Urs Wüthrich stirbt unerwartet

Der frühere Regierungsrat aus Sissach wurde 68 Jahre alt. Für die reformkritischen Kräfte war er der grosse Gegenspieler. Alain Pichard lernte Urs Wüthrich auch von einer anderen Seite her kennen.

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Ein offener Sozialdemokrat.

Urs Wüthrich – da machen wir kein Geheimnis – machte den Kritikerinnen und Kritikern der Bildungsreformen keine Geschenke. Der ehemalige Bildungsdirektor des Kantons Baselland unterstützte die Reformagenda der Bildungsbürokratie von Harmos, Lehrplan 21 bis zu Frühfranzösisch und Inklusionsbemühungen ohne Ausnahme. Unsere Mitstreiterinnen und Mitsteiter in Baselland verzweifelten ab und zu über ihren sozialdemokratischen Bildungsdirektor.

Ich selber lernte Urs Wüthrich anlässlich einer Vorbereitung eines Podiums über die linke Haltung zum Lehrplans 21 in Basel kennen. Er vertrat selbstredend die Gegenseite. In den Gesprächen vor dem Anlass lernte ich einen freundlichen, witzigen und ausserordentlich offenen Menschen kennen, der keinen Groll gegen seine Abwahl zu hegen schien. Das Podium selbst missriet aufgrund einer unglücklichen Gesprächsleitung. Aber auch hier zeigte sich Urs Wüthrich souverän, ging auf die Voten seiner Kontrahenten ein und blieb stets höflich. Nach dem missglückten Anlass sprachen Urs und ich noch mehrere Male miteinander. Damals sprach ich ihn auf die Idee eines Bildungsblogs an, der die verschiedenen  Pole zusammenführen sollte. Er fand diese Idee ausgezeichnet und gehörte auch zu den regelmässigen Lesern unseres Blogs.

Selbst Jürg Wiedemann, früherer Landrat (Grüne-Unabhängige) und Vorstandsmitglied des Komitees Starke Schule beider Basel und ein dezidierter Kritiker von Wüthrichs Reformen, lobte seinen Gegenspieler: «Ein wichtiges Merkmal von Urs Wüthrich war, dass er hoch engagiert war. Er hat sehr viel für den Kanton gearbeitet. Sein Arbeitstag begann morgens früh und dauerte bis spät am Abend. Er arbeitete oft auch an den Wochenenden.»

Die Redaktion des Condorcet-Blogs bedauert den Hinschied dieses Mannes zutiefst und drückt seinen Angehörigen ihr tiefes Mitgefühl aus.

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Ein Artikel aus dem Jahre 2006 machte den Condorcet-Autor Alain Pichard schweizweit bekannt. In der Weltwoche schrieben drei linke Lehrkräfte und er über die realen Probleme, welche die Schule mit der Integration fremdsprachiger Kinder bekundete. Er wurde zeitweise zum Buhmann der Linken. Der in einer Brennpunktschule in Biel tätige Lehrer bezeichnetete sich aber stets als “Anwalt der Migrantenkinder”. Er wolle, dass sie etwas lernen. Und das heisst “Fördern und Fordern”. 14 Jahre später scheint sich seine Überzeugung durchgesetzt zu haben. Zum Vorteil aller!

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