Aufgrund der Einführung von zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe, die zusammen mit insgesamt 14 Jahreslektionen sehr hoch dotiert sind, wurden die beiden Fächer Deutsch und Mathematik geschwächt, dies mit einschneidenden Konsequenzen.
Aufgrund der beiden Fremdsprachen wird Deutsch marginalisiert
Ein Fünftel der Schulabgänger/-innen kann einfache Texte nicht verstehen, auch die Lesefähigkeit ist gering. Diese Jugendlichen sind nicht imstande, einem Text alltagsrelevante Informationen zu entnehmen, zudem verstehen sie das Geschriebene im Kontext nicht. Knapp 20% aller Jugendlichen verlassen die obligatorische Schule als funktionale Analphabeten. Beim letzten PISA-Test im Jahr 2019 lag die Schweiz beim Lesen lediglich auf Platz 27 und damit deutlich unter dem Durchschnitt. 24% der in die Berufswelt eintretenden Jugendlichen können einfache Verknüpfungen zwischen Textteilen nicht herstellen.
Jugendliche sind aufgrund dessen kaum imstande, eine eigene fundierte Meinung zu bilden. Lesen ist der Schlüssel zur Teilhabe am Weltgeschehen. Eine mangelhafte Urteilskraft schwächt unsere Gesellschaft.
Drei Sprachen – rien ne va plus …
Für viele Schulkinder mit Migrationshintergrund ist auch Deutsch eine Fremdsprache, so dass sie auf der Primarstufe drei Sprachen erlernen müssen. Für zahlreiche, vor allem leistungsschwächere Kinder, bedeuten drei Sprachen eine enorme Belastung und Überforderung. Die Zeit fürs vertiefte Üben fehlt, und die Hektik im Unterricht nimmt ebenso zu wie die seit der Umstellung auf sechs Primarschuljahre immer grösser werdende Heterogenität zwischen den leistungsschwächeren und -stärkeren Schulkindern. Der pädagogische Wert von Frühfranzösisch ist, wie sich zunehmend immer klarer zeigt, gering. Weniger wäre mehr – vor allem könnte die Motivation am Lernen schlechthin gestärkt und Frust vermieden werden dadurch, dass die Schüler/-innen erfahren, dass fundierteres Können in zwei Sprachen zu mehr Erfolg führt. Nun gilt es, mit mutigen Schritten der unbefriedigenden bestehenden Situation entgegenzutreten und eine gute, vernünftige Lösung anzustreben.
Harmos-Konkordat wird zur Sackgasse
Das vom Baselbieter Landrat im Jahr 2010 beschlossene Harmos-Konkordat verpflichtet die Harmos-Kontone, zu denen Baselland und Baselstadt gehören, dass auf Primarschulstufe in der dritten und in der fünften Klasse mit je einer Fremdsprache begonnen wird. Der erhoffte Erfolg in Bezug auf die sprachlichen Fertigkeit der Kinder hat sich nicht wunschgemäss eingestellt. Ein Verzicht auf Frühfranzösisch ginge einher mit der Kündigung des Harmos-Konkordats und würde eine Gesetzesänderung bedingen. Politisch würde dies verständlicherweise heftige Diskussionen auslösen. Das Scheitern des Fremdsprachenkonzepts müsste, wenn auch mit grosser Enttäuschung, anerkannt und eine Korrektur vorgenommen werden.
Fundierte Evaluation des Fremdsprachenkonzepts
Die Baselbieter Bildungsdirektion ist aufgrund des überwiesenen Vorstosses nun aufgefordert, eine rasche, fundierte Evaluation und eine Wirkungskontrolle des Fremdsprachenkonzepts durchzuführen. Auf der Grundlage der Ergebnisse müssen die richtigen bildungspolitischen Entscheide, auch wenn diese unangenehm sein sollten, gefällt werden. Ein mutiger Schritt, um aus dieser Sackgasse herauszufinden und einen Richtungswechsel zum Wohle unserer Kinder vorzunehmen, steht an.
Anita Biedert
Lehrerin und Mitglied Starke Schule beider Basel
Nachtrag der Redaktion: Der Vorstoss von Frau Biedert wurde ursprünglich als Motion eingereicht. Jan Kirchmayr (SP) überzeugte die Motionärin, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln. Daraufhin stimmten auch drei SP-Landräte dem Antrag zu und verhalfen ihm zu einer Überweisung.
Wie schön, dass nun wenigstens in Basel das Fremdsprachenlernen überprüft wird. Ich selber spreche neben Deutsch auch Englisch und Französisch, wir sprechen in der Familie Englisch. Und doch bin ich als Mutter von zwei Mädchen gegen das frühe Fremdsprachenlernen.
Die Freude an Sprache wird den Kindern regelrecht ausgetrieben. Meine jüngere Töchter wollte das “Dis donc” nicht mehr ansehen. Wir hatten dann die Gelegenheit, fünf Monate in der Westschweiz zu leben. Erst dies durchbrach diese abgrundtiefe Abneigung. Doch welche Familie kann das Problem so lösen?
Der Lehrplan 21, gekoppelt mit der integrativen Schule, gekoppelt mit der Mühe von uns Erwachsenen, von Kindern Leistung zu fordern, gekoppelt mit dem übermässigen Gebrauch von elektronischen Geräten, gekoppelt mit dem Bestreben der Schule, mehr und mehr die Lehrkräfte zu Lerncoaches zu machen heisst nur eines: Es ist der Anfang vom Ende.
Nun hoffe ich, dass Basel am Anfang einer schweizweiten Bewegung steht.