Die Fakten: Der Lehrplan 21 wurde inzwischen in allen Deutschschweizer Kantonen eingeführt. Er umfasst 470 Seiten, 363 Kompetenzen und 2304 Kompetenzstufen.
Warum das wichtig ist: Selten haben Bürokraten und Theoretiker einen grösseren Unsinn hervorgebracht. Eine Leseprobe des Schreckens.
Wenn ich Ihnen jetzt unterstelle, dass Sie den Lehrplan 21 nie gelesen haben, dann tue ich das aus zwei Gründen:
Weil ich nicht besser bin: Ich habe fünf Kinder, die in den letzten Jahren alle die öffentliche Schule besucht haben, trotzdem habe ich mich nie darum gekümmert, welchem Lehrplan sie dabei unterworfen waren
Und weil ich zweitens sicher bin: Hätten Sie diesen Lehrplan je gelesen, Sie hätten entweder Ihren Bildungsdirektor abgewählt oder Sie wären an irgendeine Universität gefahren und hätten dort das Institut für Erziehungswissenschaft in die Luft gesprengt.
Warum?
Lesen Sie selbst!
Unter dem Stichwort «Personale Kompetenzen» zum Beispiel (Lehrplan 21, Fassung des Kantons Zug) wird aufgeführt, was die Schüler alles so lernen müssen – wir reden hier von Primarschülern, Alter 6 bis 12. Um den wunderbaren O-Ton nicht zu beschädigen, zitiere ich vollständig:
«Schülerinnen und Schüler
- können eigene Gefühle wahrnehmen und situationsangemessen ausdrücken.
- können ihre Interessen und Bedürfnisse wahrnehmen und formulieren.
- können Stärken und Schwächen ihres Lern- und Sozialverhaltens einschätzen.
- können auf ihre Stärken zurückgreifen und diese gezielt einsetzen.
- können Fehler analysieren und über alternative Lösungen nachdenken.
- können auf Lernwege zurückschauen, diese beschreiben und beurteilen.
- können eigene Einschätzungen und Beurteilungen mit solchen von aussen vergleichen und Schlüsse ziehen (Selbst- und Fremdeinschätzung).
- können aus Selbst- und Fremdeinschätzungen gewonnene Schlüsse umsetzen»
Warum auch nicht? Sie sind mit 10 Jahren ja praktisch erwachsen. Wann dürfen Sie einen Grosskonzern gründen?
Selbst die Pädagogen, die diesen monströsen Katalog entworfen haben, dürften ihren eigenen Anforderungen in den seltensten Fällen gerecht werden.
Am meisten hat mich beeindruckt, wie unsere Kinder lernen, Konflikte zu lösen. Hätten die Russen und die Ukrainer doch nur rechtzeitig den Lehrplan 21 eingeführt!
«Die Schülerinnen und Schüler …
- können sachlich und zielorientiert kommunizieren, Gesprächsregeln anwenden und Konflikte direkt ansprechen.
- können sich in die Lage einer anderen Person versetzen und sich darüber klar werden, was diese Person denkt und fühlt.
- können Kritik angemessen, klar und anständig mitteilen und mit konstruktiven Vorschlägen verbinden.
- können Kritik annehmen und die eigene Position hinterfragen.
- können Formen und Verfahren konstruktiver Konfliktbearbeitung anwenden.
- können in einer Konfliktsituation einen Konsens suchen und diesen Konsens anerkennen.
- können Konfliktsituationen, die sich nicht lösen lassen, aushalten und nach neuen Konfliktlösungsmöglichkeiten suchen; wenn nötig holen sie bei Drittpersonen Unterstützung.
- können die von der Schule bereitgestellten Hilfen nutzen und Instrumente zur gewaltfreien Konfliktlösung akzeptieren»
Wenn ich daran denke, dass die meisten Erwachsenen (nicht nur russischer Herkunft) noch mit 50 Jahren nicht in der Lage sind, in einem Restaurant sich auch nur angemessen zu beschweren, wenn ihnen der Kellner die Suppe über den Kopf schüttet – wie etwa «Formen und Verfahren konstruktiver Konfliktbearbeitung anzuwenden» –, dann mag man ermessen, wie weltfremd dieses Programm der Menschenverbesserung ist.
