Zunächst einmal die positiven Nachrichten. Die FDP hat die Bildungspolitik wiederentdeckt. Die FDP im Kanton Basel-Stadt hat zumindest einmal die miserablen Testergebnisse der Basler Schülerinnen und Schüler thematisiert, das heisst, zur Kenntnis genommen (siehe https://condorcet.ch/2022/08/die-freisinnigen-fordern-ein-ranking-der-basler-sekundarschulen/).
Im Kanton Bern fordert die Grossratsfraktion der FDP mit einer Motion die Wiedereinführung der Kleinklassen und in der Stadt Zürich bekämpft sie das Anliegen der linken Regierungsmehrheit die Tagesschule für alle verpflichtend zu machen.
Zumindest in Basel hat der Ranking-Vorstoss der FDP zu einem heftigen Streit innerhalb der Bürgerlichen geführt. In einer Kolumne griff der frühere Bildungsdirektor und ehemalige Nationalrat der Basler Liberalen die FDP frontal an und warf ihnen Populismus vor (https://www.bazonline.ch/fdp-bildungspolitik-nein-danke-302002968939).
Die Forderung nach Rankings ist natürlich ausgekochter Populismus und überdies auch noch ein bildungspolitischer Blödsinn.
Ich bin mit Herrn Eymann in der Vergangenheit nicht immer pfleglich umgegangen. In mehreren Podiums- und Streitgesprächen kreuzten wir unsere Klingen. Für einmal muss ich dem freundlichen und umgänglichen Politiker recht geben. Die Forderung nach Rankings ist natürlich ausgekochter Populismus und überdies auch noch ein bildungspolitischer Blödsinn. Die FDP hat es ihren Gegnern leicht gemacht. Die Ursachen für den Absturz der einst stolzen Basler Schule sind hausgemacht. Zahlreiche unausgegorene Bildungsreformen haben unsere Schullandschaft schweizweit umgepflügt. An kaum einem anderen Ort wurden sie aber so strikt umgesetzt wie in der Stadt Basel. Die Hüst-und-Hott-Reformen der verschiedenen Schulinstitutionen, die kafkaesken Auswüchse der Schülerbeurteilungen (überfachliche Kompetenzen in mehrseitigen Fragebögen), die ultimative Umsetzung des Integrationsartikels, die exorbitanten Ausgaben für Luxusbauten, die Investitionen in den administrativen Überbau, die Schaffung vieler Plan- und Beratungsstellen und die Explosion der Anzahl von Speziallehrerinnen sind alles auf Entscheide des Bildungsdepartements der letzten Jahre zurückzuführen. In kaum einem Kanton wurden auch den Lehrkräften ein derart rigides Kommunikationsverbot gegen aussen verordnet, wie im eigentlich linken Basel.
Und die FDP? Sie hat sämtliche Reformen unterstützt, namentlich das gänzlich gescheiterte Frühfranzösisch und den gewaltigen Passepartout-Flop. Wenn Herr Eymann nun in seiner gewohnt nonchalanten Art die Diffamierungskeule auspackt, dann darf er ruhig auch an seinen Beitrag zum Basler Bildungsdesaster erinnert werden. Von Selbstkritik ist aber bei ehemaligen Magistraten keine Spur zu erkennen.
Im Gegenteil. Gegen Schluss seiner Kolumne gehen seine Schuldzuweisungen noch an die Eltern. Er schiebt ihnen unverhohlen eine Mitschuld am Bildungsdesaster zu: «Wer ernsthaft die Schulen verbessern will, muss nach den Gründen für den unbefriedigenden Zustand fragen. Könnte es sein, (…), dass die fehlende Motivation und Kontrollbereitschaft des Elternhauses mitursächlich sind für ungenügende Schulanstrengungen und -leistungen?»
Und natürlich darf der Ruf eines Basler Politikers, dem in seiner Chemiestadt so viel Mittel wie kaum sonst wo zur Verfügung standen, nach mehr Geld nicht fehlen: «Die FDP kann Hervorragendes für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort leisten – nicht mit diesem verunglückten Papier – aber, indem sie die FDP-Bildungsdirektorin des Nachbarkantons überzeugt, bei Universität und Fachhochschule nicht noch weiter zu sparen, sondern die in allen Fakultäten vorhandene Exzellenz mit mehr Geld und damit wirklich partnerschaftlich zu fördern».
Zur Erinnerung: Die Stadt Basel gibt pro Kopf und pro Jahr 20’000 Fr. für einen Schüler der Volksschule aus. Der Kanton Freiburg nur die Hälfte. Der Kanton Freiburg belegte bei den Vergleichstests je nach Fach die ersten drei Plätze, während die Stadt Basel abgeschlagen auf dem letzten Platz lag (ÜGK, 2018). Geld alleine wird es wohl nicht richten.
Aber vermutlich kontrollieren die Freiburger Eltern ihre Kinder besser.
Der Bruderkampf ist allein schon deshalb amüsant, weil seit 1950 (Carl Miville sen. SP/PdA) ausschliesslich bürgerliche Politiker das Erziehungsdepartement geführt haben. Peter Zschokke, LDP, Arnold Schneider, FDP, H.R. Striebel, FDP, Stefan Cornaz, FDP, Christoph Eymann, LDP und Conradin Cramer, LDP. (nach der schweren Erkrankung von Cornaz ein paar Monate interemistisch Veronica Schaller SP) Ein bisschen bürgerliche Selbstkritik wäre also mehr als angebracht.