Ausgangspunkt der Analyse sind die Ergebnisse der jüngsten Ausgabe der PISA-Studie vom vergangenen Dezember, denen zufolge das Niveau in Deutschland nie schlechter war als zum Zeitpunkt der Erhebung (News4teachers berichtete). Dabei hatte es schon vor über 20 Jahren einen “PISA-Schock” gegeben: “Die Ergebnisse der ersten OECD-Erhebung zu den Lernergebnissen von Schülerinnen und Schülern (PISA) im Jahr 2000 waren ein Weckruf für Deutschland. Damals wurden die Ergebnisse von 31 Ländern veröffentlicht. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland lagen in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften unter dem OECD-Durchschnitt”, so resümiert die Industrieländer-Vereinigung OECD (die PISA herausgibt).
“Die PISA-Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Leistungen stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund zusammenhingen.”
Ernstes Warnsignal
Und weiter: “Dies stand nicht nur im Gegensatz zu der positiven Wahrnehmung des Bildungssystems in der Öffentlichkeit, sondern war für eine große Exportwirtschaft wie Deutschland, deren Wettbewerbsvorteil auf Kompetenzen und Wertschöpfung basiert, auch ein ernstes Warnsignal. Die PISA-Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Leistungen stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund zusammenhingen. Besonders fiel auf, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund vergleichsweise schlecht abschnitten. Dieser ‘PISA-Schock’ sorgte für einen öffentlichen Aufschrei und löste eine bildungspolitische Debatte aus, die die Medien des Landes monatelang beschäftigen sollte und schließlich den Anstoß für grundlegende Reformen gab.”
Welche Reformen konkret seitdem umgesetzt wurden – und was sie gebracht haben – fasst nun das MINT Nachwuchsbarometer zusammen. Und kommt zu ernüchternden Ergebnissen:
Flexible Eingangsstufe in der Grundschule und Aufweichung der Stichtagsregelung: Kinder können vor dem sechsten Geburtstag eingeschult werden, benachteiligte Kinder werden nicht mehr zurückgestellt, sondern erhalten ein Jahr mehr Zeit für die ersten beiden Schuljahre. “Tatsächlich sind dadurch die Zahlen verzögerter Schulkarrieren zurückgegangen”, heißt es im MINT Nachwuchsbarometer.
Ausbau der Ganztagesangebote in der Sekundarstufe I: Der Nachmittag wird für Betreuungs- und Förderangebote genutzt. Fazit: “Hier deuten die Ergebnisse des StEG-Projekts von Fischer et al. darauf hin, dass das Ganztagesprogramm keine positiven Effekte auf die kognitive Entwicklung hatte.”
Hintergrund: Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG), durchgeführt von einem wissenschaftlichen Konsortium unter Beteiligung des Deutschen Jugendinstituts und des Instituts für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund, hatte umfassende Forschungsbefunde zum Ausbaustand und zur Entwicklung, zur Qualität und zu Wirkungen von Ganztagsschulen vorgelegt – und war unter anderem zu dem absehbaren Ergebnis gekommen, dass der verbreitete sogenannte offene Ganztag, der lediglich Betreuungsangebote am Nachmittag vorhält, wenig zur Förderung von Schülerinnen und Schülern beiträgt (News4teachers berichtete).
Vermeidung von Klassenwiederholungen: Leistungsschwache Schülerinnen und Schüler sollten nicht mehr sitzenbleiben, sondern besser gefördert werden, um Verzögerungen in der Schulkarriere zu vermeiden. “Dies hat zu einer Reduktion verzögerter Schulkarrieren geführt”, bilanziert das MINT Nachwuchsbarometer.
Vorschulische Sprachstandsdiagnostik: Einführung von Sprachstandserhebungen ein bis zwei Jahre vor der Einschulung mit Förderangeboten für Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung. Bilanz: “Positive Effekte sind hier ausgeblieben, da die Diagnosen häufig mit zu wenigen oder nicht gezielten Fördermaßnahmen verbunden waren.”
Verkürzung der gymnasialen Schulzeit um ein Jahr: Diese Verkürzung wurde inzwischen in den meisten Bundesländern wieder zurückgenommen. “Die Verkürzung der Gymnasialzeit wie die spätere Verlängerung hatten keine Effekte auf Schulleistungen”, heißt es im MINT Nachwuchsbarometer.
