23. Dezember 2024

20 Jahre Bologna: Brisante Aussagen eines Basler Professors in der NZZ

Bruno Frey ist ständiger Gastprofessor an der Universität Basel. In der NZZ (30.9.2019) zog er ein ernüchterndes Fazit anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der umstrittenen Hochschulreform. Condorcet-Autor Alain Pichard fasst zusammen.

Staatssekretär Kleiber
Bild: 20 Minuten

Sie erinnern sich: Vor 20 Jahren unterzeichnete Staatssekretär Charles Kleiber im Auftrag des Bundesrates in Bologna die als Hochschulreform bekannten Bologna-Verträge. Als Bologna-Prozess wird eine auf europaweite Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen sowie auf internationale Mobilität der Studierenden zielende transnationale Hochschulreform bezeichnet, die auf die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums gerichtet ist.

«Kein Akademiker wollte die Bologna-Reform wirklich», sagt Antonio Loprieno. Er war bis 2015 Präsident der Schweizer Hochschulrektorenkonferenz. Die Schweizer Universitäten waren von Anfang an in Aufruhr, als sich der europäische Hochschulraum abzeichnete.

«Kein Akademiker wollte die Bologna-Reform wirklich» Antonio Loprieno

Die Unterzeichnung erfolgte ohne Zustimmung des Parlaments oder gar einer Volksabstimmung. Wesentliche Elemente des gemeinten Konvergenzprozesses sind ein zweistufiges System berufsqualifizierender Studienabschlüsse (typischerweise in der Form von Bachelor und Master) und die durchgängige Etablierung des European Credit Transfer System (ECTS). (Wikipedia)

Ziele wurden nicht erreicht

Menschen sollten jünger in den Arbeitsmarkt, Absolventen sollten «arbeitsmarktfähiger» werden, die Bildungskosten sollten sinken. Unter anderem diese Ziele setzte sich die Schweiz, als sie 2001 begann, die Bologna-Reform in ihren Hochschulen einzuführen. Sie sind allesamt nicht erreicht.

  1. Das Alter der Universitäts-Absolventen bewegt sich, wie eh und je, um die 27 Jahre. Auch an Fachhochschulen ist das Alter nur geringfügig gesunken: von 26,8 Jahre im Jahr 2001 auf 26,6 Jahre im Jahr 2015.
  2. Absolventen von Universitäten werden von Konzernen nicht als praxisnah wahrgenommen, vor allem nicht die Bachelor-Absolventen. Eine Anfrage von «ECO» bei Swisscom, Roche, ABB und Zurich Versicherung zeigt: Erst die Praxiserfahrung macht Absolventen interessant (s. unten).
  3. Die Bildungsausgaben pro Person in der Schweiz sind fast um die Hälfte gestiegen. In der Tertiärstufe fallen durchschnittlich 31 000 Franken pro Kopf an. (Info “ECO” srf)

Abgesehen davon, dass das Humboldtsche Ideal des Forschens und Lernens der verschulten angelsächsischen Ausbildung geopfert wurde, zeigt auch Professor Bruno Frey (NZZ 31.8.19) auf, dass man auch die anderen Ziele verfehlt hat.

Frey: «An Universitäten und Fachhochschulen schaffen heute rund 60 Prozent der Studierenden ihre Ausbildung bis zum B. A. Zuvor (1975–2001) schlossen 70 Prozent mit einem Lizenziat oder Diplom ab. Beim M. A. beträgt die Abbruchquote 8 Prozent. In dieser Hinsicht ist der Erfolg der Bologna-Reform eher bescheiden.»

In Wahrheit, so Frey weiter, würden sich die heutigen Studenten an Schweizer Universitäten aber wie jene der Vor-Bologna-Ära verhalten. Sie schliessen in 9 von 10 Fällen einem Bachelor einen Master an. Sie verbleiben zu 75 Prozent an derselben Universität. Und zwei Drittel von ihnen macht in demselben Fach weiter.

Die Studienzeit habe sich entgegen der Absicht von Bologna sogar verlängert. Die internationale Mobilität wurde zwar von 16% (2002) auf 21% gesteigert, was aber mehr am Erasmusprogramm gelegen habe, bei denen ein Studierender je nach Zielland zwischen 380 und 440 Fr. pro Monat erhält.

Der verantwortliche Bundesrat Couchepin und sein Staatssekretär Kleiber sind mittlerweile in Pension gegangen.

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