29. März 2025
Baselland fehlen Lehrer

Schulen wissen nicht, wie lange sie Französisch noch anbieten können

Die Lage ist alarmierend: Gemäss dem obersten Lehrer im Baselbiet wird es immer schwieriger, geeignete Lehrpersonen für Primar- und Sekundar­schulen zu finden. Wie konnte es so weit kommen? Ein Beitrag von Benjamin Wirth, der zuerst in der Basler Zeitung (BaZ) erschienen ist.

Alle wissen, dass etwas falsch läuft. Dass es so nicht weitergehen kann. Doch niemand weiss so recht, was genau zu tun ist. Der Lehrermangel ist seit längerem eines der drängenden Probleme im Bildungswesen. Auch im Kanton Baselland sind die Schulen beinahe das ganze Jahr über damit beschäftigt, vakante Stellen zu besetzen.

Benjamin Wirth, Journalist und Autor bei der BaZ

Besonders mühsam gestaltet sich die Suche nach Französischlehrern. Denn in der Region werden offenbar zu wenige entsprechende Fachkräfte ausgebildet. Das zeigt sich beispielsweise an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Muttenz. Hier können sich angehende Primar- und Sekundarlehrer, die die Pädagogische Hochschule besuchen, zwischen Englisch und Französisch entscheiden.

Auf Ebene Primarschule legt mittlerweile nur noch rund ein Viertel den Fokus auf Französisch, immerhin eine der vier Schweizer Landessprachen – auf Sekundarstufe entscheidet sich ein Drittel dafür.

Mit Personal aus dem Elsass gegen den Lehrermangel

Das erstaunt und stellt perspektivisch ein Problem dar, das die Schulen unter Druck setzt, wie Philipp Loretz ausführt. Als Präsident des Lehrervereins Baselland (LVB) und Fremdsprachenlehrer an der Sek in Aesch ist er direkt damit konfrontiert. Er sagt: “Ich höre von verschiedenen Seiten, dass es einen Mangel an Französischlehrern gibt, auf Primar- und Sekundarstufe.”

Loretz weiss von FMS-Lehrern, die ihre Schüler mit Nachdruck bitten, explizit der Ausbildung als Französischlehrer nachzugehen. Die Situation ist alarmierend. Viele Primar- und Sekundarschulen würden sich in Baselland sogar Sorgen machen, ob das Fach langfristig noch angeboten werden könne, meint er.

«Für die Schulen wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden»: Philipp Loretz, Präsident des Baselbieter Lehrervereins. (Bild: Kostas Maros)

Offizielle Zahlen kann zwar niemand herausrücken. Doch auf Jobportalen sind aktuell mehrere Stellen für Französischlehrer im Baselbiet ausgeschrieben. Einige Schulleitungen würden zudem Personal aus dem Elsass rekrutieren, um den qualitativen Anforderungen zu genügen, sagt Loretz. Wenn sich jedoch gar niemand finden lässt, sollen es jene ohne angemessenes Diplom richten.

Allerdings wolle ja niemand, dass fachfremd unterrichtet werde, so der Experte. “Das hat oberste Priorität. Aber für die Schulen wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden.”

Wie konnte es so weit kommen? Das ist eine Frage, die sich unweigerlich stellt. Loretz meint, dass der Mangel an Französischlehrern viele Gründe habe, über die teils auch nur spekuliert werden könne. Einige Punkte dürften wiederum klar sein. Für ihn unbestritten: Angehende Lehrer würden von sich aus immer weniger Expertise in der Fremdsprache mitbringen.

Tatsächlich ist er nicht der Einzige, der das so sieht. Bereits 2019 äusserten sich mehrere Uniprofessoren und Sprachwissenschaftler in der BaZ und machten auf die mangelnden Französischkenntnisse ihrer Studenten aufmerksam.

Die betroffenen Schüler würden mit diesem schlechten Wissensstand kaum mehr die Möglichkeit haben, an frankofonen Unis zu studieren oder ein Französisch-Studium an der Uni Basel zu beginnen, hiess es. Von nicht studierfähigen Studenten war die Rede, denen trotz eines jahrelangen und gezielten Unterrichts elementare Basics beigebracht werden müssten.

Frühfranzösisch gescheitert

Loretz stellt das auch fest. Ganz generell spricht er von einem verfehlten Fremdsprachenkonzept. Was er damit meint: Eingeführte Reformen wie das Frühfranzösisch hätten die gewünschte Wirkung nicht erzielt, im Gegenteil. Der Mehrwert dieses Konzepts – von “Mille feuilles” zu “Clin d’œil” – sei in keiner Weise nachgewiesen.

