
Im NZZ Magazin findet sich ein längerer Artikel zum Thema «Berufseinstieg für Quereinsteiger in den Lehrberuf: Ein Crashkurs in 9 Punkten». Solche Anleitungen sind ja bekannt, diese allerdings hat es in sich: Aus der Sicht von Lehrern, Wissenschafterinnen, Schulleiterinnen, der Pädagogischen Hochschule Zürich und einer Schülerin werden neun provokative Erkenntnisse für den Berufseinstieg präsentiert.
Lassen Sie das Arbeiten in der Gruppe – am Anfang
Da findet sich unter Punkt 2 beispielsweise der Ratschlag: «Pfeifen Sie auf die Theorie». Punkt 4: «Perfektion ist Ihr Untergang» oder Punkt 8: «Holen Sie sich Hilfe oder suchen Sie das Weite». Aussergewöhnlich ist auch Punkt 7: «Lassen Sie das Arbeiten in der Gruppe – am Anfang». Es handelt sich um den Freispruch des allseits geschmähten lehrergeführten Unterrichts (auch als «Frontalunterricht» bekannt). Wir lesen und reiben uns die Augen: «Trotz allen Lernlandschaften und Wochenplänen an Schweizer Schulen sind sich Praktiker und Hochschulpädagoginnen in einem Punkt nämlich bemerkenswert einig: Auf Primarstufe ist das Konzept des selbständigen Lernens eine Kopfgeburt.»
Sich den Stoff selber zu erschliessen, finde ich heikel

Dr. Christine Neresheimer Mori von der PH Zürich meint sogar: «Sich den Stoff selber zu erschliessen, klingt zwar gut für Kinder aus engagiertem Elternhaus, mit hoher Intelligenz und Motivation. Aber wenn ein Teil der Schüler noch nicht einmal einen Satz fehlerfrei sprechen kann, dann finde ich das heikel.»
Wenn man bedenkt, dass das selbständige Lernen einer der Grundpfeiler des Lehrplans und der «fortschrittlichen» Pädagogik darstellt, sind solche Aussagen doch bemerkenswert. Kündigt sich hier ein von Wissenschaftern und erfahrenen Lehrern lange ersehnter Kurswechsel in der Pädagogik an?
Ich erwarte den Gang nach Canossa seitens der PHs. Wie lange wurde jetzt das Gegenteil verkündet und Lehrpersonen unter Druck gesetzt, die dieses Theater nicht mitmachen wollten – aus guten Gründen notabene.
Es hat definitiv zuviele Funktionärspersonen im Schulwesen.
Ja, im doppelseitigen NZZ-Beitrag mit dem Titel «Ein Crashkurs» weht ein erfrischender Wind in Bildungsfragen. Man staunt nicht schlecht, wie plötzlich ganz andere Prioritäten gesetzt werden, um die Schulqualität zu sichern. Gemeinsamer Klassenunterricht – jahrelang verpönt als altmodischer Frontalunterricht – wird als effiziente Lernform ausdrücklich empfohlen. Selbstorganisiertes Lernen in Form von Wochenplänen wird hingegen als völlig ungeeignet für die Primarschule bezeichnet. Und den vielgepriesenen neuen Lehrplan legen die zitierten Schulpraktiker einfach zur Seite, weil das überladene Jahrhundertwerk als Bildungskompass nichts taugt.
Lehrerinnen sollen keine grauen Mäuse in Form von beratenden Lernbegleiterinnen sein. Da ist gar die Rede vom Leitwolf, der seine Klasse führt und sich für die Welt der Kinder stark interessiert. Das blasse Lehrerbild eines professionellen Kompetenzenvermittlers hat ausgedient. Man spürt in jeder Textzeile, dass die Verfasser des «Crashkurses» sich zum Ziel gesetzt haben, den jungen Lehrpersonen mit innovativen Vorschlägen Mut zum Unterrichten zu machen. Es wird appelliert, sich an erfahrene Lehrpersonen zu wenden und deren erprobtes Unterrichtsmaterial zu verwenden. Dabei wird deutlich, dass die Fachdidaktik an den Pädagogischen Hochschulen in manchen Fächern zu wenig Startkapital für einen erfolgreichen Einstieg bietet. Nötig wäre ein sanfter Umbau des Ausbildungskonzepts mit einer engeren Verknüpfung von Theorie und Praxis. Bereits mit der Ausarbeitung von Unterrichtsreihen für die aufwändigen Realienfächer könnte Einsteigern viel geholfen und die Lehrerbildung aufgewertet werden.