8. Dezember 2025
Der letzte Schrei

AI Free Survival

Werden jüngere und künftige Generationen ohne KI noch überlebensfähig sein? LVB-Chefsatiriker Roger von Wartburg prophezeit ein neues TV-Format.

Seit 2013 produziert der Discovery Channel die Reality-Show «Naked Survival», bei der ein aus einer Frau und einem Mann bestehendes Team danach trachtet, 21 Tage lang nackt in der Wildnis zu überleben. Die Teilnehmenden, die sich nie zuvor gesehen haben, werden irgendwo auf der Welt an einem verlassenen Ort ausgesetzt – etwa im Dschungel Costa Ricas, auf Borneo oder in der Serengeti. Sie müssen Trinkwasser und Nahrung besorgen, einen Unterschlupf für sich bauen und Feuer machen. Am letzten Tag gilt es, von den Strapazen entkräftet mehrere Kilometer bis zu einem Abholpunkt zu marschieren.

Roger von Wartburg, Sekundarlehrer, Mitglied der Geschäftsleitung des lvb:Noch mehr Dramatik.

Die beiden Kompetitoren bekommen eine Umhängetasche mit einer groben Karte und einem persönlichen hilfreichen Gegenstand, beispielweise einem Feuerstarter, einem Pfeilbogen oder einer Machete. Ausserdem haben sie ein drahtloses Mikrofon als Halskette und eigene Kameras; dadurch können sie vom Produktionsteam und den Sanitätern beobachtet werden oder von sich aus bei Bedarf um Hilfe rufen. Muss Hilfe in Anspruch genommen werden, ist für die Person das Abenteuer jedoch zu Ende.

Manchmal brechen die Überlebenskünstler/-innen oder die Produzenten das Experiment vorzeitig ab. Dies geschieht vor allem aus medizinischen Gründen wie Erschöpfung oder akuten Erkrankungen, seltener aus persönlichen Gründen. Vereinzelt zwingt auch das Wetter zum Abbruch.

Seit 2015 gibt es den Ableger «Naked Survival XL» mit sechs Männern, sechs Frauen und einer Dauer von 40 Tagen. Später ergänzte das 60 Tage dauernde Format «Naked Survival XXL» das Angebot. Mit «Naked Survival – Last One Standing» kam 2023 eine weitere Variante dazu. Dabei treten zwölf der besten Teilnehmenden der vergangenen Jahre nochmals an, schlagen sich 45 Tage lang durch die Wildnis – teilweise zu zweit, teilweise in grösseren Gruppen und zum Abschluss auf sich alleine gestellt – und kämpfen um ein Preisgeld von 100’000 Dollar.

Gerüchten zufolge laufen derzeit Planungen für ein neues Format namens «AI Free Survival». Teilnehmen dürfen nur Personen der Generationen Z (geboren zwischen 1996 und 2010) und Alpha (geboren 2011 oder später). Discovery Channel rechne mit einem weit geringeren Produktionsbudget, da die Kandidatinnen und Kandidaten nicht mehr in die Wildnis gebracht werden müssen, sondern in ihrem natürlichen Habitat – ob dörflich oder urban – bleiben können. Auch das Nacktsein – ohnehin ein kontrovers diskutierter Aspekt des Originals – erübrige sich, sodass der Begriff «Naked» aus dem Namen der Sendung gestrichen werde. Die Herausforderung bestehe darin, dass die Teilnehmenden ihren Alltag für 21 Tage ohne Hilfe durch Künstliche Intelligenz bewältigen müssen.

Zu den zu meisternden Challenges sollen gehören:

  • Eine E-Mail ohne KI-Assistenten zu schreiben.
  • Die nächstgelegene Ortschaft ohne Navigationssystem zu finden.
  • Auf Netflix einen Film oder eine Serie ohne KI-getriebene Vorschläge auszuwählen.
  • Eine Joggingrunde ohne persönlichen Fitness-Tracker zu absolvieren.
  • Die gewünschte Musik im Haus ohne Sprachassistenten abzuspielen.
  • Den Thermostat der Heizung ohne Heimautomatisierungssystem einzustellen.

Erste Testläufe sollen darauf schliessen lassen, dass das neue Format dem Publikum sogar noch mehr Dramatik liefern wird als das bestehende. So habe eine Probandin beim Versuch, ohne KI-Empfehlungen einen Film auszusuchen, einen Nervenzusammenbruch erlitten. «Ich kann das doch nicht entscheiden!», habe sie verzweifelt in die Kamera geschluchzt, bevor sie zu Boden stürzte. Ein Proband habe als Folge eines viel zu heiss eingestellten Thermostats völlig dehydriert und halluzinierend aus seiner Wohnung gerettet werden müssen. Eine weitere Probandin habe den Versuch aufgrund massiver Schlafstörungen abbrechen müssen, da sie nächtelang erfolglos versucht hatte, zu rekonstruieren, wie viele Schritte sie pro Tag zurückgelegt hatte.

Als Pädagoginnen und Pädagogen können Sie übrigens ohne grossen Aufwand eine Vorauswahl treffen, welche Ihrer Schülerinnen und Schüler sich als Kandidatinnen und Kandidaten für «AI Free Survival» eignen könnten: Wer anlässlich der Schulreise auf der analogen Bahnhofsuhr die Uhrzeit nicht zu entschlüsseln vermag, dürfte gute Chancen haben.

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