Condorcet: Lieber Reto, wie fandest du die heutige Sitzung?
Reto Zbinden: Ich nehme an, so wie du.
Und wie fand ich sie?
Nett, informativ, die heissen Eisen vermeidend und…
Stark von den parlamentarischen Gepflogenheiten geprägt…
So ist es.

Bevor wir hier Kommissionsgeheimnisse unbedarft ausplappern, kommen wir zu dir. Die Bildungspolitik gehört nicht zu den Kernthemen der SVP. Du bist Mitglied der Bildungskommission. Was bewog dich, in dieser Kommission mitzuwirken?
Vorerst einmal: Diese Aussage kann ich nicht unterstützen. Bildung ist für jede Partei, auch für die SVP ein Kernthema. Bildung ist der wichtigste “Rohstoff” der Schweiz. Das duale Bildungssystem der Schweiz, durch welches Menschen auf unterschiedlichsten Wegen erfolgreich sein können, ist ein Erfolgsmodell und soll unbedingt beibehalten werden. Das ist der Grund, weshalb ich Mitglied der Bildungskommission bin. Im Übrigen warst du seinerzeit auch froh, dass dich die SVP in deinem Kampf gegen Frühfranzösisch und Lehrplan 21 unterstützt hat.
Mea culpa, das stimmt und hat mir auch gehörig Kritik eingebracht (lacht). Aber zurück zur Bildungskommission. Die wichtigen Fragen müssen im Parlament entschieden werden.
Aber in der Bildungskommission erhalten wir wichtige Informationen ….
… und können auch Informationen verlangen.
Genau, und da sind wir auch gefordert dies zu machen und den Bildungsthemen im Parlament das nötige Gewicht zu geben.
Du bist mir als Querdenker in deiner Fraktion aufgefallen, erlaubst dir sogar manchmal gegen die Fraktionsmehrheit zu stimmen. Wie schwierig ist das bei euch?
Nicht schwierig, Wir sind eine sehr breit aufgestellte Fraktion in den Fraktionssitzungen wird oft kontrovers diskutiert. Wenn man bereits in der Fraktion seine Haltung klarstellt und dazu steht, ist dies überhaupt kein Problem. Und du bist ja auch nicht der linientreueste…
Aber in meiner Partei ist dies durchaus akzeptiert.
In meiner ist dies auch akzeptiert. Ich mache dir ein Beispiel: In meinem ersten Jahr im Grossrat diskutierten wir einen Vorstoss gegen die kontrollierte Abgabe von Cannabis, aus den Reihen der SVP. Ich war damals gegen den Vorstoss und habe mich auch in der Fraktion so geäussert. Nach der Sitzung kamen langjährige Grossräte auf mich zu. Aber nicht um mich umzustimmen, sondern um mir zu gratulieren, dass ich als Neuling sofort offen meine Haltung kommuniziert und durchgezogen habe.
Für mich ist zentral das ich die Werte der SVP wie Freiheit und Eigenverantwortung vertrete und das man in Kernthemen der Partei die Parteilinie vertritt. Schliesslich sind alle bei uns im Grossrat in erster Linie dank den Parteistimmen gewählt worden. Wir sollten uns also nicht zu wichtig nehmen.
Du bist Leiter der Landi Schwarzwasser. Erkläre deinen Leuten kurz deinen Bildungsweg.
Nun ich absolvierte eine ziemlich normale Schulkarriere: 1 Jahr Kindergarten, 6 Jahre Primarschule in Mittelhäusern und drei Jahre OSZ in Niederscherli (Modell 3b)… übrigens mit folgender Einteilung: Deutsch und Mathematik Spez-Sek, Französisch Sek!
Wie kommt es, dass du dann nicht in den Gymer eingetreten bist?
Weil ich lieber eine Berufslehre absolvieren wollte. Ich machte eine Lehre im KV und wurde eidg. Diplomierter Kaufmann bei der Login (Ausbildungsverbund verschiedener Unternehmen im öffentlichen Verkehr, Anm. der Redaktion).
Ein Erlebnis, welches mich geprägt hat, war die Aussage einer Lehrerin in der Oberstufe, welche uns explizit abgeraten hat, die SVP zu wählen.
Wie hast du die Schulzeit erlebt?
Mehrheitlich positiv und erfüllend, ich bin ein neugieriger Mensch und da bietet einem die Schule viel. Ich habe eine vielfältige Lehrerschaft erlebt, alle haben mich auf meinem Weg weitergebracht. Ein Erlebnis, welches mich geprägt hat, war die Aussage einer Lehrerin in der Oberstufe, welche uns explizit abgeraten hat, die SVP zu wählen (lacht).
Wir haben in den letzten Jahren einen regelrechten Reformtsunami in der Bildung erlebt. Wie beurteilst du deren Resultate?
