
Mathias Müller
Als ich im Bieler Tagblatt das Votum des Lehrers in Pieterlen las, empfand ich zunächst Bewunderung für diesen Mann. Da traute sich einer mit offenem Namen, aber in sorgfältig gewählten Worten, einen Entscheid seiner Vorgesetzten öffentlich zu kritisieren. Er hätte dies – wie üblich – auch anonym platzieren können.
Was bewog ihn zu diesem Schritt? Dieser Lehrer wurde zu Schuljahresbeginn von der inzwischen abgesetzten Schulleiterin angeworben, weil er neben einem guten pädagogischen Ruf auch eine Ausbildung hatte, was bei der Mehrheit der Lehrkräfte in diesem Zyklus nicht der Fall ist. Er sah Pieterlen als Herausforderung und vertraute den Änderungen, die im letzten Jahr durch die Schulleiterin eingeführt worden waren: Abbau der Administration, weniger Sitzungen, Partizipation der Lehrkräfte und maximale pädagogische Freiheiten. Er konnte nicht glauben, dass man nun seine Vorgesetzte unter mysteriösen Umständen von ihren Aufgaben entband. Mit den Lehrkräften redeten die Verantwortlichen überhaupt nicht.
Ich reibe mir die Augen: Früher setzten sich die Lehrerverbände und die Gewerkschaften für Meinungsfreiheit ein, heute verteidigen sie die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber.
Früher galt das Primat der Pädagogik und die Qualität des Unterrichts, heute gilt das Primat der Hierarchie.
Früher wurden Lehrkräfte nur dann mitten aus dem Unterricht geholt (ohne sich von den Kindern verabschieden zu dürfen), wenn sie sich eines schwerwiegenden sexuellen Übergriffs schuldig gemacht hatten. Heute reicht eine harmlose Meldung an die Presse, um solche Methoden zu rechtfertigen.

Früher galt das Primat der Pädagogik und die Qualität des Unterrichts, heute gilt das Primat der Hierarchie. Der Lehrer, den die gebeutelten Eltern schätzten, wurde den Kindern mitten in den Übertrittsgesprächen entrissen und durch zwei junge unerfahrene Lehrkräfte ersetzt, von denen einer keine Ausbildung besitzt.
Früher kämpfte die Linke für Mitbestimmung der Mitarbeiter. Heute sind Loyalität und Kadavergehorsam gefragt. Denn die Lehrkräfte wurden bis heute nicht informiert, was die genauen Gründe für die Absetzung der Schulleiterin waren, deren Professionalität stets in höchsten Tönen gelobt wurde.
Daniel Weibel ist kein Staatsdiener, er ist öffentlich-rechtlicher Angestellter. Seine Loyalität galt nicht nur den Anstellungsbehörden, sondern auch den Eltern und Kindern, die er unterrichtete. Er geriet dadurch in ein Dilemma – und hat sich für das Richtige entschieden.
Oriana Pardini

Kritik ist das Salz der Demokratie. Sie brennt manchmal auf der Zunge, ist unbequem, aber ohne sie schmeckt das Ganze nach nichts. Wer Kritik mundtot macht, statt sich mit ihr auseinanderzusetzen, untergräbt die Grundprinzipien unseres Zusammenlebens. Und gerade in der Schule, wo Kinder lernen sollen, wie Demokratie funktioniert, dürfte das nie passieren.
Doch genau das geschieht in Pieterlen. Seit Monaten brodelt es im «Türmlischulhaus». Nicht wegen schwieriger Jugendlicher, sondern wegen etwas Grundlegendem: Vertrauen fehlt. Dieses Vertrauen ist zerbrochen, der Fall des Lehrers Daniel Weibel zeigt es drastisch. Der 61-jährige erfahrene Pädagoge, erst im Sommer geholt, um nach vielen Abgängen Stabilität zu bringen, wurde innerhalb weniger Stunden freigestellt. Er musste sein Pult räumen, begleitet von Behördenvertretern, selbst der Abschied von seiner Klasse wurde ihm untersagt.
Weibel hatte sich zuvor kritisch zur Schulführung geäussert, offen und mit Namen. Er sprach von einer Atmosphäre, in der «öpis chroset». Das war Zivilcourage und wurde von der Schulbehörde behandelt wie ein schwerwiegender Fehltritt: «Sie sind sofort gefeuert!»
Für die Kinder ist das fatal. Die 6. Klasse steht vor den Übertrittsgesprächen und wird nun nicht von ihrem Lehrer beurteilt, der sie kennt, sondern von zwei neuen Personen. Pädagogisch ein Desaster.
Pieterlen braucht dringend wieder eine Prise Demokratie oder besser noch, ein paar kräftige Löffel davon!
Mit dem Abgang Weibels steht Pieterlen praktisch ohne ausgebildete Kräfte da. Vertrauen in die Schulleitung? Weg. Wer auf der Strecke bleibt, sind die betroffenen Kinder, um deren Wohl es eigentlich gehen müsste.
Das Signal, dass jene, die Kritik äussern und schwierige Themen anpacken wollen, plötzlich zum Problem werden, ist fatal. Eine demokratische und lösungsorientierte Gemeinschaft lebt vom Gegenteil. Gefährlich sind nicht die Menschen, die Missstände benennen, sondern jene, die sie vertuschen und Kritik zum Schweigen bringen.
Pieterlen braucht dringend wieder eine Prise Demokratie oder besser noch, ein paar kräftige Löffel davon!

