30. Dezember 2024
Marina Weisband über die Erfolge der AfD bei jungen Wählerinnen und Wählern

“Wir brauchen einen Wandel der Schulkultur”

Was läuft schief bei der politischen Bildung in Deutschland? Offensichtlich eine Menge: In Thüringen erreicht die AfD mit 36 Prozent die meisten Stimmen bei den 18- bis 24-Jährigen und ist damit stärkste Kraft in dieser Altersgruppe – in Sachsen liegt sie bei den Jungwählerinnen und Jungwählern bei 30 Prozent. Wir sprachen mit der Psychologin und Ex-Piraten-Politikerin Marina Weisband, die sich für das Demokratieprojekt “aula” engagiert, über ihre Schlussfolgerungen aus den Landtagswahlen. Der Artikel wurde auf dem Portal News4teachers publiziert. Laura Millmann, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.

News4teachers: Gestern fanden die Wahlen in Sachsen und Thüringen statt. Was haben Sie gedacht, als Sie das Ergebnis gesehen haben?

Marina Weisband: Ich war schockiert, aber nicht überrascht, als ich das Wahlverhalten der jungen Wählerinnen und Wähler gesehen habe. Ich unterhalte mich ja sehr viel mit Jugendlichen. Ich schaue die einschlägigen Kanäle, schaue junge Influencer*innen. Und dieses Gefühl von “eigentlich interessiert sich keiner für uns”, ist durchaus universell und besonders schlimm seit Covid. Natürlich gibt es immer auch Unterschiede, aber ich glaube, dieses Gefühl ist schon das einigende Element dieser Generation.

Gastautorin Laura Millmann, Agentur für Bildungsjournalismus

Die Jugendlichen sind heute einfach desillusionierter. Während meines Aufwachsens oder auch in der Generation vor mir, konnte man noch davon ausgehen, dass die Dinge immer besser werden, dass man es wahrscheinlich besser haben wird als die Eltern. Den Glauben daran, dass man nur hart arbeiten muss, um sich ein Vermögen aufzubauen und die Chance auf ein gutes Leben zu haben, den gab es noch. Und ich glaube, diese Illusionen macht sich heute keiner mehr. Es hängt nicht von deiner Arbeit ab, sondern größtenteils davon, wie viel Geld deine Eltern haben. Das ist frustrierend.

News4teachers: Diese tief empfundene Ohnmacht beschreiben Sie auch in Ihrem neuen Buch “Die neue Schule der Demokratie”. Die Frage ist jetzt natürlich: Was kann man dagegen tun? Und auch: Wer kann etwas dagegen tun?

Weisband: Das Gute ist, dass jede einzelne Ebene etwas dagegen tun kann. Buchstäblich jede einzelne. Das sind die Jugendlichen selbst, indem sie sich stärker einsetzen, zum Beispiel kommunal für ihre Nachbarschaft. Denn dieses Gefühl von Ohnmacht hat ja etwas mit Ownership zu tun. Also entweder ich fühle mich als Opfer oder lediglich als Konsument, der an seiner Umwelt nichts ändern kann. Oder ich fühle mich als Gestalter. Und dieses Gefühl, ein Gestalter zu sein, beginnt im ganz Kleinen. Etwas verändern können aber auch Lehrer*innen, indem sie einerseits mehr mit ihren Schüler*innen darüber sprechen, wie es ihnen geht, also ihnen zuhören, sich für sie interessieren. Und indem sie ihnen darüber hinaus auch die Chancen auf Selbstwirksamkeitserfahrungen geben, sie Beteiligung zulassen. Jetzt weiß ich natürlich, dass in Schule die Ressource Zeit am knappsten ist. Und das ist wiederum etwas, wo die Politik ganz, ganz viel tun kann.

News4teachers: Was genau sollte die Politik tun?

Weisband: Wir haben eine massive Überfrachtung von Schule mit Prüfungen und Curricula. Und zwar Prüfungen, die am Ende des Tages zu sehr großen Teilen niemand braucht, weil sie überhaupt nicht akkurat Lernstand messen. Das ist auch schon seit vielen Jahren bekannt, aber es wird nichts daran geändert. Das heißt, eigentlich treiben wir Schüler*innen und Lehrer*innen völlig unnötig in den Burnout und verschwenden wertvolle Zeit während des Aufwachsens, in der sich Jugendliche eigentlich ganz viel mit Persönlichkeitsbildung auseinandersetzen müssten und mit ihrer eigenen Neugier, mit ihren Gefühlen und sozialen Verhältnissen.

