14. März 2025

Es braucht eine zeitgemässe Förderung

Dieter Baur und Doris Ilg, leitende Beamte des Erziehungsdepartements der Stadt Basel, haben den Artikel von Roland Stark und Riccardo Bonfranchi (Abschaffung der Kleinklassen – ein bildungspolitischer Irrweg, 11. Dez. 2019) nicht goutiert. In der BAZ ist ihre Antwort erschienen, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.

Dieter Baur, Leiter Volksschulen, Erziehungsde-partement der Stadt Basel
Doris Ilg, Stellverterin Leitung Volksschulen des Erziehungs-departements der Stadt Basel

Die integrative Schule lebt. Sie lebt durch das tägliche riesige Engagement unserer Lehr- und Fachpersonen und unserer Schulleitungen. Sie lebt auch dadurch, dass sie sich ständig neuen Herausforderungen anpasst. Diese Aufgabe ist äusserst anspruchsvoll. Die Volksschule hat den Auftrag, die Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu erfüllen. Unsere Klassen sind meist sehr heterogen zusammengesetzt. Die Kinder und Jugendlichen bringen ganz unterschiedliche Erfahrungen mit in die Schule, sind nicht alle gleich weit in ihrer Entwicklung, haben unterschiedliche familiäre Hintergründe und nicht dieselben Lernvoraussetzungen.

Die Schule muss den gesellschaftlichen Wandel mitgehen

Das war schon früher so und ist es heute deutlich ausgeprägter. Die Volksschule kann nicht für jedes einzelne Kind zu jedem Zeitpunkt die perfekte Lösung anbieten. Sie bietet aber für alle Schülerinnen und Schüler ausgezeichnete förder- und leistungsorientierte Angebote, seien diese separativ oder integrativ. Die Volksschule muss den gesellschaftlichen Wandel mitgehen. Sie braucht immer wieder Lösungen für neue Herausforderungen wie etwa die deutliche Zunahme von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten oder mit Autismus. Sie braucht Lösungen für die Kinder und Jugendlichen, sie braucht aber auch genügend Ressourcen für die Lehrerinnen und Lehrer, damit sie ihren höchst anspruchsvollen Job jeden Tag aufs Neue meistern können.

Es gibt keinen Zwang zur Integration

Die Volksschule in Basel ist eine integrative Schule, soweit dies im jeweiligen Fall sinnvoll und möglich ist. Es gibt aber keinen Zwang zur Integration. Unseren Schülerinnen und Schülern stehen sowohl integrative als auch separative Angebote zur Verfügung. Denn es gibt in der Tat Situationen, in denen ein Kind in einem separativen Angebot besser lernen kann und sich wohler fühlt als in einer Regelklasse.

Kleinklassen sind keine zeitgemässe Lösung

Es gibt auch Situationen, in denen ein Kind mit einer massiven Verhaltensauffälligkeit den Unterricht in einer Regelklasse stört oder gar verunmöglicht. Auch in diesem Fall ist ein separatives Angebot sinnvoll. Kleinklassen, wie es sie früher gab, sind dafür aber keine zeitgemässe Lösung. Gegen Ende ihres Bestehens konnten die Kleinklassen schon damals nicht mehr angemessen auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen reagieren. Denn die Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler in den Kleinklassen hatte sich deutlich verändert. Zusehends intensivere Förderung in noch kleineren Klassen wurde nötig und wurde von den Lehrpersonen auch eingefordert. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt.

Verbesserte personelle Ausstattung

Fakt ist aber: Basel-Stadt führt nach wie vor speziell kleine Klassen mit einer gegenüber den früheren Kleinklassen sehr stark verbesserten personellen Ausstattung. Es sind die Klassen der sogenannten Spezialangebote. Die Spezialangebote sind als separatives Angebot an verschiedenen Schulstandorten und für alle Schulstufen in der Volksschule ein wichtiger Teil der integrativen Schule. Sie entsprechen den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft. Wir entwickeln die Spezialangebote laufend weiter. Dasselbe tun wir mit den vielen integrativen Förderangeboten. Ein Zurück in frühere, oft auch leicht glorifizierte Zeiten wäre ein massiver Rückschritt. Das wollen wir nicht.

Die Gesellschaft entwickelt sich rasch und stetig. Dasselbe gilt für unsere Schülerinnen und Schüler. Die Schule hat die spannende, aber anspruchsvolle Aufgabe, mit all diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Lassen Sie uns unsere integrativen und separativen Lösungen weiterentwickeln. Lassen Sie uns mit einer etablierten und zeitgemässen Vorgehensweise die bestmögliche Förderung für unsere Kinder und Jugendlichen finden und umsetzen. Unsere Lehrerinnen und Lehrer setzen sich mit grossem Engagement und Wissen mit immer komplexer werdenden Beeinträchtigungen und Ansprüchen auseinander. Sie geben dabei täglich ihr Bestes. Dafür gebührt ihnen grosser Respekt. Unsere Anerkennung hilft ihnen mehr als der rückwärtsgerichtete Blick in vergangene Zeiten. Es braucht eine zeitgemässe Förderung. Kleinklassen werden den gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen nicht gerecht.

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Der Esel und der Kluge – über die (un)heimliche Macht minoritärer Sturheit

In den Debatten um die grassierende Woke-Kultur fällt immer wieder auf, welche grosse Macht kleine Minderheiten auf Mehrheiten auszuüben vermögen. Oft geben die vielen den wenigen um des lieben Friedens willen nach. Wie lange kann das gutgehen? Von Eduard Käser, Autor der reformkritischen Broschüre “Einspruch”, durfte man schon mehrere Gastbeiträge lesen.

Dr. Gerald Lembke: Digitales Lernen – Risiken und Chancen

Dr. Gerald Lembke, Professor für Digitale Medien und Medienmanagement. Studium der Wirtschaftspädagogik und der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Oldenburg, Niedersachsen. Er ist der Querdenker in seiner Branche. In seinem Buch “Die Lüge der digitalen Bildung” erteilt er der von Politik, Wirtschaft und Medien propagierten digitalen Hype eine klare Absage. “Wir brauchen bessere pädgogische Konzepte statt […]

Ein Kommentar

  1. Die schulische Integration der Benachteiligten bietet grosse Probleme. Roland Stark und Riccardo Bonfranchi haben die gravierenden Nachteile jüngst aufgelistet und eine bessere Betreuung in Kleinklassen gefordert. Darauf reagieren nun ED-Verantwortliche mit süffisantem Wohlfühlgesülze: Integration ist zwar anspruchsvoll, aber alles ist gut, grossartige Arbeit wird geleistet. Vor allem ist Integration «zeitgemäss». «Zeitgemäss» ist es, wenn immer mehr engagierte Lehrpersonen vor Überforderung ins Burnout abgleiten, Kinder in Besenkämmerchen sonderbeschult werden, stundenweise Heilpädagoginnen eingeflogen werden, wenn sie nicht gerade wegen «Weiterbildungen» unabkömmlich sind, Klassen im Tumult mit Kopfhörern arbeiten müssen, Bezugspersonen ständig wechseln, ADHS-Geplagte randalieren und andere am Lernen hindern. Was will man? Es ist halt «zeitgemäss»! Wann endlich greift der Souverän ein und beendet diese Misere?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert