Konrad Kuoni, Berufsschullehrer und Präsident des Zürcher Verbandes der Lehrkräfte in der Berufsbildung (ZLB) war schon vor drei Jahren einer der Kritiker der berüchtigten KV-Reform. «So lernt man nicht denken», schrieb er in seinem Artikel, den der Condorcet-Blog im September 2021 aufschaltete (https://condorcet.ch/2021/09/die-kv-reform-als-bruch-mit-der-bildungstradition-oder-so-lernt-man-nicht-denken/ ). Die Reform wurde trotz erheblicher Widerstände und gegen eine Mehrheit der Lehrpersonen umgesetzt.
Jetzt geht es der Abschlussprüfung in der Berufslehre an den Kragen. Im Rahmen der «Allgemeinbildung 2030», 2018 gestartet und Teil der «Berufsbildung 2030», möchte man die künftige Lehrlingsausbildung fit für die Zukunft machen.
Wieder war es Konrad Kuoni, der in einer messerscharfen Analyse beschrieb, wie die Methode des bürokratischen Bildungsapparats funktioniert ( https://condorcet.ch/2024/07/zu-dritt-im-lotterbett/ ). Kurzfassung: Die Akteure haben geändert, die Vorgehensweise ist immer dieselbe. Pro forma übernehmen das SBFI (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation) und der SBBK (Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz) die Leitung des Reformprozesses. Diese wurde aber klammheimlich delegiert. War es bei der KV-Reform noch die Privatfirma Ectaveo, die mit diesem Projekt betraut wurde, so ist es jetzt die Firma «Interface». Konrad Kuoni schrieb: “Bei Interface arbeiten gemäss Homepage 51 Personen mit Hochschulabschlüssen, etwa in Soziologie, Bildungs- und Erziehungswissenschaften, Politologie und Ökonomie, 17 davon mit Doktortiteln. Berufsschullehrer oder Praktiker findet man nicht. Interface durfte zunächst zuhanden des SBFI ein 129 Seiten dickes Review erstellen, das von Dezember 2019 bis März 2021 entstand und als Grundlage für weiterführende Arbeiten dient. Die TBBK (Tripartite Berufsbildungskonferenz) begleitet das Projekt, die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung, die Pädagogischen Hochschulen Luzern, St. Gallen und Zürich sowie eine verbundpartnerschaftlich zusammengesetzte Begleitgruppe wurden einbezogen. So liest man es in den Dokumenten des SBFI. Was man dort erst nach langem Suchen entdeckt: Faktisch wurde das ganze Projekt an die private Firma Interface ausgelagert.”
Weiter im Drehbuch: Es gab – wie immer – eine enorm kurze Vernehmlassung, in denen Parteien, Kantone und Berufsverbände konsultiert wurden. Und diese Vernehmlassung ging für die Reformer ziemlich in die Hosen. https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2024/12/Tabelle-zu-Vernehmlassungsantworten-ABU-2030.doc.pdf Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden lehnte die geplante Abschaffung der Abschlussprüfung ab.
Ausbaden durfte diese Dissonanz Toni Messner, seines Zeichens Verantwortlicher für die berufliche Grundbildung im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Auf ein Schreiben von Konrad Kuoni, der ihn in einem Bürgerbrief
https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2024/12/Buergerbrief_Konrad_Kuoni_sig.pdf
auf die Vernehmlassungsergebnisse aufmerksam machte, antwortete dieser am 26.11.2024: «Die Abschaffung ist definitiv beschlossen und durch einen breiten Konsens abgestützt.»
In den Kreisen der Berufsschullehrpersonen wird nun gerätselt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Toni Messner kennt die Vernehmlassungsresultate nicht bzw. man hat ihn nicht informiert, dann wäre das peinlich. Oder er weiss es und verdreht die Tatsachen wider besseres Wissen, das wäre dann unverfroren.
Weder peinlich noch unverfroren ist die Antwort der Praxis, die noch weiss, was demokratische Verfahrensweisen bedeuten. Sie startete eine Petition: https://act.campax.org/petitions/petition-fur-den-erhalt-der-schriftlichen-schlussprufung-im-allgemeinbildenden-unterricht-abu
Ich tippe auf unverfroren.
Die nächste Eskalationsstufe wäre dann als “kriminell” zu bezeichnen.
Petition unterschrieben!
Ich habe auch die Dokumente studiert. Toni Messner sollte nach dem Öffentlichkeitsprinzip stärker auf die Finger, bzw ins Projekt, geschaut werden.
Alle Vernehmlassungspartner müssen seine Entscheidungsgrundlage sehen.
Warum wird befragt, wenn anscheinend der Entschluss schon gefasst war? Anders lässt sich das nicht erklären.
Unverfroren …. aber genau so läuft es im SBFI.
Meine Mail an T. Messner, SBFI, vom 28.11.24:
Sehr geehrter Herr Messner
Mit Ihrem angehängten Schreiben an Konrad Kuoni vom 26.11.2024 treten Sie die Vernehmlassung mit Füssen. Ihre Schlussfolgerung, die Aufhebung der Abschlussprüfung Allgemeinbildung sei durch einen breiten Konsens abgestützt und deshalb aufzuheben, ist falsch.
Wie auf Ihrer ebenso angehängten Tabelle unschwer zu erkennen ist, sind 45% (58 Voten) gegen die Abschaffung, lediglich 18% (24) für dieselbe und 37% (48) haben eine neutrale Meinung.
Von den Gegnern der Abschaffung sind ausnahmslos alle befragten Gruppierungen gegenüber den Abschaffungsbefürwortern in einer deutlichen Überzahl. Sie desavouieren mit Ihrer Ergebnis-Interpretation die an der Vernehmlassung teilgenommenen Kantone, Parteien, Verbände, Konferenzen, (Berufsbildungs-)Ämter, Bildungsinstitution sowie Privatpersonen.
Es stellt sich die Frage, was innerhalb des SBFI für ein direktdemokratisches Verständnis hinter einem so deutlichen Vernehmlassungsergebnis steht. Ich hoffe sehr, dass eine Aufsichtsbeschwerde gegen diese Fehlinterpretation unserer obersten Bildungsbehörde erfolgen wird.