Wir brauchen einfach in Schule mehr Raum zum Atmen, sowohl für die Lehrenden als auch für die Schüler*innen.

 

Ich will nicht sagen, dass Mathe nicht wichtig sei. Das ist super wichtig. Aber es ist nicht super wichtig, Formeln auswendig zu lernen und unter Stress wiederzugeben und danach sofort zu vergessen. Wir brauchen einfach in Schule mehr Raum zum Atmen, sowohl für die Lehrenden als auch für die Schüler*innen. Denn wenn wir ein bisschen mehr Entspannung in dieses System reinbringen – zum Beispiel durch multiprofessionelle Teams oder durch Verwaltungsfachkräfte, die die Lehrkräfte entlasten – dann ist das ein System, in dem alle Heranwachsenden aufeinandertreffen und wo sie die Möglichkeit haben, sich selbst und ihre Stellung in der Gesellschaft zu reflektieren.

Psychologin und Ex-Piraten-Politikerin Marina Weisband: “Dieses Gefühl von ‘eigentlich interessiert sich keiner für uns’, ist durchaus universell und besonders schlimm seit Covid.”

News4teachers: Das heißt, es geht Ihnen nicht darum, mehr Platz im Stundenplan für das Fach Politik oder Sozialkunde oder ähnliches zu schaffen, sondern Demokratiebildung ganzheitlicher umzusetzen?

Weisband: Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Denn wir neigen dazu, nach neuen Schulfächern zu schreien, sobald irgendetwas nicht passt. Und das ist Quatsch. Meine eigene Heranführung an Demokratie fand damals im Fach Politik statt und es war ein Organigramm, mit dem ich gelernt habe, wie der Bundestag, der Bundesrat und der Bundespräsident zusammenhängen. Es war absolut für die Katz. Ich hatte keinerlei Bezug dazu. Das hat mich überhaupt nicht betroffen.

Wir brauchen einen Wandel der Schulkultur hin zu mehr Mitbestimmung, hin zu mehr Verantwortung der Jugendlichen, im Maße ihrer Fähigkeiten.

 

Ich glaube, das wichtigste Element, der Kern der Demokratie, ist das Selbstverständnis des Bürgers, der Bürgerin. Nämlich: “Ich bin hier nicht zu Besuch. Ich bin hier nicht zum Konsumieren, sondern ich bin Teil des Ganzen. Das sind meine Interessen. Das ist mein Land. Das ist meine Gesellschaft. Ich trage Verantwortung für mich und andere.” Diese Art von Rollenbild sozialisiert man. Wenn ich also jeden Morgen in eine Institution gezwungen werde, die mir Regeln vorgibt, die mir alle 45 Minuten vorgibt, worauf ich meine Neugier zu konzentrieren habe, die mir vorgibt, wann ich Hunger zu haben habe, und in der ich fast keine eigenständigen Entscheidungen treffen kann, dann bleibt doch genau das hängen: “Ich bin hauptsächlich Besucher oder Konsument. Und ich kann nichts dagegen tun.” Wir brauchen also einen Wandel der Schulkultur hin zu mehr Mitbestimmung, hin zu mehr Verantwortung der Jugendlichen, im Maße ihrer Fähigkeiten.

News4teachers: Das, was sie ansprechen, bezieht sich ja größtenteils auf das Schulsystem als Ganzes. Aber das kann ja Jahre dauern, bis sich das grundlegend ändert. Wenn wir jetzt auf die einzelne Schule schauen, was könnte sich denn dort schon jetzt ändern?