Zentrale Abschlussprüfungen: In den Kernfächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache finden zentrale Abschlussprüfungen am Ende der Sekundarstufe I und hierdurch eine zunehmende Zentralisierung aller Prüfungsfächer im Abitur statt. “Hier sind bislang keine Effekte nachweisbar”, erklären die Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher.
Zwei-Säulen-Modell im allgemeinbildenden Schulsystem: Neben dem Gymnasium existiert lediglich eine zweite Säule, in der alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse (vom Ersten Abschluss bis zum Abitur) erworben werden können. Diese Säule übernimmt auch weitgehend die Inklusion der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. “Durch diese Reform wurden die Wege zum Abitur flexibilisiert, positive Effekte auf die Leistungsentwicklung ließen sich nicht nachweisen”, heißt es.
Professionalisierungsprogramme für pädagogische Fach- und Lehrkräfte: Ein Beispiel stellt das bundesweite SINUS -Programm zur Effizienzsteigerung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts dar (endete 2013). “Die Evaluierung konnte positive Effekte auf die Leistungen zeigen”, heißt es hier immerhin.
Abnehmende Leistungsbereitschaft
Studienleiter Köller macht für die schlechten Resultate der Schülerinnen und Schüler allerdings auch die abnehmende Leistungsbereitschaft verantwortlich – auf allen Seiten. “Wir beobachten nicht nur in der Mathematik, sondern auch bei den Leseleistungen, dass das Anspruchsniveau in den letzten zehn Jahren gesunken ist. Die Latte ist deutlich niedriger gelegt worden. Dazu hat auch die Diskussion um G8 und den in diesem Zusammenhang beklagten Leistungsdruck beigetragen. Das hat dazu geführt, dass auch die Lehrkräfte Abstriche machen und mit weniger zufrieden sind”, so erklärt er in einem Interview mit der “Welt”.
Allerdings sei der Unterricht dringend reformbedürftig. “Es mag aber auch eine Rolle spielen, dass Unterrichtskonzepte, die vielleicht vor 20 Jahren noch funktioniert haben, die Schüler heute nicht mehr erreichen. Wir sehen auch einen deutlichen Rückgang der Lernmotivation”, so Köller.
“Wir wissen eigentlich, was hilft. Aber es gibt ein Umsetzungsproblem in der Politik, auch aus finanziellen Gründen.”
Warum ist die Bildungspolitik so wenig erfolgreich? Köller: “Es ist wie bei der Klimaforschung: Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass es den Klimawandel gibt. Trotzdem werden immer mehr Verbrenner zugelassen. Genauso ist es bei der Bildung. Wir wissen eigentlich, was hilft. Aber es gibt ein Umsetzungsproblem in der Politik, auch aus finanziellen Gründen. Nehmen Sie das Startchancenprogramm. Da werden jetzt zehn Jahre lang zwei Milliarden Euro im Jahr in benachteiligte Schulen investiert. Seriöse Schätzungen gehen aber davon aus, dass man pro Jahr 14 Milliarden Euro in die Hand nehmen müsste, um die Bildungsmisere zu bekämpfen. Wir müssten wie bei der Bundeswehr die Bazooka herausholen.”
Hintergrund: seit Veröffentlichung der ersten PISA-Studie im Jahr 2001 ist bekannt, dass in Deutschland arme Kinder und Jugendliche zu wenig gefördert werden.
Mit weniger Personal besser arbeiten
Der Chef der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK schreibt der Politik ins Stammbuch: “In Zeiten des Lehrkräftemangels müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Schulen so aufstellen und den Unterricht didaktisch so weiterentwickeln, dass wir mit weniger Personal besser arbeiten als bisher – auch durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel. Wir brauchen eine Bildungsagenda 2035. Die Verwaltung des Status quo hält nun schon einige Jahrzehnte an.”
Nur eine geisteskranke Bildungspolitik betraut unfähiges Personal immer und immer wieder mit Reformen, die nicht nur nichts bringen und brachten, sondern gar toxisch und tödlich sind. Nun also die Milliarden-Bazooka, weil sie ja jetzt wissen, was wirkt. Armseliger kann ein Appell nicht sein. Und dann immer schön auf die Gesellschaft schimpfen, der schöne Sündenbock für alles.
Schule ist das prägende Normativ einer Gesellschaft schlechthin, denn dort werden tagtäglich prägende Werte gelebt und vermittelt oder eben nicht. Schule verkam zu einer shit-show und das wirkte auf die Gesellschaft: Man brachte eine sich selbst antreibende Abwärtsspirale in Gang. Social Engineering nennen sie das. Und die moderne Gesellschaft, die das angeblich so will, entspricht ja dem Zeitgeist. Ach, hätten Sie nur den Faust gelesen: Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln.