Vor wenigen Wochen betonte er in einem Interview mit der BaZ, dass es vielleicht eher Sinn machen würde, mit der ersten Fremdsprache zuzuwarten und das Gewicht zunächst auf sattelfestes Erlernen der deutschen Sprache zu legen.

Er sagte: “Viele Dozenten der Pädagogischen Hochschule glaubten, dass den Kindern das Sprachenlernen je früher, desto leichter falle und vor allem über Hören und Sprechen erfolgen sollte. Man hat vergessen, dass ein Sprachbad nicht innerhalb weniger Schulstunden generiert werden kann.”

Neu will der Kanton etwa Zivildienstleistende überzeugen, die Lehrer an den Sekundarschulen bei anspruchsvollen Aufgaben zu unterstützen.

 

Die Gegner der Abschaffung des Frühfranzösisch widersprechen. Sie fürchten um den nationalen Zusammenhalt in der Schweiz. Loretz ist hingegen überzeugt, dass die mangelnden Französischkenntnisse der angehenden Lehrer in Baselland vor allem auf das Fremdsprachenkonzept zurückzuführen sind.

Zugleich habe sich auch die Ausbildung verändert, was ebenfalls zur gegenwärtigen Mangellage beitrage. Seklehrer zum Beispiel, die vor 40 Jahren hätten Französischlehrer werden wollen, hätten noch einen mehrmonatigen Sprachaufenthalt absolvieren müssen.

Kein Praxisbezug? Fachhochschule Nordwestschweiz wehrt sich

Um gegen den Lehrermangel vorzugehen, sind in Baselland in den letzten Jahren bereits diverse Massnahmen lanciert worden, auch wenn bislang kaum langfristige Verbesserungen erzielt wurden. Neu will der Kanton etwa Zivildienstleistende überzeugen, die Lehrer an den Sekundarschulen bei anspruchsvollen Aufgaben zu unterstützen.

Zudem prüft Bildungsdirektorin Monica Gschwind, ob Berufsmaturanden im Baselbiet für die Primar- und Kindergärtnerausbildung zugelassen werden könnten. Damit möchte sie der anhaltenden Kritik entgegenwirken, dass die Pädagogische Hochschule zu wenig praxisbezogen arbeite. Erst kürzlich diskutierte auch der Landrat wieder einmal darüber und wünschte sich eine Ausbildung, die weniger theoriegetrieben ist.

“Es ist ein Vorurteil, dass die Lehrenden nicht auch praktische Erfahrung aufweisen.”

Christian Irgl, Sprecher der FHNW

 

Für die FHNW: ein leidiges Thema. Sprecher Christian Irgl sagt, dass die Pädagogische Hochschule sehr viele Leute mit Berufserfahrung habe. “Es ist ein Vorurteil, dass die Lehrenden nicht auch praktische Erfahrung aufweisen.”

Nun ja, die Frage bleibt, was genau zu tun ist, um der Französischmisere beizukommen. Auch der FHNW ist der Mangel natürlich bekannt.

Irgl betont, dass die Pädagogische Hochschule bereits «zahlreiche Massnahmen» ergriffen habe, um Studenten für das Fach zu gewinnen. Beispielsweise biete man Hospitationen in der Romandie und im Dreiland an, um einen Einblick in den Lehrberuf zu ermöglichen und die Leute für Französisch «zu begeistern».

Fehlende Französischlehrer bleiben Stressthema

Für Loretz und viele andere Bildungsexperten geht es derweil darum, sich wieder darauf zu besinnen, was für die Schüler und Lehrer in der Volksschule tatsächlich leistbar ist. So habe es in den letzten 20 Jahren eine enorm hohe Reformkadenz gegeben, die gegenwärtig analysiert werden müsse.

Was hat funktioniert? Und vor allem: was nicht? Der Mangel an Französischlehrern zeige ziemlich gut, dass es im heutigen Bildungssektor durchaus Verbesserungspotenzial gebe, heisst es bei Fachleuten. Der Landrat hat indes schon vor ein paar Monaten beschlossen, das Fremdsprachenkonzept im Baselbiet zu überprüfen.

Klar ist: Der Lehrermangel bleibt ein Stressthema. Immerhin werden in den kommenden zehn Jahren in Baselland rund 1000 Lehrer pensioniert.

 

Quelle Beitragsbild: Tamedia

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Ein Kommentar

  1. Wer will denn heute noch Lehrerin oder Lehrer sein an Schulen in diesem Kanton, der Schulleitungen zu Alleinherrschenden erhoben hat, die mit ihrem Personal nach eigenem Gutdünken umspringen können, ohne dass entsprechende Rechtsmittel für eben dieses Personal bereitstehen?

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