Weisband: Ich glaube, Schulen und Lehrer*innen haben mehr Freiräume, als sie denken. Und die kann man nutzen. Und wir alle können daran arbeiten, das System zu ändern, wir müssen nicht darauf warten, bis irgendwelche Ministerien irgendwelche Beschlüsse treffen. Klar, es gibt Gesetze, die bestimmte Dinge erleichtern oder erschweren. Und im Moment ist die Gesetzeslage eher so, dass sie Dinge erschwert. Aber am Ende des Tages sind wir alle Schulkultur. Seit zehn Jahren mache ich jetzt das Projekt “aula”. Das ist ein Beteiligungsprojekt, das ich ins Leben gerufen habe, und dafür gehe ich an Schulen. Inzwischen arbeiten wir mit etwa 50 Schulen bundesweit zusammen und wir verändern Schulkultur vor Ort, weil wir Jugendlichen verbindlich mehr Mitbestimmung erlauben. Und man braucht auf niemanden zu warten.

News4teachers: Können Sie das “aula”-Projekt noch etwas genauer beschreiben?

Weisband: Bei “aula” geht es darum, Beteiligungsverfahren an Schulen zu stärken. Zu Beginn steht ein Vertrag, in dem die Möglichkeiten und Grenzen der Beteiligung festgehalten werden. Dann können Schüler*innen Ideen auf einer digitalen Plattform einstellen, sie bearbeiten und diskutieren. Am Ende wird abgestimmt. Dabei ist ein Alleinstellungsmerkmal von “aula”, dass wir mithilfe dieser digitalen Plattform arbeiten. Das wird leider oft so missverstanden, dass wir irgendwie ein Digitalprojekt wären. Aber “aula” ist zunächst einmal ein Hilfsmittel, denn diese Plattform erleichtert es, Diskussionen mit der gesamten Schule zu führen und den demokratischen Prozess zu strukturieren.

Das ist nämlich sonst sehr schwierig. Ich müsste die Kinder ja buchstäblich in der physischen Aula versammeln, damit sie alle miteinander ins Gespräch kommen. Und diese Gespräche sind, glaube ich, der Kern – nicht die letztliche Abstimmung über einzelne Ideen. Der Kern ist, zu erkennen: “Ich habe ein Bedürfnis. Aber jemand anders hat ein Bedürfnis, das dem vielleicht widerstrebt. Und das müssen wir abwägen.” Und da kommen plötzlich ganz interessante Effekte zustande. Wir müssen in die Diskussion gehen. Wir müssen verschiedene Bedürfnisse vereinen, Kompromisse schließen, auch Bedürfnisse abwägen. Das geht bis zu Diskussionen um Minderheitenschutz.

News4teachers: Haben Sie dafür ein Beispiel?

Weisband: Ja. Das Thema Minderheitenschutz nimmt man normalerweise in der neunten Klasse durch. Es ist hoch theoretisch, schwer zu verstehen, mit juristischen Details. Wenn aber zum Beispiel in der fünften Klasse der Wunsch nach einem Klassentier, zum Beispiel einem Klassenhamster aufkommt, aber ein Mädchen allergisch ist, ist es eine ganz praktische Diskussion. Dann ist allen Kindern sofort intuitiv ersichtlich, dass ihr kollektiver Wunsch nach einem Haustier weniger wiegt als das einzelne Recht dieses Mädchens auf Gesundheit und Teilnahme am Unterricht. Das muss man nicht erklären. Das Einzige, was man dann sagen kann, ist: “Hey, was ihr jetzt gerade macht, das ist Minderheitenschutz.” Und solche Diskussionen, solche Erfahrungen, sollen durch “aula” zustande kommen. Schüler*innen sollen gemeinsam über Vorschläge diskutieren, Entscheidungen treffen, Regeln entwerfen und damit die Schule verändern. Stichwort Ownership.

Wir haben eine massive Überfrachtung von Schule mit Prüfungen und Curricula. Und zwar Prüfungen, die am Ende des Tages zu sehr großen Teilen niemand braucht, weil sie überhaupt nicht akkurat Lernstand messen. Das ist auch schon seit vielen Jahren bekannt, aber es wird nichts daran geändert.

 

News4teachers: Welche Rolle hat die Schulleitung, allgemein wenn es um demokratische Bildung geht und ganz konkret bei “aula”?

