Die geneigten Leserinnen und Leser unseres Blogs mögen uns verzeihen, dass wir in letzter Zeit eine regelrechte Salve zum Frühfremdsprachenunterricht vom Stapel gerissen haben. Das kann bei der einen oder dem anderen schon einen «Gähneffekt» auslösen. Es kommt aber immer wieder zu neuen Erkenntnissen, unter anderem herbeigerufen von Papieren, die uns Mitarbeitenden des Condorcet-Blogs zugeschickt werden. Beim vorliegenden Papier handelt es sich um ein Gutachten, das von Prof. Dr. RUDOLF WACHTER erstellt wurde und aus dem Jahr 2004 stammt. Es führt uns zurück in die Vorgeschichte der Frühfremdsprachen in unserem Land, bzw. um die Frage, wie es möglich war, dass eine ganze Bildungsnomenklatura mitsamt Presse-und Parteienlandschaft den hanebüchenen Irrweg des Frühfremdsprachenunterrichts propagierten und damit Erfolg hatten?
Liebe Redaktion
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie darauf verzichten würdet, sich mit dem Condorcet – Block auch noch auf dieses falsche Diskussionsgewurstel von wegen “schreiben nach Gehör”, das weder Kopf noch Füsse hat, zu befassen. Es könnte ja sein, dass der oder die Schreibende noch nie den geografischen Namen dieses Flusses geschrieben hat, und ihn erst mit dieser Reise erlebt.
Somit ist das nach dem lang gesprochenen durchaus richtig und schon wieder eine Ausnahme von der gängigen Regel, bei der beides angewendet wird, z.B. und . ist nur bei wenigen Wörtern zu finden.
Wie will man denn anders schreiben als nach Gehör? Das ist auch die erste Regel, worauf Konrad Duden 1901 in seinem ersten etwa hundert seitigen Büchlein im Stab quart Format verweist, ABER sofort zeigt er auf, dass dies nur bedingt angewendet werden kann. Dann folgen Wörtergruppierungen mit regelmässigen Abweichungen.
“VALENTINUS ICKELSAMER schreibt bereits 1534: “Die rechte weis auffs kuerzist lesen zu lernen” sei, zu wissen, „wie man aber die buchstaben recht nennen sol /“ „Aber also gehet es mit dem lesen vnd den buchstaben zu / das man ein wort inn der rede absetzen mus in seine teile“ und ein Schüler müsse schon ein „ungeschickter kopff“ sein, wenn er das Lesen auf diese Art nicht begreife.
Mit freundlichen Grüssen
Barbara Müller Gächter
Frau Müller, Condorcet greift meiner Meinung nach zu Recht ein in die Diskussion um die Schreiblernmethode «Schreiben nach Gehör». Ihr grundlegender Irrtum besteht darin, dass
1. die Zuordnung Sprechlaute (Phoneme) zu Buchstaben keine 1:1-Angelegenheit ist, die Lernenden deshalb ständig aufs Glatteis führt. Vielmehr repräsentiert ein Buchstabe mehrere Sprechlaute: Z.B. steht der Buchstabe -o- für das lange, geschlossene o in holen, das kurze, offene in wollen. Der Konsonant -h- wird nur im Anlaut gesprochen, z.B. hallo, aufheben, hingegen dient er manchmal als reines Dehnungszeichen: hohl, Vieh, als Hilfszeichen für Konsonanten, die kein eigenes Schriftzeichen besitzen: ch für [X und ç] (lachen, riechen), sch für [ʃ] (scheinen), ck für Doppel-k (backen) oder als in der Schrift konservierten Schwundlaut nach r oder t: Rhein, Rhone, Rhythmus, Therapie. Der gleiche Sprechlaut kann unterschiedlich verschriftet werden: So gibt es für [f] vier Schreibweisen: f in fallen, ff in hoffen, v in viele, ph in Phantom.
2. dass Schreiben nach Gehör demnach nur mit der internationalen phonetischen Schrift zu haben wäre, in der es pro Phonem genau ein entsprechendes Zeichen gibt. Da Kinder jedoch die allgemein übliche Standardschrift lernen, müssen sie deren Konventionen (=sozialen Abmachungen) lernen. Da die Regeln, nach denen die Zuordnung Laute – Buchstaben festgelegt wurden, zum Teil sehr abstrakt sind und wohl nur von ausgekochten Spezialisten verstanden werden, prägt sich die Schreibung am besten durch das Schriftbild und die motorische Nachahmung des (nach Duden) korrekten Schriftbildes ein. Das erspart den Lernenden später ein mühsames, zeitraubendes Umlernen oder die Diskriminierung, die sie erdulden müssen, wenn sie an ihren fantasievollen Varianten im Erwachsenenleben festhalten.