Politdebatte im Grossen Rat

Gibt es die politisch neutrale Schule?

Eine interessante Debatte gab es letzte Woche im bernischen Grossen Rat. Wie weit darf politischer Unterricht gehen? Wie soll die politische Neutralität der Schule durchgesetzt werden? Hintergrund waren natürlich die Besetzungen der Universität Bern, welche das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen kritisierten. Wir zeigen hier zwei Ausschnitte aus der Ratsdebatte, an der auch Condorcet-Autor Alain Pichard mitwirkte.

Einen speziellen Showdown gab es vergangene Woche im bernischen Kantonalsparlament. Dort wurde nämlich die Motion von Grossrat Mathias Müller (SVP) diskutiert, der in seiner Motion die Einhaltung des Neutralitätsgebots der Schulen und Universitäten forderte. Er verlangte von der Regierung, dass sie

1. sich zur politischen Neutralität der Bildungseinrichtungen bekennt und dafür sorgt, dass diese jederzeit gewährleistet ist;
2. das Seine dazu beiträgt, Besetzungen, Bestreikungen u. ä. von kantonalen Bildungseinrichtungen sofort aufzulösen, keine politischen Transparente, Flyer etc. auf dem Gelände der Bildungseinrichtungen mehr zu tolerieren sowie die Leitungen der kommunalen Volkschulen
daran zu erinnern, dass der Unterricht gemäss Kantonsverfassung politisch neutral zu erfolgen hat;
3. dem politisch neutralen Staatskundeunterricht an Bildungseinrichtungen aller Stufen wieder die Bedeutung zumisst, die bereits 2019 vom Grossen Rat mit der Überweisung der Motion 106-2019 (2019.RRGR.126) «Kein Demozwang an Volksschulen – politische Neutralität
der Schule wieder durchsetzen!» von Grossrat Krähenbühl verlangt und von der Regierung auch versprochen wurde.

Dem widersprach Condorcet-Autor Alain Pichard, der die politische Neutralität an den Schulen für eine Chimäre hält und stattdessen an den Bildungsauftrag erinnerte. Es folgte ein interessanter Schlagabtausch, den wir Ihnen hier im Bild und Ton nachliefern. Pikant: Mathias Müller und Alain Pichard sind Freunde und sitzen zusammen im Vorstand der Gesellschaft Schweiz-Israel.

Die Auseinandersetzung endete mit einem 3-0 für Müller. Die Motion wurde in allen Punkten überwiesen.

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Ein Kommentar

  1. Der Begriff “neutral” ist letztlich unklar. Heisst das, strittige und explosive Themen dürfen gar nicht behandelt, bzw. diskutiert werden, damit man auf der sicheren Seite, d.h. unangreifbar ist? Heisst es, die Lehrpersonen dürfen ihre Meinung dazu nicht äussern? Oder: Die Argumente beider Seiten dürfen nicht dargelegt werden? Heisst es: Kinder und Jugendliche dürfen nicht pointiert für oder gegen etwas Stellung nehmen, ihre Meinung im Schulhaus oder medial veröffentlichen? Wird von der Schulleitung eine einzunehmende Haltung verfügt, die offiziell ausgegeben werden muss? Wo genau ist die Grenzlinie, wann eine Stellungnahme nicht mehr “neutral” ist und wer entscheidet? Fliesst die Bewertung “neutral” in die Kompetenzbeurteilung, die Notengebung im politischen Unterricht ein? Im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg erleben wir gerade, wie kontrovers und verkrampft die “neutrale” Haltung der Schweiz diskutiert wird.
    Ich plädiere deshalb für eine Konkretisierung des Begriffes “neutral”, etwa so: Ausreichende Hintergrundinformation über Konflikte und Sachfragen, ausgewogene Darstellung der Argumente beteiligter Gruppen mit Faktencheck, Diskussion und Freiheit zur eigenen begründeten Meinungsbildung. Falls dies mit “neutral” gemeint sein sollte, einverstanden.

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