Scheintherapie für die öffentlichen Schule
Die freie Schulwahl ist verführerisch. Der damit geschaffene Wettbewerb zwischen den einzelnen Schulstandorten stellt eine elegante Lösung dar zur Unschädlichmachung des zerstörerischen Tsunamis an Schulreformen.
Aber auch die bildungsfeindliche Passepartout-Fremdsprachenideologie könnte sich keine Schule leisten, denn auch sie wäre ein eklatanter Standortnachteil gegenüber Schulen, an denen mit seriösen Lehrmitteln unterrichtet wird.
Die Ideologie der angestrebten totalen Integration beispielsweise liesse sich im Rahmen der Wettbewerbsorientierung nicht aufrechterhalten. Die daraus im Unterricht resultierende Nivellierung nach unten wäre ein erheblicher Standortnachteil. Eltern würden Schulstandorte wählen mit einem differenzierenden System, welches die Lernenden in unterschiedliche Klassentypen einteilt entsprechend individueller Begabung und Bedürfnisse. Aber auch die bildungsfeindliche Passepartout-Fremdsprachenideologie könnte sich keine Schule leisten, denn auch sie wäre ein eklatanter Standortnachteil gegenüber Schulen, an denen mit seriösen Lehrmitteln unterrichtet wird.
Der Wettbewerb würde die Standorte der öffentlichen Schule zwingen, der Flut schädlicher Reformen im Namen des Erfolgs auszuweichen.
Das Prinzip Hoffnung
Eine Schule ist nur erfolgreich, wenn sie fokussiert ihrer Kernaufgabe der Bildung nachgehen kann. Im sich permanent drehenden Reformkarussell hingegen vermag sie Qualitätsstandards schwerlich aufrechtzuerhalten. Lehrkräfte können kaum erfolgreich unterrichten und gleichzeitig ununterbrochen ihre Schule reformieren. An die Stelle der Qualität tritt dann nicht selten deren ständige Thematisierung. Der Wettbewerb würde die Standorte der öffentlichen Schule zwingen, der Flut schädlicher Reformen im Namen des Erfolgs auszuweichen. Damit würde sich auch der die Reformwucherung beschleunigende Wulst an Gremien, Ausschüssen, Kommissionen und dergleichen von selbst erledigen. Die so eingesparten Gelder könnten dann zugunsten der Lernenden eingesetzt werden. Aber auch der negative Einfluss unzähliger im Dienst an sich selbst stehender „Bildungsfunktionäre“, „Bildungsexperten“ und anderer Amateure würde elegant zurückgebunden. All dies wäre scheinbar möglich alleine kraft der heilenden Wirkung des Wettbewerbs.
Der Schein trügt
So einleuchtend dies erscheint, so utopisch ist es, die freie Schulwahl in der Praxis umzusetzen. Zwei Beispiele zur Verdeutlichung: a) Die Kapazität eines jeden Schulstandorts ist begrenzt. Geht die elterliche Nachfrage darüber hinaus, wird entweder ausgelost, oder die Schulbehörde bestimmt, wer wo zugeteilt wird. Beides verstösst gegen die freie Schulwahl und das Gebot der Gleichbehandlung. b) Ein Schulstandort wird während Jahren gut geleitet. Um die begrenzte Kapazität der elterlichen Nachfrage anzupassen, wird die Infrastruktur schliesslich zulasten der Steuerzahler ausgebaut. Kurz darauf übernimmt eine mangels Erfahrung Reform gläubige Schulleitung das Ruder, wodurch wenige Jahre später der neue, 200 Schüler fassende Gebäudeteil wieder leer steht.
Die freie Schulwahl ist kein geeignetes Instrument für die öffentliche Schule mit ihrer gesellschaftlichen Klammerfunktion und ihrem Fokus Mensch.
Rehabilitierung des Lehrberufs
Wettbewerb ist die Grundlage für sich selbst regulierende Waren- und Dienstleistungsmärkte. Insofern braucht es ihn beispielsweise bei der Wahl von Schulbüchern und Reformvorhaben, um untaugliche Konzepte und damit Fehlinvestitionen von vornherein auszuschliessen. Er ist hingegen kein geeignetes Instrument für die öffentliche Schule mit ihrer gesellschaftlichen Klammerfunktion und ihrem Fokus Mensch. Die unheilvolle Allianz zwischen Politik, Administration und Fachhochschulen zur Ankurbelung der ertragreichen Reformindustrie muss anders zerschlagen werden. Der erste Schritt in diese Richtung ist die generelle Aufwertung des Lehrberufs, nachdem er die letzten Jahre wegen einer verfehlten Bildungspolitik massiv an Attraktivität einbüsste.
Milton Friedman plädierte erstmals 1955 für eine Freie Schulwahl mittels alternativer Bildungsfinanzierung durch die Einführung von Bildungsgutscheinen. In Chile sind Bildungsgutscheine ab 1981 (Dikatur Pinochet) von den von Friedman inspirierten neoliberalen «Chicago Boys» weiträumig eingesetzt worden und haben zur Schaffung von über 1000 Privatschulen geführt. Eine 2005 veröffentlichte Studie über die Folgen zeigte nicht eine objektive Verbesserung der Lernergebnisse, sondern eine deutliche Trennung der Schülerschaft (Segregation) auf.
Gutschein-Experimente in Dayton, Milwaukee scheinen das Ergebnis zu bestätigen. Deswegen sehen viele Wissenschaftler Bildungsgutscheine nicht als geeignetes Mittel an, um die Schulleistungen benachteiligter Gruppen zu verbessern.
Studien zufolge führt eine freie Schulwahl zu einer Präferenz für solche Schulen, deren Schülerschaften einen höheren sozioökonomischen Status aufweisen, und bei uneingeschränkter Wahlfreiheit ergibt sich daraus eine Hierarchie der Schulen. Darüber hinaus bestehen für Schulen in einem freien Wettbewerb starke Anreize, nur leistungsfähige Schüler aufzunehmen. Eine Schülerselektion ist für eine Schule unter Umständen ökonomisch attraktiver als ein Anwachsen der Schülerzahl, so dass auch erfolgreiche Schulen wenig Anreiz haben zu expandieren.
Zudem haben vermögende Eltern bessere Möglichkeiten ihre Kinder in weiter entfernte gute Schulen zu transportieren. In Schweden haben die sogenannten «Freien Schulen» die Saläre der Lehrer gedrückt, um mehr Gewinne erwirtschaften zu können, bis schlussendlich der Staat eingreifen musste.
Quelle: Bildungsgutschein – Wikipedia
Zumindest müsste den Eltern freigestellt sein, ob sie sich für eine staatliche oder private Schule entscheiden. Deshalb müsste der Besuch einer Privatschule auch entsprechend subventioniert werden – zumindest gemäss den Kosten, die ein staatlicher Schulbesuch verursachen würde.
Das Primat staatlicher Bildung muss angekratzt bzw. sogar aufgelöst werden. Der Staat hat versagt und versagt weiterhin!