„Qualitätsmanagement bezeichnet die Qualitätsoptimierung von Dienstleistungen oder Produkten eines Unternehmens in allen Bereichen und Funktionen durch das Mitwirken aller Mitarbeiter.“[1] Bereits bei dieser kurzen Definition des Begriffs offenbart sich sogleich der privatwirtschaftliche Hintergrund. Die schulische Entsprechung dieses Konzepts beruht folglich auf der Übertragung privatwirtschaftlicher Managementmethoden. Auf die öffentliche Verwaltung bzw. Schule übertragene Konzepte aus der Privatwirtschaft werden allgemein als New Public Management bezeichnet. Problematisch ist dieser Transfer bereits insofern, als dass Schulen kein Produkt verkaufen. Wissens- bzw. Stoffvermittlung könnten allenfalls als Dienstleistungen verstanden werden. Doch für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement im Sinne der Qualitätssicherung wäre der im Schulbetrieb unübliche Wettbewerb unterschiedlicher Konzepte zumindest von grossem Vorteil, wenn nicht gar unerlässlich. Denn ohne Wettbewerb ist die Motivation für ein echtes Qualitätsmanagement tendenziell geschwächt.
Die Sache mit dem Wettbewerb
Es soll hier ausdrücklich nicht der freien Schulwahl das Wort geredet werden. Denn bei diesem Konzept entstehen nicht zu lösende Probleme und Gefahren gesellschaftlicher Natur, was in einem späteren Beitrag zu erörtern sein wird. Doch selbst in dem Bereich, wo Wettbewerb sinnvoll wäre – bei den Lehrmitteln -, wird er durch die meisten Bildungsdirektionen verhindert. Bestes Beispiel hierfür ist Passepartout
„Abgesehen vom Aspekt des nun etablierten interkantonalen Wettbewerbs stellt Passepartout einen eklatanten Verstoss gegen jegliche Form des Qualitätsmanagements dar.“
Keinerlei Wirksamkeitskontrolle
Die Fremdsprachenideologie wurde ohne vorgängige Wirksamkeitsnachweise flächendeckend eingeführt im Sinne eines Obligatoriums. Qualitätssichernde Massnahmen fehlen seit Beginn und waren nie vorgesehen. Es ist dem Zusammenwirken der Starken Schule beider Basel, dem Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland und der dortigen Schuldirektorin Monika Gschwind zu verdanken, dass im Baselbiet seit dem 1. Januar 2020 eine geleitete Lehrmittelfreiheit in Kraft ist. Last but not least hat diesbezüglich auch der öffentliche Druck seitens der Elternschaft geholfen. Aus Gründen des Wettbewerbs steigt damit der Druck auf die anderen fünf Passepartout-Kantone. Diese werden das Nachsehen haben gegenüber einem Kanton, in dem Fremdsprachen dank vernünftiger Lehrmittel wieder erfolgreich unterrichtet werden. Abgesehen vom Aspekt des nun etablierten interkantonalen Wettbewerbs stellt Passepartout einen eklatanten Verstoss gegen jegliche Form des Qualitätsmanagements dar.
Die Sache mit den Mitarbeitergesprächen
Weitere wertvolle Instrumente ausser Wettbewerb wären im Bereich des Qualitätsmanagements Mitarbeitergespräche und Stundenbesuche. Für eine einigermassen objektive Erfassung der Unterrichtsqualität einer Lehrkraft notwendig wären über einen längeren Zeitraum tägliche oder zumindest wöchentliche Stundenbesuche mit anschliessender Besprechung. Damit wäre auch eine nachhaltige Wirkung der Gespräche im Sinne einer gegebenenfalls notwendigen Qualitätsverbesserung gewährleistet. Doch für eine solche Handhabung dieser Instrumente steht den Schulleitungen schlicht zu wenig Zeit zur Verfügung, da sie sich um viele andere Aufgaben kümmern müssen, beispielsweise um Schulentwicklung.