Selbst die Pädagogen, die diesen monströsen Katalog entworfen haben, dürften ihren eigenen Anforderungen in den seltensten Fällen gerecht werden. Fragen Sie deren Ehefrauen bzw. Ehemänner. Hinzu kommt, dass dieser Lehrplan 21, der inzwischen in der ganzen Deutschschweiz gilt, demokratisch nur schwach legitimiert ist. Wir stimmten nie darüber ab.
Zwar nahmen Volk und Stände 2006 mit grossem Mehr den Bildungsartikel in der Bundesverfassung an, auf den sich der Lehrplan mit viel interpretatorischer Fantasie abstützen lässt, aber explizit war das damals kein Thema.
Man sprach über eine Harmonisierung der Ferien und der Schulpflicht. Kaum je darüber, dass man den Kindern schweizweit Hunderte von «Kompetenzen»vermitteln will
Es sind vielleicht zwei Dinge, die mich so bestürzen, wenn ich diesen Lehrplan studiere:
- Der naive Glaube, dass alles, was man reguliert, sich dann auch nach den Regulierungen richtet:Hauptsache, wir haben es aufgeschrieben, dann ist die Welt bereits gerettet
- Der Detaillierungsgrad des Unsinns. Das sind offensichtlich Menschen, die sich nicht kurzfassen können, weil sie selber einen so grandiosen Salat im Kopf haben, dass sie das, was sie achtjährigen Primarschülern beibringen möchten, wohl selbst zuerst lernen müssten:
Den klaren Gedanken, das pralle Leben, Erfahrung. Die zehn Gebote, denen bis heute die meisten Juden und Christen in irgendeiner Art und Weise nachleben, umfassen: zehn Regeln und je nach Übersetzung rund 313 Wörter (hebräische Originalfassung) bzw. 320 (Deutsch)
Der Lehrplan 21 besteht aus:
- 470 Seiten
- 363 Kompetenzen
- 2304 Kompetenzstufen
Ursprünglich waren es 557 Seiten, 453 Kompetenzen und 3123 Kompetenzstufen. Nachdem Kritik aufgekommen war, kürzte man den Lehrplan 21 um rund 20 Prozent.
Da haben unsere Kinder aber Glück gehabt.
Oder um es mit Karl Kraus, dem österreichischen Schriftsteller, zu sagen:«Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.»
Dieser Beitrag erschien zuerst im Nebelspalter: https://www.nebelspalter.ch/lehrplan-21,-lehrplan-des-irrsinns
Lieber Herr Somm
Ich schätze Ihre unbefangene Direktheit über alles und hätte die BaZ immer noch abonniert, wären Sie noch dort.
Seit seiner Einführung habe ich den Lehr- bzw. Leerplan 21 bekämpft und mich, soweit es ging, in keinster Art und Weise an ihn gehalten.
Dieses Pamphlet ist der ultimative Ausdruck der Kapitulation jeglicher Vernunft angesichts der Übernahme des Bildungselfenbeinturms durch eine Armada von in ihrer moralischen Scheinüberlegenheit ersoffener Gutmenschen.
Doch das Ganze bleibt ja nicht bei diesem Leerplan – eifrige Turbo-Linke krempeln die ganze Gesellschaft um in einem noch nie dagewesenen Versuch, die zehn Gebote durch Millionen von Verboten zu ersetzen.
Ich wünsche Ihnen und mir die Standhaftigkeit, solange es geht weiter das Salz in der Suppe zu bleiben.
Herzlich
Daniel Vuilliomenet
Meines Wissens ist das ursprüngliche wichtige, aber eigentlich bescheidene Ziel, den Fremdsprachenunterricht zu harmonisieren, schliesslich nicht gelungen. Dafür hat man jetzt dieses teure bürokratische Machwerk, für das es keine sanktionsfähigen Verantwortlichen gibt, weil Verantwortung im typischen eidgenössischen Partizipationsgewusel keine Bedeutung hat.
