9. Dezember 2024
"Nachhaltige Entwicklung" – neues gymnasiales Fach

Anfällig für ideologisch gefärbten Unterricht

Der Bildungsjournalist Daniel Wahl führte ein Gespräch mit Professor Mario Andreotti über den Rahmenlehrplan der Gymnasien, der das neue Fach “Bildung für Nachhaltige Entwicklung” einführen will. Der Artikel ist am 16.1.24 im Nebelspalter erschienen.

Die Fakten: Im Entwurf des Rahmenlehrplans der Gymnasien wird neu das Fach “Bildung für Nachhaltige Entwicklung” (BNE) verankert. Dieses neue Fach macht die Schule anfällig für ideologisch gefärbten Unterricht, wie der Germanist und Historiker, Professor Mario Andreotti, kritisiert.

“Die Tendenz zur Indoktrination ist sichtbar. Die Gymnasien sollen ein bestimmtes Verhaltensmuster, eine bestimmte Verhaltensveränderung in Richtung Gutmenschen erwirken.”

 

Daniel Wahl, Journalist des Nebelspalters

Warum das wichtig ist: Lehrkräfte dürfen gemäss Beutelsbacher Konsens (siehe unten) den Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern sollen Schüler in die Lage versetzen, sich mithilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden zu können. Dies ist der Zielsetzung der politischen Bildung geschuldet, die Schüler zu mündigen Bürgern heranzubilden.

Doch die Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein weltweites Programm mit einer politischen Agenda (sustainable Development). Sie ist in der Bildungs-Agenda der UNESCO (Education) verankert, mit verschiedensten Zielen, wie Geschlechtergleichheit, Armut- und Hungerbekämpfung, Klimamassnahmen, verantwortungsvoller Konsum.

  • Dabei handelt es sich um einen Unterricht, der von rechter Seite als Linksdrall an den Schulen bezeichnet wird (Link)
  • Nachhaltige Entwicklung ist Staatsziel der Schweiz und in der Bundesverfassung (Art. 2 und 73) verankert.
  • Als oberstes und wichtigstes Ziel des neuen Fachs BNE steht die «Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft», die nicht nur das Klima und die Biodiversität schützt, sondern auch Rassismus, soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten bekämpft.

Gemäss Andreotti beginnt mit dem Begriff “Transformation” bereits das Problem.

“BNE beinhaltet einen gesteuerten Wandlungsprozess, was mit der Steuerung von Schülern zu tun hat. Es ist eine Absicht dahinter, eine politische Agenda.”

 

The Big Picture: Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat zusammen mit dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Reform “Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität” angestossen. Im Kern geht es darum, den Maturitätsabschluss schweizweit vergleichbar zu machen und das Niveau und die Qualität der gymnasialen Ausbildung in Bezug zum Hochschulzugang zu sichern. Letztlich will man verhindern, dass die Universitäten und Hochschulen nicht auf die Idee kommen, eigene Eintrittsbarrieren zu errichten und Aufnahmeprüfungen zu machen.

Darauf ist zu achten: Die BNE ist ein Teil des neuen Rahmenlehrplans und als transversales Fach definiert. Das heisst:

  • Die Grundlagen für die BNE sollen im Fachbereich Geographie vermittelt werden.
  • Zudem soll die BNE in jedes Fach einfliessen, teilweise “en passant”.
  • Auch weitere Unterrichtsgefässe, wie zum Beispiel Studienwochen, sollen die Gymnasiasten für das Themensammelsurium “Nachhaltige Entwicklung” sensibilisieren.
Mario Andreotti, Geschichtsprofessor: Eine gefährliche Entwicklung.

Andreotti hält dies für “eine ganz gefährliche Entwicklung”, die an zwei von drei Prinzipien für den politischen Unterricht rüttelt, welche an einer Bildungstagung 1976 in Deutschland verabschiedet wurden. Die Prinzipien unter dem Namen “Beutelsbacher Konsens 1976” gelten als Standard für den Unterricht an Schulen.

  1. Indoktrinationsverbot: Der Lehrer soll den Schülern nicht seine Meinung aufzwingen.
  2. Gebot der Kontroversität: Der Lehrer soll das Thema aus gegensätzlichen Perspektiven beleuchten.
  3. Gebot der Schülerorientierung: Der Schüler soll im Unterricht in die Lage versetzt werden, seine eigene Position zu reflektieren und sich am politischen Prozess zu beteiligen.

Doch im Entwurf zum Rahmenlehrplan der Entwicklung der gymnasialen Maturität schimmern die Werte und Haltungen durch, welche die Gymnasiasten übernehmen müssen.

  • Es beginnt damit, dass Geographie unter Geistes- und Sozialwissenschaften subsumiert – im Vordergrund steht die soziale, nicht die naturwissenschaftliche Komponente.
  • Beispielsweise müssen Schüler Probleme und Anwendungen der Gegenwart unter dem Aspekt der Energie recherchieren, beschreiben und beurteilen. Als Beispiel werden Treibhauseffekt, Sonnenenergie, Graue Energie, genannt, nicht aber Atomenergie.
  • Die Beschreibung der BNE ist mit Worthülsen durchsetzt wie “gerechte Gesellschaft”, “gesteuerte Wandlungsprozesse”, “Menschen aller Geschlechteridentitäten”, “ganzheitlich”, “transformativ” usw.

Auch Honecker sprach von einer “gerechten Gesellschaft”

Es komme zwar immer auf den einzelnen Lehrer an, wie er solche Worthülsen mit konkreten Inhalten fülle, sagt Andreotti und erinnert daran, dass der Erste Sekretär der sozialistischen DDR, Erich Honecker, auch von einer “gerechten Gesellschaft” gesprochen habe. Im Rahmenlehrplan erkennt Andreotti aber bereits, welche Haltungen und Prämissen gesetzt sind, und wie die Gymnasiasten zu denken haben:

  • Der Mensch macht die Natur kaputt.
  • Rauchen und Autofahren sind schlecht.
  • Chancengerechtigkeit gilt als absolutes Ziel.
  • Der moderne Mensch muss globale Perspektiven einnehmen.

“Es sind zum Teil Werte, die der Französischen Revolution – konkret der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte – entliehen sind. Wenn ich das politisch übersetzen darf: Das ist Linksdrall am Gymnasium.”

Wie es weitergeht: Vorgaben über die Dauer des Unterrichts in BNE werden auf der gesamtschweizerischen Ebene keine gemacht. Der Kanton St. Gallen plant beispielsweise die BNE als eigenes Fach im Maturitätsjahr zu behandeln und setzt dafür eine Stunde ein.

  • Die konkrete Umsetzung liegt in der Zuständigkeit der Kantone.
  • Die revidierten Texte – Verordnung und Reglement, Vereinbarung und neuer Rahmenlehrplan – sollen am 1. August 2024 in Kraft treten.

Wer mehr dazu wissen will:

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Ein Kommentar

  1. Man müsste mal nachforschen, wer mit was für einer ideologischen Ausstattung in diesen Gremien den Ton angibt, angefangen bei den Schöpfern der UNO-Nachhaltigkeitsziele, des weiteren in den Werkstätten des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) sowie in den Kantonalen Bildungsdirektionen etc. Man darf ohne Risiko vermuten, dass eine überwiegende Mehrheit aus Angehörigen der links-progressiven akademisch gebildeten Elite besteht. In dieser Umgebung dürfte es einigen Mut brauchen, um Einwände wie diejenigen von Mario Andreotti vorzubringen. (zum Glück hat er noch ein “o” im Namen, sonst würde man ihn mit einem US-amerikanischen Autorennfahrer verwechseln).

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