Weisband: Ich glaube, dass die Schulleitung eine der wichtigsten Rollen trägt, weil sie ja die Schulkultur massiv prägt. Und das Erste, was ich sagen muss, ist, dass man keine Selbstwirksamkeit vermitteln kann, wenn man selbst keine Selbstwirksamkeit spürt. Das bedeutet, die wichtigste Aufgabe der Schulleitung ist, schon den Lehrer*innen Freiheiten zu geben und sie zu ermutigen. Denn wenn ich versuche, autoritär von oben durchzuboxen, dass wir jetzt mehr Beteiligung machen, habe ich schon einen Zielkonflikt. Und ich glaube, die Angst davor, die Kontrolle zu verlieren, muss insgesamt an Schulen überwunden werden. Viel wertvoller ist es doch, gemeinsam etwas auszuprobieren und dabei auch mal Fehler zu machen, mit denen man dann wiederum umgehen muss.

News4teachers: So wie ich es verstanden habe, dürfen die Schüler*innen bei “aula” aber auch nicht alles machen, was sie wollen. Sie müssen sich beispielsweise an Schulgesetze halten.

Weisband: Genau. Und die Rolle der Schulleitung ist es, die Ideen, die bei “aula” bereit für die Abstimmung sind, nochmal zu prüfen und zu schauen, ob sie mit den Gesetzen und dem Vertrag, den die ganze Schulgemeinschaft zu Beginn geschlossen hat, vereinbar ist. Die Schulleitung muss sich also immer fragen: “Wäre es theoretisch umsetzbar, auch wenn ich persönlich dagegen bin?” Und erst dann gehen die Ideen in die finale Abstimmung. Das ist wichtig, damit wir keine Pseudo-Beteiligung haben. Denn das wäre der Worst Case. Die Schüler*innen debattieren, diskutieren und wägen ab, einigen sich und finden eine Mehrheit dafür. Und dann kommt von oben: “Nö. Machen wir aber trotzdem nicht, weil ich das nicht will.” Das ist extrem frustrierend und das verstärkt die erlernte Hilflosigkeit. Das ist das Gegenteil von Selbstwirksamkeit. 

News4teachers: Wir haben jetzt schon ganz viele Facetten angesprochen, aber können Sie noch einmal komprimiert zusammenfassen, was gute, demokratische Bildung ausmacht?

Weisband: Gute demokratische Bildung setzt nicht bei Symptomen an, wie Wählen-Gehen oder Tolerant-Sein oder ähnliches. Gute demokratische Bildung setzt beim Kernverständnis an: “Wer bin ich in der Gesellschaft?” Gute demokratische Bildung ist die Übung von Verantwortung und Gestaltungsmacht.

Wie wir jetzt mit den jungen Menschen umgehen, so werden sie später mit der gesamten Gesellschaft umgehen.

News4teachers: Und wenn das gelingt, bekommt man Kinder und Jugendliche, die das in die Gesellschaft hineintragen?

Weisband: Erst einmal tragen die Kinder und Jugendlichen das in ihre Familien, weil sie gelernt haben zu diskutieren. Sie haben gelernt, ihre Bedürfnisse überhaupt erst einmal wahrzunehmen. Das ist ja das Geniale am “aula”-Projekt und an allen Beteiligungsprozessen, die Schüler-Ideen aufgreifen. Man muss ja, um eine Idee zu entwickeln, erstmal die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen. Das heißt, die Kinder lernen, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und sie zu artikulieren. Und das machen sie plötzlich auch in der Familie. Und sie lernen auch, fremde Bedürfnisse zu sehen. Und dann werden sie erwachsen und gehen an die Arbeitsplätze und tragen diese Kultur auch dort hinein. Und irgendwann übernehmen sie vielleicht Personalverantwortung. Und das ist das wunderschöne an unserem Beruf, nicht wahr?

Gute demokratische Bildung setzt beim Kernverständnis an: “Wer bin ich in der Gesellschaft?” Gute demokratische Bildung ist die Übung von Verantwortung und Gestaltungsmacht.

 

Wie wir jetzt mit den jungen Menschen umgehen, so werden sie später mit der gesamten Gesellschaft umgehen. Das heißt, eigentlich kann ich als Schulleitung oder als Lehrerin jeden Morgen aufstehen und denken: “Ich sitze hier an einem wirklich langen Hebel. Ich kann heute jungen Menschen in die Augen schauen und sie als verantwortungsvolle, rationale Individuen ansprechen. Weil sie sich auch so verhalten werden.”

