Die Fakten: Wenn es um ein Date geht, bevorzugen Frauen Ingenieure statt Primarlehrer. Und Männer ziehen Primarlehrerinnen den Ingenieurinnen vor.
Warum stehen Frauen mehr auf Ingenieure als auf Primarlehrer?
Warum bevorzugen sie anscheinend einen «männlichen» Mann, weil er in einem Männerberuf tätig ist, einem anderen Mann, der unter dem Verdacht steht, androgyn zu sein, weil er sich in einem typischen Frauenberuf bewegt?
Tatsächlich handelt es sich um eine aufschlussreiche, weil überraschende Studie, die Hipp, eine Professorin für «Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik» an der Universität Potsdam, unlängst vorgelegt hat. Dabei ist schon der methodische Ansatz originell:
Hipp und ihre Forscher nutzten eine Dating-App, um herauszufinden, ob der Beruf eines möglichen Partners beim Dating eine Rolle spielt.
Zu diesem Zweck erstellten sie acht künstliche Profile von Menschen, die es nicht gibt:
- Eine Anna und ein Christian, die rein körperlich betrachtet als sehr attraktiv gelten müssen
- Dann eine Anna und ein Christian, die weniger gesegnet sind, was ihr Aussehen anbelangt. Sie werden als «durchschnittlich» attraktiv eingeschätzt
- Anna soll 28 Jahre alt sein, Christian 31
Diesen vier Profilen wurden in einem zweiten Schritt zwei unterschiedliche Berufe zugeordnet:
- Eine Anna gibt es, die ist Ingenieurin, und die andere Anna arbeitet als «Grundschullehrerin» – wie in Deutschland eine Primarlehrerin genannt wird
- Genauso ist ein Christian als Ingenieur tätig, während der andere als Primarlehrer sein Auskommen findet.
Welcher Anna wurden nun Avancen gemacht, welcher Christian ist sexy?
Das Resulat: Männer zogen eindeutig eine Primarlehrerin vor
Anna, die Ingenieurin, erhielt 23 Prozent weniger Anfragen
Allerdings ergab sich bei den Frauen, die auf die simulierten Dating-Anfragen reagierten, ein Befund, der noch weniger sexy war:
- Die meisten Frauen meldeten sich bei Christian, dem Ingenieur, in der Hoffnung, ihn daten zu dürfen
- Wogegen, Christian, der Primarlehrer, 40 Prozent weniger Anfragen erhielt.
Hand aufs Herz: Wenn sich herumspricht, dass etwa ein männlicher Primarlehrer nicht nur in der Bürokratie ertrinkt, sondern auch auf dem Heiratsmarkt untergeht wie ein nasser Sack, dann dürften alle staatlichen Präventionskampagnen nichts helfen.
- Männer werden nie mehr Primarlehrer als Beruf wählen wollen
- Und Frauen überlegen sich zweimal, ob sie Ingenieur studieren. Wenn sie etwas davon abhält, dann nicht nur die von schweigsamen Männern besiedelte Mensa.
Dieser Artikel ist (leicht gekürzt) zuerst im Nebelspalter erschienen.
Was Markus Somm augenzwinkernd und gleichzeitig pointiert anspricht, ist eigentlich eine Herausforderung für die Bildungspolitik: Es fehlt fast eine ganze Generation von Lehrern an der Primarschule. Überall ertönt der Ruf nach einer stärkeren Beteiligung der Männer in der Erziehung. Doch wenn es um den Primarlehrerberuf geht, scheint diese Forderung ins Leere zu laufen. Man hört nirgends auch nur den leisesten Protest.
Die Gründe für dieses Fernbleiben sind sicher vielfältig. Viele Männer wollen nichts von einem Engagement in der Primarschule wissen, solange das aktuelle Lehrerbild die Führungsfunktion und die Verantwortung für eine Klasse nicht stärker hervorhebt. Die propagierte Vorstellung vom Lehrer als organisierendem Begleiter und Betreuer in vorgegebenen Lernprozessen ist den meisten zu weit weg von der gewünschten Gestaltungsfreiheit. Sie wären lieber umsichtige Dirigenten oder verantwortungsbewusste Kapitäne mit einem weit gefassten Auftrag als brav Ausführende von überladenen Bildungsprogrammen.
Wenig anziehend für viele Männer dürfte auch die Feststellung sein, dass der Primarlehrerberuf an vielen Schulen vorwiegend in Teilzeitpensen ausgeübt wird. Hier könnte mit einer umfassenden Aufwertung der Klassenlehrerfunktion Gegensteuer gegeben werden. Breit ausgebildete Klassenlehrkräfte sollten imstande sein, den Unterricht in den meisten Fächern selber zu erteilen. Das schliesst eine gute Zusammenarbeit mit schulischen Fachkräften keinesfalls aus, aber die Führungsverantwortung für eine Klasse sollte bei einer oder höchstens zwei (gut harmonierenden) Lehrpersonen liegen.
Die ausgewählten zwei Gründe zeigen ungefähr an, in welche Richtung eine vertiefte Analyse des Lehrermangels in der Primarschule gehen müsste. Solange die Bildungspolitik aber beim Fernbleiben der Männer Augen und Ohren verschliesst, geht Jahr für Jahr ein grosses Potenzial an fähigen Lehrpersonen verloren. Um weiteren Schaden durch einen steigenden Lehrermangel von der Schule abzuwenden, muss das mutlose Wegschauen ein Ende haben und die nötige Kurskorrektur vorgenommen werden.