In einem Verlag Lehrmittel zu entwickeln und zu vermarkten ist eine sehr dankbare und sinnstiftende Arbeit: Idealerweise unterstützen wir mit unseren Produkten die Lehrpersonen beim Unterricht. Wir stellen interessante, aktuelle und dem Lernstand der Schülerinnen und Schüler angepasste Unterlagen und Lernarrangements zur Verfügung, die didaktisch nach allgemein anerkannten Grundsätzen erarbeitet und abgestimmt auf den Lehrplan sind. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf können wir die nicht unbeträchtlichen Entwicklungskosten, die Weiterentwicklung und Aktualisierung finanzieren, um auch in Zukunft unseren Beitrag zu einer starken Volksschule zu leisten.
Soweit zum Idealbild, das wir zum Glück immer wieder erleben dürfen. Allerdings wissen wir, dass wir mit einem Lehrmittel nie alle glücklich machen können, dafür sind nur schon die Erwartungen der wichtigsten AkteurInnen, der Lehrpersonen, zu heterogen. Und auch die FachdidaktikerInnen sind sich oft nicht einig, was jetzt besser und was schlechter ist.
Wir entwickelten nicht nur ein neues Lehrmittel, sondern gleichzeitig wurde der frühsprachliche Unterricht in der 3. Klasse eingeführt, eine grosse Anzahl von Lehrpersonen musste neu Französisch unterrichten, Französisch war als erste Fremdsprache umstritten und das Lehrmittel hatte sich an einem kompetenzorientierten Lehrplan – notabene lange vor dem Lehrplan 21 – zu orientieren.
Die Lehrmittel wurden zur Projektionsfläche
Wenn dann noch die Politik und Verwaltung als Anspruchsgruppe Vorgaben macht, kann es schwierig werden. Bei der Entwicklung von «Mille feuilles» und «Clin d’œil» war und ist das alles der Fall: Schon die Rahmenbedingungen waren herausfordernd. Wir entwickelten nicht nur ein neues Lehrmittel, sondern gleichzeitig wurde der frühsprachliche Unterricht in der 3. Klasse eingeführt, eine grosse Anzahl von Lehrpersonen musste neu Französisch unterrichten, Französisch war als erste Fremdsprache umstritten und das Lehrmittel hatte sich an einem kompetenzorientierten Lehrplan – notabene lange vor dem Lehrplan 21 – zu orientieren. Mehrsprachigkeitsdidaktik und Digitalisierung waren weitere Forderungen seitens der Auftraggeber – der Kantone. Damit wurde «Mille feuilles» und «Clin d’œil» zur dankbaren Projektionsfläche für verschiedenste KritikerInnen. Als Verlag können wir dies nicht ändern, finden es aber wichtig, dass diese Aspekte nicht vergessen gehen.
Wir wissen heute, dass wir bei der Entwicklung ein zu anspruchsvolles und ehrgeiziges Konzept umsetzten, das in der Praxis gewisse Schwächen zeigte. Wir wissen auch, dass bei der Einführung Fehler gemacht und viele Lehrpersonen vor den Kopf gestossen wurden, als ihnen ExpertInnen erklärten, dass eine neue Ära im Fremdsprachenunterricht angebrochen sei und sie alle ihre Erfahrungen vergessen müssten.
Anders als die Rahmenbedingungen können wir als Verlag allerdings das Produkt selbst gestalten. Nach der Auflösung von Passepartout haben wir die alleinige Verantwortung für die Weiterentwicklung übernommen. Wir wissen heute, dass wir bei der Entwicklung ein zu anspruchsvolles und ehrgeiziges Konzept umsetzten, das in der Praxis gewisse Schwächen zeigte. Wir wissen auch, dass bei der Einführung Fehler gemacht und viele Lehrpersonen vor den Kopf gestossen wurden, als ihnen ExpertInnen erklärten, dass eine neue Ära im Fremdsprachenunterricht angebrochen sei und sie alle ihre Erfahrungen vergessen müssten.