News4teachers: Sie haben ein neues Buch zu diesem Thema geschrieben: “Die neue Schule der Demokratie”. An wen richtet sich dieses Buch?

Weisband: Ich hatte zwei Zielgruppen im Kopf. Das eine sind alle Menschen, die irgendwie mit Bildung zu tun haben. Weil ich versucht habe, entlang am “aula”-Projekt und an meinen Erfahrungen allgemeine Kriterien dafür abzuleiten, wie gute demokratische Bildung funktioniert. Also was sind da die Faktoren, die man beachten muss, damit es nicht zur Pseudo-Beteiligung kommt? Und die andere Zielgruppe sind generell alle Menschen, auch außerhalb von Bildung, die gerade das Gefühl haben: “Unsere Demokratie entgleitet uns und wir können überhaupt nichts tun.” Denn ich habe in diesem Buch viele Ideen gesammelt, was wir ganz praktisch tun können – und zwar auch außerhalb des Bildungssektors, als ganz normale Person.

“Ich sitze hier an einem wirklich langen Hebel. Ich kann heute jungen Menschen in die Augen schauen und sie als verantwortungsvolle, rationale Individuen ansprechen. Weil sie sich auch so verhalten werden.”

 

Jeder und jede kann die eigene Kommune prägen, den eigenen Nachbarn helfen, direkte Hilfe leisten. Und darüber nicht nur selbst zu einem Gefühl der Kontrolle kommen, sondern auch den Mitmenschen helfen, dahin zu kommen. Und dadurch bilden wir wieder Gemeinschaften. Dadurch entrinnen wir auch diesem Gefühl von Hilflosigkeit.

 

Marina Weisband, geboren 1987 in der Ukraine, ist Diplom-Psychologin und Expertin für digitale Partizipation und Bildung. Von 2011 bis 2012 war sie politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland. Heute engagiert sie sich bei den Grünen in den Themenbereichen Digitalisierung und Bildung. Seit 2014 leitet sie hauptberuflich das Projekt “aula” – ein Konzept zur politischen Bildung und liquid-demokratischen Beteiligung von Jugendlichen (www.aula.de).

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Ein Kommentar

  1. Frau Weisbrand hat ein Konzept, das sie für Schulen entwickelt hat und diesen “verkauft”. Damit ist sie Bestandteil des Beratungsmarktes, offenbar ein lukratives Geschäftsfeld. Schülerbeteiligung im Rahmen des Möglichen ist schön und gut, auch überhaupt nicht neu. Schülerräte gibt es schon lange. Nur: Die entscheidenden Dinge werden von politischen Behörden und von der Fachdidaktik, oft auch von Sachzwängen und pädagogischen Moden bestimmt, denn die Schule hat einen gesetzlichen Auftrag und sie kostet. Kinder und Jugendliche merken bald, dass sie zwar über einen Ping-Pong-Tisch im Pausenhof oder über Salamibrötchen im Kioskangebot diskutieren dürfen, nicht aber über Promotionsbestimmungen oder Unterrichtsstoffe. Die sind nun einmal gegeben, und zwar aus guten Gründen. Weisbrand bleibt deshalb im Grunde sehr vage. Wissenschaftlich erhärtet ist die Behauptung nicht, dass ihr Konzept irgendetwas am Zulauf zur AfD verändert hat oder verändern würde. Wichtiger wäre es, nachdenken zu lernen: Behauptungen von Tatsachen unterscheiden, populistisches Gebaren durch Faktenchecks durchschauen, Konfliktthemen differenziert betrachten, mit andern Worten: aufklärender Unterricht. Das könnte nachhaltiger wirken als scheindemokratische Betriebsamkeit mit geringer Gestaltungsfreiheit. Die langweilige Institutionenkunde, die sie als Pauschalkritik am Unterrichtsfach Politik anführt, ist eher ein Beispiel für schlechte Didaktik und Methodik als dafür, dass Unterricht nichts bringen soll.

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