Es gab Abstimmungen zum Lehrplan 21 – wenn auch indirekt
Es freut uns, dass Markus Sommer den Lehrplan 21 in dieser Deutlichkeit kritisiert. In einem Punkt müssen wir ihm aber widersprechen: Wir hatten als Bürger die Gelegenheit, den Lehrplan abzulehnen. In allen deutschsprachigen Kantonen formierten sich Initiativkomitees, die mit grossem Engagement versuchten, dessen Einführung zu stoppen. Es war kompliziert, weil
der Lehrplan gemäss allen geltenden Schulgesetzen jeweils als Erlass von den Kantonsregierungen erlassen wird. Gegen Erlasse kann kein Referendum ergriffen werden.
Die einzige Möglichkeit, als Volk Einfluss auf Lehrpläne zu nehmen, besteht weiterhin darin, via kantonaler Gesetzesinitiative die Schulgesetze dahingehend zu ändern, dass Lehrpläne von den Kantonsparlamenten abgestimmt werden müssen. Erst dann wäre jeweils ein Referendum gegen Lehrpläne möglich.
Zudem würde bodenständigen Regierungsräten der Rücken gestärkt, wenn Lehrpläne zukünftig auch demokratisch von Parlamenten und Volk mitgetragen werden müssten. Bildungsbehörden und Vertreter aus den pädagogischen Hochschulen könnten nicht mehr jede „fortschrittliche“ Neuerung unhinterfragt durchsetzen.
Kantonale Initiativkomitees sammelten deshalb erfolgreich Unterschriften für eine Gesetzesinitiative, mit der verlangt wurde, Lehrpläne der Abstimmung der Kantonsparlamente zu unterstellen. Der Abstimmungskampf wurde dabei durchaus mit der Frage Pro und Contra Lehrplan 21 geführt. Das haben damals auch die Behörden und politischen Parteien verstanden. Es gab eine massive Gegenpropaganda und auch Repressionen etwa gegen Lehrpersonen, die die Gesetzesinitiative unterstützten. In den meisten Schulhäusern war es untersagt, Info-Material der Initianten auszulegen. Das Propagandamaterial der Befürworter dagegen war allgegenwärtig, in allen Schulhäusern gab es unentwegt Veranstaltungen und Fortbildungen, in denen der Lehrplan 21 propagiert wurde. Lehrpersonen, die sich öffentlich gegen den Lehrplan aussprachen, mussten mit Schwierigkeiten rechnen. Die Initianten wurden nur von wenigen, allerdings sehr klar denkenden und mutigen Politikern der verschiedensten Lager unterstützt. Der grösste Teil des politischen Establishments dagegen ebenso wie diverse Medien schossen zum Teil heftig und unsachlich, ja sogar persönlich diffamierend gegen die Initianten.
Trotz all dieser Angriffe sammelten die Komitees in der zur Verfügung stehenden Zeit die nötigen Unterschriften. Es kam zu Abstimmungen. Zwischen 20 und 30 % der Abstimmenden stimmten für das Anliegen. Immerhin, ein Achtungserfolg. Dass es nicht mehr waren – ja woran liegt das? Sicher hat die Gegenpropaganda bewirkt, dass sich viele mit Schule und Bildung befassten Menschen kaum ernsthaft dem Anliegen gewidmet haben. Manchen wird erst mit den Folgen klar, welche enormen Folgen für unser Zusammenleben und unsere Wirtschaft Art und Inhalt unserer Bildungsvermittlung haben.
Wenn nun vom Nebelspalter und hoffentlich auch weiteren Medien die Folgen dieses ideologisch motivierten Lehrplans aufgezeigt werden, besteht die Hoffnung, dass sich Kantonsräte finden, die in den Kantonsparlamenten die notwendige Änderung der kantonalen Schulgesetze durchsetzen. Schliesslich verhindert dieses Monstrum, dass unsere Schüler sich das nötige Basiswissen aneignen können, auf das sie im Berufsleben und im demokratischen Gemeinwesen angewiesen sind.