Hat man keine Argumente für seine Agenda mehr, dann schiebt man die Kinder vor, bedient die emotionale Tränendrüse und infantilisiert sich eine welt rosaroter Einhörner. Am Rande: Perfektionisiert wurde das von Klausi Schwab, der das Kind Greta Thunberg für seine aberwitzigen Zwecke missbraucht hat.
Wir brauchen nicht mehr Geld, sondern wir müssen zuerst die Posaunen der Dummheit endlich auf den Schrottplatz werfen. Erst dann können wir wieder Musik hören und so manch einer wird sich Stück für Stück wieder erinnern, was Musik eigentlich war und ist. Konkret: Wir schließen die KMK und ihre unsägliche SWK unter dem Vorsitz des Köller, sein unnützes Institut für Pädagogik in den Naturwissenschaften gleich mit. Übrigens der kognitive Psychologie – als hätt man’s nich gleich erkannt – Köller kommt vom Max-Planck-Institut für Bildungswissenschaften ebenso wie seine Schwester im Geiste, die Stanat, die nun als Leiterin des IQB die letzten Bildungsstandards via dem IQB auf das Nullniveau planiert. Ergo, wir schließen auch das IQB, das unsägliche Max-Planck-Institut obendrauf und dann geht’s weiter mit Hausputz bein BMBF und halbieren das Budget, beenden die unzähligen Verblödungsprogramme, die Vielfalt in der erstarrten Einfalt.
Das wird wirken, nachhaltig und schnell. FJS hätte hier keine Sekunde gezögert, aber um modern zu bleiben:
Afuera KMK, afuera IQB, afuera ….
Und wer von all diesen Reform-Übeltätern steht hin und bekennt?
Das kann ich Ihnen sagen: Schleicher https://www.focus.de/panorama/welt/andreas-schleicher-pisa-chef-rechnet-mit-deutschen-lehrern-ab-ich-habe-ganz-ehrlich-wenig-verstaendnis_id_259590343.html und Oldenburg https://www.zeit.de/2024/04/pisa-studie-unterricht-kritik-lehrer-bildung benennen die für diese Reformen verantwortlichen Lehrer explizit. So sieht es halt aus, wenn die Brandstifter die Feuerwehr rufen.
Weil Herr Lemmermeyer auf meinen Zeitbeitrag verwiesen hat, hier zur Klarstellung: Ich habe in meinem Beitrag keine Lehrerschelte betrieben. Die unpassende Überschrift des Beitrags wurde von der Zeit-Redaktion ohne mein Wissen gewählt – was Herr Lemmermeyer weiß, aber dies zu berücksichtigen hätte wohl seine simple Darstellung komplexer gemacht, und das dafür nötige Denken wollte er wohl den Lesern oder sich selbst ersparen.
Die unerfreuliche aktuelle Lage des Mathematikunterrichts hat viele Ursachen, ein paar habe ich in dem genannten Zeitbeitrag erläutert. Dass auch die Didaktik selbstkritisch sein sollte, habe ich kürzlich an geeigneter Stelle eingefordert. Zentrale Verantwortung kommt der Politik zu: Die meisten Politiker wollen, wie Lemmermeyer, dass alles ganz einfach ist.
Das an den Pranger Stellen Anderer, die ganz sicher nicht verantwortlich sind für den Absturz all der sinnlosen Reformen, ist (wie Sie richtig analysieren) KEIN BEKENNTNIS der verursachten Fehler, sondern ein dreckiger Versuch, sich herauszureden.
“Es mag aber auch eine Rolle spielen, dass Unterrichtskonzepte, die vielleicht vor 20 Jahren noch funktioniert haben, die Schüler heute nicht mehr erreichen. Wir sehen auch einen deutlichen Rückgang der Lernmotivation”.
Gibt es Belege für diese Behauptung bzw. die Kausalität? Könnte es nicht auch sein, dass moderne Unterrichtskonzepte unsere schwächeren Schüler systematisch überfordern, und gleichzeitig unsere starken Schüler anöden? Da soll intrinsisch motiviert geforscht, entwickelt, kommuniziert, modelliert, präsentiert, angewendet, diskutiert, erarbeitet usw. werden, aber die dafür notwendigen Grundlagen und Fähigkeiten werden ihnen (bewusst!) vorenthalten. Denn merke: Üben, Frontalunterricht oder gar Faktenwissen sind Teufelszeug.
