Handyverbot an Schulen

Das Handyverbot ist durchaus vertretbar

Nach dem Entscheid der Gemeinde Köniz, das Handy in all ihren Schulen zu verbieten, kritisierte der Bolliger Anwalt, Daniel Ketterer, diesen Entscheid als eine Verletzung der Grundrechte. Condorcet-Autor Alain Pichard widerspricht ihm, auch wenn er ein generelles gesetzliches Verbot ablehnt.

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Die Schulen dürfen und können das!

In einem interessanten Statement verurteilt der Bolliger Anwalt Daniel Ketterer das Verbot von Handys, das die Gemeinde Köniz ihren Schulen auferlegt hat. ( https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2025/02/Koeniz_-Ist-das-Handyverbot-an-den-Schulen-rechtens_-_-Der-Bund.pdf ) Er behauptet, dass das «generelle Verbot, das Handy auf dem Schulareal auch während der Pausen oder in der freien Mittagszeit zu benutzen, unverhältnismässig und damit rechtlich unzulässig» sei. Herr Ketterer argumentiert mit den Grundrechten. Vielleicht muss man dem Anwalt einmal das Wesen einer Schule erklären. Die Schule ist juristisch gesehen eine Anstalt und hat damit den gleichen Status wie ein Gefängnis, eine Psychiatrische Klinik oder ein Spital. Alle diese Anstalten geben sich Hausordnungen, die den Betrieb funktionstüchtig machen sollen. Das erlaubt ihnen auch, Grundrechte ausser Kraft zu setzen. Sie müssen sich allerdings an vier Grenzen halten.

  1. Grenze des Ortes

Weisungen und Regelungen gelten nur für das Areal, auf dem sich die Schule befindet und dazu gehört auch der Pausenplatz.

  1. Grenze der Zeit

Weisungen und Regeln gelten nur für die Zeit, in denen die Kinder unter der Obhut der Schule und ihrer Lehrkräfte sind, sprich dem Stundenplan. Darin enthalten ist auch ein allfälliger Mittagstisch oder Zwischenstunden.

  1. Grenze des Zwecks
Daniel Ketterer, Rechtsanwalt, Bolligen, Kt. Bern: Es verletzt die Grundrechte.

Weisungen und Regelungen müssen einen schulischen Zweck erfüllen. Das heisst, sie müssen dem Unterricht dienen, bzw. ihn möglich machen. Wir hatten einmal den Fall einer Hauswirtschaftslehrerin, welche den Kindern befohlen hatte, vor dem Essen zu beten. Einige Schülerinnen weigerten sich, dies zu tun. Diese Regelung war unrechtens, weil mit dem Gebet kein direkter Zusammenhang auf die Lerninhalte nachgewiesen werden konnten. Man nehme mal an, die Schule müsste Grundrechte wie Redefreiheit oder Bewegungsfreiheit jederzeit respektieren. Ein Unterricht wäre nicht mehr möglich. Andere unbedachte Regelungen, wie ein Verbot von Trainerhosen, wären allerdings unter diesem Gesichtspunkt einiges fragwürdiger.

Ich persönlich kenne keine Schule, die nicht schon Begrenzungen beim Handygebrauch vorgenommen hat. Die Schule ist zudem auch im ständigen Kontakt mit ihren Partnern, den Eltern und den Schülern.

  1. Die persönliche Grenze

Hier wird der Schule aufgetragen, auf Kollektivstrafen zu verzichten. Selbstredend sind auch Beleidigungen und Prügelstrafen grundsätzlich verboten.

Kleidervorschriften sind viel heikler.

Ich persönlich kenne keine Schule, die nicht schon Begrenzungen beim Handygebrauch vorgenommen hat. Die Schule ist zudem auch im ständigen Kontakt mit ihren Partnern, den Eltern und den Schülern. Dazu ein Beispiel aus dem Oberstufenzentrum Orpund, an dem ich lange unterrichtet habe. Der Schülerrat verlangte vor einigen Jahren, dass das strikte Handyverbot an unserer Schule aufgehoben würde und die Schüler das Handy in der Pause gebrauchen könnten. An einer Lehrerkonferenz argumentierten sie sehr geschickt, worauf die die Lehrerschaft dieser «Liberalisierung» auf Versuchsbasis zustimmte. Die Folge war, dass der Gebrauch des Handys völlig aus dem Ruder lief. Die Kids hingen mehrheitlich nur noch am Handy herum, es gab kaum mehr Gespräche, geschweige denn Ballspiele, dafür jede Menge unbewilligter Fotoaufnahmen. Die Lehrerkonferenz nahm die Liberalisierung wieder zurück, ohne Widerspruch des Schülerrats, dafür mit Unterstützung des Elternrats.

Herr Ketterer bringt aber durchaus wichtige Fragen in den Diskurs ein, weshalb ich dafür plädiere, die Lösung dieser Problematik den Schulen zu überlassen. Immerhin dient uns das Handy auch in vielen Unterrichtssituationen als willkommenes Hilfsmittel. Denken wir nur an die Skilager. Die Schulen müssen hier für sich angepasste Lösungen finden. Sie dürfen und können das. Dazu ein weiteres Beispiel: Alle reden von den Handys und übersehen dabei, dass mittlerweile viele Kinder, auch auf der Unterstufe mit einer Applewatch ausgerüstet sind. Und so kam es, dass in einer 3. Klasse eine Schülerin, die auf dem Pausenplatz tätlich angegangen wurde, per Applewatch ihren Vater herbeirief, der sofort zur Selbstjustiz greifen wollte, was freilich mit einem gewissen Aufwand unterbunden werden konnte. Fazit: Die Technik überholt allgemeine Regelungen, bevor sie umgesetzt werden können.

 

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Oberstes US-Gericht untersagt Studentenauswahl nach Hautfarbe

In den USA hat es der Oberste Gerichtshof den Universitäten untersagt, bei der Auswahl von Studienplatzbewerbern deren Hautfarbe zu berücksichtigen. Wie berichtet wird, habe der Supreme Court in Washington entschieden, dass die unter dem Begriff Affirmative Action bekannte Praxis gegen die Verfassung verstoße. Studenten müssten auf Grundlage ihrer Leistung als Individuum behandelt werden und nicht auf Grundlage ihrer Hautfarbe, habe Gerichtspräsident John Roberts zu dem Urteil geschrieben. Natürlich haben wir unsere Gastautorin Diane Ravitch gefragt, wie sie diesen Entscheid beurteilt. Hier ist ihre Analyse.

Alles eine Frage der Ressourcen

Die Integrationsdebatte bewegt die Gemüter in der Schweiz. Das Bildungspapier der FDP oder die eingereichten Initiativen in Basel und im Kanton Bern haben die Bildungsbürokratie aufgeschreckt. Es gibt in dieser Diskussion viele differenzierte und kluge Beiträge von beiden Seiten. Die kirchliche Botschaft in der Zeitschrift “reformiert”, das Verbandsblättchen der evangelisch-reformierten Landeskirchen, gehört zu den weniger gescheiten, meint Condorcet-Autor Alain Pichard.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert