet-Redaktion.
Bild: fabü

Lars, du hast vor 5 Jahren inmitten einer Fangemeinschaft ein ganzes Konzept einer Behörde mitsamt ihrem populären Erziehungsdirektor Pulver zu Fall gebracht. Wie fühlt man sich 5 Jahre danach?

Danke für die Blumen. Ich kann ehrlich sein und sagen, in der Retrospektive war mir nie wirklich klar, was ich da genau ausgelöst und schliesslich geschafft hatte. Wenn ich aber die damals am Hearing vorgestellte Version der Beurteilung mit der heutigen vergleiche, dann sehe ich schon, dass es sich unglaublich gelohnt hat aufzustehen und zu sagen “so nicht”. Obwohl, der neue Lehrplan ist ja doch gekommen, und wer die “Schlüsselkompetenzen” im “Portfolio” näher und kritisch unter die Lupe nimmt, kann sich wohl ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die idiotischen Charakterbeurteilungen mit ihrer stupiden Skalierung, das konnte es ja wirklich nicht sein. Erstaunt hat mich, dass ich offensichtlich in dem Saal der einzige war, dem dies missfiel.

Du hast aber eh Mühe mit der Leistungsbeurteilung.

Ja, wenn alles nur noch Leistung ist und nun auch noch Charakter und persönliche Eigenschaften, zu denen man Sorge tragen muss, vermessen werden sollen, dann lehne ich das ab.

Die idiotischen Charakterbeurteilungen mit ihrer stupiden Skalierung, das konnte es ja wirklich nicht sein. Erstaunt hat mich, dass ich offensichtlich in dem Saal der einzige war, dem dies missfiel.

Wie waren die Reaktionen auf darauf?

In meinem Umfeld und der Schule, an der ich damals gearbeitet habe, war nichts zu spüren. Von vielen wurde es einfach mit einem Nicken zur Kenntnis genommen, sie wussten oft nicht einmal, dass sich da jemand gewehrt hatte. Es war wie an diesem Hearing: Alle nicken mit dem Kopf und hinterfragen nicht, komme was wolle. Aber das ist ja mittlerweile ein in der Gesellschaft sehr verbreitetes alltägliches Phänomen. Ein paar einzelne, dem System Schule gegenüber auch kritisch eingestellte Kollegen und Kolleginnen haben mir aber auch für das Erreichte gedankt.

Lars Burgunder, rechts im Bild, auf der Alp: Ich arbeite gerne mit Jugendlichen zusammen.

Wie stehst du heute zur Schule? Du machts viele andere Dinge, kommst aber immer wieder zur Schule zurück.

Ja, ich mache viele andere Dinge. Die letzte feste Anstellung hatte ich im Jahr 2016, danach habe ich nur noch längere Stellvertretungen gemacht (ich sage jeweils, ich bin freischaffender Lehrer) und arbeite im Sommer jeweils als Hirte auf der Alp. Gleichzeitig bin ich teilselbständig als Tätowierer, das mache ich seit etwa 2010. Aber das Thema Schule lässt mich halt nicht los. Meine Frau ist Heilpädagogin, und so diskutieren wir so oder so immer wieder mal über die positiven Seiten der Schule, aber auch über all die Missstände im System Schule, sprechen und streiten auch über Dinge, die aus unserer Sicht einfach nicht akzeptabel sind.

Darum gehe ich immer wieder zurück. Und ich mache es auf meine Art und Weise, so wie ich es für richtig halte und nicht nach einem Muster.

Aber du gibst immer wieder Schule. Ist das dein Brotjob?

Das könnte man meinen, dem ist aber nicht so. Auch wenn ich vieles am System Schule nicht mag, arbeite ich einfach gerne mit Kindern und Jugendlichen. Darum gehe ich immer wieder zurück. Und ich mache es auf meine Art und Weise, so wie ich es für richtig halte und nicht nach einem Muster. Wenn mich jemand fragen würde, wie Schule denn sein müsse und man dazu nur ein Adjektiv brauchen dürfte, würde ich antworten: kindgerecht. Und nur so muss und darf Schule sein aus meiner Sicht: kindgerecht. Wer darüber nachdenkt, merkt schnell: Die Schule heute ist meilenweit davon entfernt, kindgerecht zu sein. Aber als individuelle Lehrpersonen können wir in den Lektionen bei den Kindern mehr erreichen als wir denken. Wenn dir am Ende einer längeren Zeit mit einer Klasse die SuS sagen “dir sid wine Père für üs”, dann weiss ich, es ist gut so, wie ich es mache, und darum gehe ich immer wieder zurück.

 

 

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