„Veränderungen im Bildungswesen geschehen nämlich fast ausschliesslich top-down.“
Ein echtes Qualitätsmanagement wird aber ebenso erschwert durch das Fehlen des in der Definition erwähnten Mitwirkens aller Mitarbeitenden. Veränderungen im Bildungswesen geschehen nämlich fast ausschliesslich top-down. Der Lehrplan21 beispielsweise war seitens der damaligen Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz längst auf Kompetenzen fokussiert, bevor Lehrkräfte für die Lehrplanarbeiten eingespannt wurden. Der grundsätzliche Fokus auf Kompetenzen war ihrerseits nicht in Frage zu stellen. Hier handelt es sich nicht um Mitwirkung, sondern um den Schein einer solchen zur Scheinlegitimation des Lehrplans durch Lehrkräfte, die sich dazu instrumentalisieren liessen, ohne sich dessen gewahr zu sein.
„Der diesbezügliche Irrglaube besteht darin, Qualität liesse sich durch deren Thematisierung mittels Worthülsen verbessern.“
Qualitätsmanagement im Schulbetrieb erscheint auf dem geschilderten Hintergrund als leere Worthülse. Sie wird u.a. immer dann bemüht, wenn aufgrund verfehlter Reformen die Unterrichtsqualität und Stoffvermittlung beeinträchtigt werden. Der diesbezügliche Irrglaube besteht darin, Qualität liesse sich durch deren Thematisierung mittels Worthülsen verbessern. Ein weiterer Irrtum in Bezug auf den Schulbetrieb bezieht sich auf die Bedeutung von Lehrplänen.
[1] https://www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/qualitaetsmanagement
Die Frage, ob Schulen Dienstleistungsbetriebe seien, beantwortet der Soziologe Heinz Bude mit einem klaren Nein: Dienstleistungsbetriebe seien Organisationen, Bildungssysteme hingegen Institutionen. Organisationen werden nach ihrem Output mit Zielzahlen beurteilt, Institutionen nach der Übereinstimmung mit ihrem Sinn. Wobei für Bude der Sinn von Schulen in der widersprüchlichen Aufgabe besteht, das Individuum in seiner Entwicklung zu fördern und es gleichzeitig an die Anforderungen der Gesellschaft anzupassen. Werden Institutionen wie Organisationen behandelt, entscheiden nicht mehr die Ausführenden vor Ort (die Lehrkräfte), sondern Testauswerter, die Kennzahlen überprüfen (Testinstitute). «Den Lehrerinnen und Lehrern drängt sich der Eindruck auf, dass die Regie der Reform nach aussen verlagert worden ist und sie selbst zu Ausführenden von Programmen degradiert worden sind.»
vgl. Heinz Bude Bildungspanik Was unsere Gesellschaft spaltet München 2011
Was bedeutet dies für das Qualitätsmanagement?
Es bedeutet, dass Zielsetzungen wie z.B. «Umstellung auf die Methode Schreiben nach Gehör», «Einsatz des digitalen Programms Mindsteps», «Denkenlernen durch das Programmieren des Roboters», «Umsetzung der Mehrsprachigkeitsdidaktik» grundlegend falsche Qualitätsmarken setzen. Denn solche Vorgaben reduzieren den Unterricht auf das Absolvieren von Programmen ohne Rücksicht auf den Sinn der unterrichtlichen Tätigkeit, die in der Förderung unterschiedlicher Kinder und Jugendlicher besteht. Eine Qualitätsmarke müsste vielmehr sein, inwiefern es einer Lehrperson gelingt, mit einem geeigneten Repertoire an vielerlei methodischen Möglichkeiten Lernende zu fördern und auf Anforderungen vorzubereiten. Gerade nicht das Einschwören auf Programme, sondern das freie und geschickte Handhaben von unterrichtlichen Möglichkeiten je nach Unterrichtsziel müsste das Qualitätskriterium sein.