Daten schaffen in der Regel einen Mehrwert, führen zu treffsicheren Prognosen und besseren Entscheidungen. So jedenfalls stellen sich das Auftragsgeber und die Leser von Statistiken vor. Leider gibt es nicht immer eine direkte Verbindung zwischen den Daten und besseren Entscheidungen, denn dazwischen stehen wir, bzw. unser menschliches Gehirn. Und das kann neben phänomenalen Leistungen auch allen möglichen Unfug anrichten. Letzte Woche wurde ich gleich dreimal mit fragwürdigen Datenerhebungen und deren Interpretationen konfrontiert.
Zunächst informierte der Direktor der PH-Bern anwesende Grossräte und Behördenmitglieder über eine Umfrage. 92% der abgehenden PH-Abgänger, so der stolze Direktor, blieben dem Beruf erhalten, würden also unmittelbar nach ihrer Ausbildung eine Lehrerstelle antreten und 89% täten dies im Kanton Bern. Mein Tischnachbar, Stadt- und Grossrat Peter Bohnenblust und ich schauten uns verwundert an. Auf unsere Nachfrage, wie die Daten erhoben worden seien, erklärte uns der Verkünder der frohen Botschaft, dass man eine Umfrage unter den Abgängern gemacht habe. Und auf die weitere Frage, wie hoch denn der Rücklauf gewesen sei, gab er zu, dass es ca. 50%, also knapp die Hälfte gewesen sei. Ein typischer Fall von Umfrageverzerrung.
Bei einer anderen Orientierung, diesmal von der Berner Gesundheit, einer Organisation, die sich um Prävention und Aufklärung im Gesundheitsbereich kümmert, wurde ein düsteres Bild der heutigen Jugend gezeichnet. Der Sprecher sprach von einer 48%igen Zunahme der Beratungen. Es war die Rede von einer verlorenen, nicht lebenstüchtigen Generation und die Referenten mahnten nachdrücklich einen Ausbau der Beratungsangebote an. Auf meine Frage, wie es denn mit den absoluten Zahlen aussehe, verwies man mich auf den Geschäftsbericht. Ich konnte dort zwar keine Bestätigung der Zuwachsraten finden, aber als Lehrer mit guten Kontakten zur Erziehungsberatung und zu den psychiatrischen Diensten weiss ich natürlich, dass die Wartezeiten für die Betreuung gefährdeter Jugendlicher durchaus zu Sorgen Anlass geben. Was aber sagen diese Zahlen über den Zustand der Jugendlichen aus? In der Schweiz leben rund 2,3 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 23 Jahre. Der Webseite des BAG entnimmt man dazu, dass es 90% dieser Gruppe gesundheitlich gut gehe. 10% der Jugendlichen seien gefährdet. 10% sind natürlich nicht wenig, aber es ist auch wichtig zu wissen, dass eine übergrosse Mehrheit der Jugendlichen ihr Leben im Griff hat. Relative Zahlen verzerren oft die Risiken. Vor 5 Jahren berichtete die deutsche Zeitung «Die Welt», dass sich die Sterbezahlen an Choleratoten in Deutschland verdoppelt hatten. Was ist passiert. Vor 10 Jahren starben 2 Menschen in Deutschland an Cholera, 5 Jahre später waren es 4! Zur Erinnerung: Deutschland hat 80 Millionen Einwohner.
Den dritten fragwürdigen Umgang mit Daten entnahm ich einer Tageszeitung. Es ging um den umstrittenen nationalen Finanzausgleich. Der Titel lautete: Zug bezahlt am meisten, Bern erhält am meisten. In absoluten Zahlen stimmt das beim Kanton Zug nicht, wohl aber beim Kanton Bern. In relativen Zahlen stimmt es beim Kanton Zug, aber nicht beim Kanton Bern. Die Crux: Der Kanton Zug bezahlt pro Kopf am meisten in den Finanzhaushalt. Wenn es aber um diese Pro-Kopf-Zahlen geht, dann steht der Kanton Bern an 9. Stelle und nicht an erster. Der Journalist hat einfach Äpfel mit Birnen verglichen, also Pro-Kopf-Zahlen mit absoluten Zahlen. Das würde ich nicht als verzerrend, sondern als manipulativ bezeichnen. Man sollte aber nicht immer einen Vorsatz vermuten, wenn auch schlicht mathematische Unkenntnis die Ursache sein könnte. Vor drei Jahren veröffentlichte unser intellektuelles Leitmedium aus dem Norden, DIE ZEIT, eine Untersuchung über das Wohlbefinden der Kinder in Deutschlands Kitas. Das Ergebnis: 24% der Knaben und 10% der Mädchen fühlen sich in den Kitas unwohl. Fazit der Journalistin: Über ein Drittel der Kinder fühlen sich in deutschen Kitas nicht wohl. Noch Fragen?