So verliert man alle Schüler gleichzeitig.
Die Kritik von Prof. Krötz mag ätzend daherkommen, aber im Kern hat er recht. Die vielen Institute und Kommissionen können ersatzlos gestrichen werden. Die werden kein Problem lösen, eher neue schaffen. Es bräuchte die Rückkehr zu einem Schulsystem der 90er bis Anfang der 2000er, als das oberste Primat in den Schulen noch nicht die Unlustvermeidung war. Dazu braucht man keine müde Mark und keine Digitalisierung, “nur” fähige Lehrer.
Es ist eine gewisse Schizophrenie, dass einerseits nach dem PISA-Schock gesagt wurde: “Die Leistungen sind zu schlecht, jetzt müssen wir aber die Lehrpläne und die Unterrichts-methoden ändern, wir brauchen einen Paradigmenwechsel, usw. usw.”
Kurz: “Schlechte empirische Ergebnisse liegen an falschen Lehrplänen und falschem Unterricht, also an einer falschen Schulpolitik.”
Aber andererseits 20 Jahre später? Die Ergebnisse sind nicht besser geworden, sondern eher schlechter, aber niemand sagt, jetzt müssen wir die Lehrpläne und den Unterricht ändern usw. Stattdessen zieht man andere Gründe aus dem Hut, die für das Scheitern verantwortlich sind, vor allem die “Heterogenität” der Schüler, die es um das Jahr 2000 offenbar noch nicht gab, sowie die Migrantenkinder und die “bildungsfernen Familien”, die plötzlich vom Himmel gefallen sind und die es zu Zeiten der ersten PISA-Studie offenbar auch noch nicht gab. Ein Programm nach dem anderen wird aufgelegt, um die “Bildungsmisere” zu bekämpfen (BiSS, Mathe sicher können, jetzt QuaMath und die Startchancen), aber 10 Jahre nach einem solchen Programm hörte man nie etwas von positiven Effekten. Auch die erheblich ausgeweitete Ganztagsschule hatte nicht die Effekte, die man sich davon versprochen hatte. Der StEG-Bericht konnte überhaupt kaum Effekte feststellen, und wenn, dann waren sie “psychosozialer Art”. Der Spiegel titelte schon 2016 in diesem Zusammenhang: “Ganztagsschulen machen Schüler netter, aber nicht besser”, siehe auch: https://condorcet.ch/2024/05/olafs-studie-ganztagesschule-keine-kognitiven-effekte/
Das Fatale an der ganzen Entwicklung ist: In der Bildungswissenschaft sind es dieselben Leute aus der Zeit des PISA-Schocks sowie ihre Doktoranden, Epigonen und Verbündeten, die immer noch das Sagen haben. Die hatten keine Skrupel, alles Vorherige für schlecht und ihre eigenen Konzepte für gut zu erklären, aber sie weigern sich, irgendeine Selbstkritik zu üben, dass sie sich vielleicht auch mal selber geirrt haben könnten. Und die Politik hat beschlossen, denen zu folgen, z.B. bei der Mitgliederauswahl der neuen SWK, die die Kultusministerkonferenz berät. Und weil diese Leute in der Wissenschaft auch Gutachten schreiben und über die Besetzung von Professuren mit entscheiden, ist es kaum möglich, dass echte Kritiker mit anderen Vorstellungen in Positionen gelangen können. Kritiker werden mundtot gemacht. Die Folge ist, dass da einiges “im eigenen Saft schmort” und die vielen Krähen einander keine Augen aushacken. Leute wie Herr Köller werden vielleicht wissen, was die Probleme sind, aber sie werden es nicht laut sagen, weil sie ja die Gunst der Drittmittelgeber nicht verlieren wollen. Wissenschaft und Politik stützen einander.
Der erste PISA-Test hat bewirkt, dass einiges weggefegt wurde, aber die jetzigen Tests werden von denselben Leuten kontrolliert, die auch die Reformen vorschlagen und beurteilen. Und die verteidigen zäh ihren Einfluss. Ein “Kartell” aus Bildungsforschung, Politik und Interessenverbänden hat eine uneinnehmbare Festung geschaffen, der auch die schlechtesten Testergebnisse offenbar nichts mehr anhaben können. Weiter so, weiter so, lautet die Devise, “wir wissen, was hilft”. So kann man noch 50 Jahre weiter machen.