Bei der letztjährigen Pisa-Studie schnitten Deutschlands Schüler historisch schlecht ab. Seitdem brennt die Debatte: Was läuft schief an unseren Schulen? Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor und damit Pisa-Chef, sieht eine große Schuld bei den Lehrern.
In einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ rechnet Schleicher mit den deutschen Lehrern ab. Das schlechte Abschneiden der deutschen Schüler überrascht ihn nicht, er sieht einen „Trend, der sich seit Jahrzehnten abzeichnet.“
Für ihn liegt das auch an den Lehrern. „Deutschland ist beim Lehrerberuf noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Zu viele Lehrer sehen sich in erster Linie als Befehlsempfänger, die im Klassenzimmer statisch einen Lehrplan abarbeiten müssen.“
„Ich habe, ganz ehrlich, wenig Verständnis für Lehrer, die nur darauf pochen, dass sie überlastet seien“
Die Verteidigung der Lehrer, man habe zu wenig Zeit und zu große Klassen, um den hohen Anforderungen an den Beruf zu entsprechen, lässt er nicht gelten. Gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ wird Schleicher hier deutlich: „Ich habe, ganz ehrlich, wenig Verständnis für Lehrer, die nur darauf pochen, dass sie überlastet seien.“
Er betont: „Die deutschen Lehrer sind im internationalen Vergleich sehr gut bezahlt. Lehrkräfte können sich nicht einfach darauf zurückziehen, dass sie viel zu tun haben – und dass sie sich deshalb nicht gemeinsam mit Kollegen treffen könnten, um bessere Unterrichtskonzepte zu entwickeln.“ Sein knallhartes Fazit: „Eine solche Haltung würde in keinem anderen Job akzeptiert werden.“
Verbesserungsbedarf für den Alltag der Lehrer sieht Schleicher ebenfalls reichlich. Gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ sagt er: „Ich bin allerdings dafür, die Arbeitszeit von Lehrkräften anders zu organisieren und sie insbesondere von Verwaltungsaufgaben zu entlasten.“
Pisa-Chef: So verbessern wir unser Schulsystem ohne zusätzliches Geld
Auch sonst hat Schleicher Verbesserungsvorschläge. Mehr Geld sei „immer gut“, sagt der Pisa-Chef, doch nicht notwendig. Man könne auch „ohne zusätzliches Geld große Verbesserungen erreichen.“ Schleicher erklärt: „Es geht darum, die Mittel dort zu konzentrieren, wo sie am meisten gebraucht werden. Das ist erstens in den Grundschulen und auch schon davor – und nicht so sehr in den Gymnasien.“
Sein zweiter Punkt: Das Geld werde da gebraucht, „wo die Herausforderungen durch Schüler aus armen Familien und mit Migrationshintergrund besonders groß sind.“ Wichtig sei dabei, die Eltern der Schüler mit ins Boot zu holen.
Der Bildungserfolg eines Kindes sei „zu eng an die soziale Herkunft gekoppelt“, sagt Schleicher der „Stuttgarter Zeitung“. „Unsere Idee war bislang: Wir brauchen Schulen, die alle Defizite des Elternhauses ausgleichen. Das war naiv. Die neuen Daten zeigen uns: Wir können es ohne die Eltern nicht schaffen.“
Schleichers Appell an die Lehrer: „Machen Sie sich auf den Weg“
Einen Appell an die Lehrer hat Schleicher auch: „Meine Bitte an die Lehrer ist: Machen Sie sich auf den Weg! Schauen Sie nicht nach oben, sondern im Lehrerzimmer direkt zur Kollegin oder zum Kollegen neben sich. Lehrer können gemeinsam an Schulen viel zum Guten verändern. Dafür braucht es keinen Erlass aus dem Kultusministerium
Der Klaus Schwab der Bildungsdebatte…
Warum glaubt der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher ausschließen zu können, dass wir in Deutschland und der Schweiz ohne OECD ein effektiveres Bildungssystem hätten?
Müsste er nicht ins Grübeln kommen, wenn er sich die Mühe machen würde, alle bisher veröffentlichten Ergebnisse der PISA-Tests unter diesem Aspekt zu betrachten?
Der aussagearme Appell an die Lehrer lässt vermuten, dass Herr Schleicher gar nicht weiß, wie heute an Schulen gearbeitet wird. Aber es ist leicht, alles über einen Kamm zu scheren.
In einem hat er recht: Wir sind sehr gut bezahlt. Ich kenne auch keine Kollegen, die das nicht auch so sehen.