Die Reformen hatten unterschiedliche Auswirkungen. Positiv ist, dass die Schülerinnen und Schüler selbständiger geworden sind. Auch das projektorientierte Lernen unterstütze ich. Das gab es aber auch schon bei uns. Demgegenüber führt die häufig ideologisch geprägte, ausufernde Integration, insbesondere auf Volksschulstufe, zu Problemen. Nicht nur die PISA-Resultate zeigen, dass das Bildungsniveau sinkt. Ich sehe das auch im Berufsleben mit den Lehrlingen. Und ich sage klar. Es ist gut, dass wir die schwächeren Schüler fördern, aber wir dürfen nicht die stärkeren vergessen.
Man sagt ja, dass diese sich ja ohnehin durchsetzen würden.
Ich halte das für komplett falsch. Starke Schüler müssen gefordert werden, sonst verleidet ihnen der Unterricht. Dies bestätigen mir viele Gespräche mit Lehrern und Lehrerinnen aus allen Schulstufen.
Es ist gut, dass wir die schwächeren Schüler fördern, aber wir dürfen nicht die stärkeren vergessen.
Wie sieht deine persönliche Agenda im Grossen Rat aus, oder anders gefragt, was wäre dir sehr wichtig?
Die politische Neutralität der Schulen und gute Kenntnisse über Demokratie und Miliz auf allen Stufen ist mir besonders wichtig. Ich wünsche mir eine Stärkung des Staatskundeunterrichts, insbesondere in der Volksschule.
Politisch neutrale Lehrer? In welcher Welt lebst du?
Träumen ist doch erlaubt. 😊 Mir ist bewusst, dass die Mehrheit der Lehrer eher links-grün tickt, dass sehen wir ja auch im Grossrat. Aber eine persönliche Beeinflussung, wie ich sie damals erlebt habe, ist inakzeptabel.
Und auch kontraproduktiv, linke Lehrer produzieren rechte Schüler und rechte Lehrer haben uns seinerzeit zu den Linken getrieben.
Vielleicht, ist ja auch bei mir passiert, wie du siehst (lacht). Sprechen wir einfach von Professionalität. Lehrkräfte sind verpflichtet, einen Stoff objektiv zu vermitteln. Die Schüler sollen sich selber eine Meinung bilden können.
Ich erlebe immer noch Menschen, für welche nur ein Universitätsabschluss erstrebenswert ist. Dabei sind Lehren durchaus karrierefördernd.

Die Erziehung zum mündigen Bürger! Ist ja auch ein Lehrplanziel! Als ehemaliger Lehrling muss dich die heutige Akademisierung beunruhigen!
Das ist so. Das Ansehen der vielfältigen und anspruchsvollen Berufslehren muss gestärkt werden. Anlässe wie Swiss- und WorldSkills helfen hier, reichen aber nicht aus. Ich erlebe immer noch Menschen, für welche nur ein Universitätsabschluss erstrebenswert ist. Dabei sind Lehren durchaus karrierefördernd. Aktuell sind Menschen mit Berufslehrabschluss sehr gesucht auf dem Arbeitsmarkt. Seien es Pflegende, Handwerker und viele weitere. Demgegenüber gibt es Studienabschlüsse für welche die Wirtschaft keine Verwendung hat. Übrigens wird auch die Energiewende verzögert, wenn die Handwerker für die Montage von PV-Anlagen fehlen.
Was hältst du für das derzeit grösste Problem der Schule?
Eindeutig der Lehrkräftemangel! Der geht an die Substanz und wird wohl noch einige Jahre dauern. Lehrkräfte sind übrigens die einzige akademische Berufsgruppe mit Personalmangel.
Und was sollte man deiner Meinung nach tun?
Entbürokratisieren, die Schule wieder auf das Wesentliche beschränken, den Lehrkräften gegenüber den Eltern den Rücken stärken, mit den vielen Reformen zurückfahren, den integrativen Unterricht überdenken….
Lektionen reduzieren?
Bin ich skeptisch, die Kinder müssen ja auch betreut werden.
Frühfranzösisch?
Überprüfen, brachte nicht den gewünschten Effekt
Noten abschaffen?
Du meinst Chäferli, anstatt Zahlen?
Oder Wortberichte.
Ich dachte, ihr hättet genug zu tun.
Hausaufgaben abschaffen?
Nein, eher in die Schulzeit integrieren mit Hausaufgabenlektionen.
Selektion abschaffen?
Gehört zum Leben.
Abschlussprüfungen abschaffen?
Was willst du eigentlich noch alles abschaffen, nein!
Handyverbot?
Haben wir in Köniz eingeführt, Details sollten aber den Schulen überlassen werden.
Bildungspolitisch könntest du eigentlich bei uns sein.
Oder du bei uns!
Reto, ich danke dir für das Gespräch.