Liebe Eltern schulpflichtiger Kinder,
Wenn Sie diesen Beitrag lesen, werden die Schulen wieder begonnen haben. Ich selber bin dabei nicht mehr als Lehrer mit von der Partie, hingegen steht mir der Kindergarteneintritt meines Grosskinds bevor. Somit ist auch für mich das Thema Schule noch nicht ganz abgeschlossen. Nach den Kapiteln «Schüler», «Lehrer» und «Vater» steht mir nun der letzte «schulische Teilauftrag» bevor, der des Grossvaters. Um präzise zu bleiben, habe ich bereits vor einigen Jahren mit einem Grosskind für die Schule gearbeitet. Sie kam übers Wochenende aus Zürich angereist und büffelte bei uns Mathematik, um ins Gymnasium zu gelangen. Diese und andere Episoden haben mir natürlich bewusstgemacht, dass dem Schulerfolg des eigenen Kindes und dem späteren beruflichen Vorwärtskommen grössere Aufmerksamkeit geschenkt wird als zu jener Zeit, in der ich noch in die Schule ging. Damit eine nicht allzu sorgenvolle Zeit für Sie anbricht, möchte ich Sie zu Beginn dieses Schuljahres auf einige heute empfundenen Katastrophen hinweisen, die ich als Schüler überlebt habe. Es soll Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bei all den kommenden Problemen zu mehr Gelassenheit verhelfen.
Damit eine nicht allzu sorgenvolle Zeit für sie anbricht, möchte ich Sie zu Beginn dieses Schuljahres auf einige heute empfundenen Katastrophen hinweisen, die ich als Schüler überlebt habe. Es soll Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bei all den kommenden Problemen zu mehr Gelassenheit verhelfen.
- Velotouren ohne Velohelm
- Masern, Röteln, Scharlach ohne Impfung
- OL in einem Zeckengebiet ohne Warnbrief und Kleidervorschriften.
- Eine Zeugnisnote „3“ im Fach Mathematik ohne Diskalkuliediagnose und Förderplan
- Den tödlichen Herzinfarkts meines Klassenlehrers auf einer Schulreise ohne psychologische Nachbetreuung.
- Ein nicht gelerntes Diktat mit 30 Fehlern und einer „1“ ohne späteren Nachteilsausgleich und Spezialförderung.
- Die Aufsatzkorrekturen des Herrn Dr. Wehrle mit dem Kommentar: „Es war eine Zumutung so etwas zu korrigieren“ ohne Verlust des eigenen Selbstwertgefühls.
- Schwimmen im Rhein ohne einen Betreuer mit Lebensretterbrevet.
- Den Alkoholausschank am St.Johanns-Fest als 12-jähriger ohne polizeiliche Nachuntersuchungen.
- Den Physikunterricht des Dr. Würgers, des strengstens Lehrers des letzten Jahrhunderts, ohne Erschöpfungssyndrom.
- Das Auswendiglernen des Gedichts “Die Bürgschaft” von Friedrich Schiller ohne Überlastungssyndrom.
- Den Kinnhaken meines Klassenlehrers Rigling in der 4. Klasse ohne nachfolgende Anzeige meiner Eltern. Er hatte sich vorher brieflich entschuldigt und die zerbrochene Brille bezahlt!
- Einen Boxkampf während einer Museumsführung in Augusta Raurica mit meinem Erzfeind Karl Kuske ohne nachherigen Gang zum Schulpsychologen.
- Der Verrat meines Schulschätzchens Kathrin, die sich besagtem Karl Kuske anschloss, ohne dass Mobbingvorwürfe erhoben wurden.
- Eine Freizeitgestaltung ohne Jugendarbeit.
- Den Unterricht in einem Klassenzimmer mit 32 SchülerInnen ohne Speziallehrkraft.
- Mindestens zehn Schuljahre ohne Schulreform
- Den Rauswurf aus dem Gymnasium wegen zu vieler Absenzen, ohne dass meine Eltern Rekurs einlegten.
- Ein halbes Jahr Arbeit im Schlachthof Basel plus Einstellung aller Zahlungen, zu dem mich mein Vater nach dem Rauswurf aus dem Gymnasium verdonnert hat, ohne anschliessendes Burnout
- Ein Leben ohne Matur ohne gravierende Spätfolgen
Ich hatte übrigens eine ziemlich schöne Schulzeit.
Dieser Artikel ist in einer gekürzten Version zuerst im Nebelspalter erschienen.