Eine grundlegende Überarbeitung lohnt sich
Gleichzeitig erlebten und erleben wir viel Unterstützung und engagierte Lehrpersonen, die Verbesserungsvorschläge machen und die Lehrmittel mit Freude und Erfolg im Unterricht einsetzen. Nach einer eingehenden Standortbestimmung ist der Schulverlag plus zum Schluss gekommen, dass es genug gute Ansätze in den beiden Lehrmitteln gibt, damit sich eine grundlegende Überarbeitung und Weiterentwicklung lohnt. Dabei berücksichtigen wir die wichtigsten Kritikpunkte und Rückmeldungen aus der Praxis. Dazu gehören unter anderem:
- eine Reduktion des Unterrichtsstoffes, was Zeit schafft für die gewünschte Vertiefung der Bereiche «Sprechen» und «Üben»,
- mehr Sprechanlässe und Alltagswortschatz,
- mehr Übungen zum Vertiefen und Automatisieren und zur Förderung des Transfers in den Alltag,
- ein erhöhtes Differenzierungsangebot durch Zusammenführen der Versionen G (Grundanspruch) und E (erweiterte Anforderungen) bei «Clin d’œil»,
- der Umstieg vom Lehrplan Passepartout auf den Lehrplan 21,
- mehr Grammatik und Sichtbarmachen der Grammatikziele,
- die Weiterentwicklung der digitalen Lehrmittelbestandteile, die Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler gemeinsam durch den Französischunterricht leiten,
- eine verbesserte Struktur und vereinfachte Inhalte, verbunden mit einer klareren Gestaltung zur Erhöhung der Lesbarkeit und Übersicht.
Die Einführung der überarbeiteten Lehrmittel begann vor zwei Jahren mit «Mille feuilles 5», dem letztes Jahr «Mille feuilles 6» folgte. Wir bekommen zu diesen Überarbeitungen gute bis sehr gute Rückmeldungen, wobei wir uns bewusst sind, dass wir nicht alle Wünsche berücksichtigen konnten. Dieses Jahr ist nun «Mille feuilles 3» und nächstes Jahr «Mille feuilles 4» dran, die nach dem gleichen Konzept weiterentwickelt werden. In Letzteren wird vermehrt mit neuen Inhalten gearbeitet. Zudem wird einem weiteren Bedürfnis Rechnung getragen: Die Lehrmittel eignen sich für den Unterricht in altersdurchmischten Klassen. Parallel dazu arbeitet ein zweites Team intensiv an «Clin d’œil», das ab nächstem Jahr einlaufend eingeführt wird.
Offen für konstruktive Kritik
Wir sind uns bewusst, dass wir mit diesen Überarbeitungen nicht alle KritikerInnen überzeugen werden. Gleichzeitig sind wir sicher, dem eingangs erwähnten Idealbild deutlich näher zu kommen, im Bewusstsein, dass wir in Zukunft unsere Lehrmittel stetig weiterentwickeln müssen. Deshalb freuen wir uns auf konstruktive Kritik und Rückmeldungen aus der Praxis.
Fast hätte ich etwas vergessen: Da ist ja noch das nicht funktionierende «Sprachbad», das von den Gegnerinnen und Gegnern immer wieder als angebliches Konzept von «Mille feuilles» und «Clin d’œil» aufgeführt wird. Nun, wir sind nie der Illusion erlegen, dass ein paar wenige Unterrichtsstunden pro Woche für ein «Sprachbad» reichen. Deshalb schütten wir es gerne aus und sorgen dafür, dass das Kind drinbleibt und mit einem modernen und praxisgerechten Lehrmittel mit tatkräftiger Unterstützung der Lehrperson Französisch lernt.
Bernhard Kobel, seit 2018 Geschäftsführer der Schulverlag plus AG
Ein Lehrmittel, das in einer derartigen Arroganz angetreten ist, vom bisherigen Unterricht keinen Stein mehr auf dem anderen zu lassen und nun dauerreformiert werden muss, ist per se ein Reinfall. So geschehen im Fach Französisch und im Fach Mathematik.
Herrn Kobels Ausführungen ist zu entnehmen, dass eine tiefgreifende Umgestaltung der beiden umstrittenen Lehrmittel ansteht, bei der praxistaugliche und lernpsychologisch wirksame Leitlinien gelten sollen. Das ist gleichzeitig das Eingeständnis, dass viele der bisher hochgehaltenen Vorgaben des Passepartoutkonzeptes (wie beschrieben in der Publikation “Neue fremdsprachendidaktische Konzepte” von Grossenbacher, Sauer und Wolff) sang-und klanglos fallen gelassen werden: Reines Vertrauen auf den natürlichen Spracherwerb, Abfolge thematischer Themen ohne systematischen Sprachaufbau, abstrakte Strategien statt Verständnishilfen bei schwierigem authentischen Material, Verbot des repetitiven Übens und Automatisierens zugunsten von Sprachvergleichen, Aufschub des Sprechens zugunsten des Abschreibens von Wörtern aus Listen, Verzicht auf Alltagssituationen zugunsten langweiliger “Präsentationen” etc. Wenn diese unsinnigen Beschränkungen durch didaktischen Sachverstand ersetzt werden, darf man tatsächlich auf bessere Lehrmittel hoffen. Es bleibt nur die Frage: Warum hat man die Kritik nicht schon viel früher ernst genommen, sondern sich hinter sturer Besserwisserei verschanzt?
Ich fühle mich als Mann von den femininen Begriffen Lehrperson und Lehrkraft nicht angesprochen.