Smartphones richten großen Schaden an. Längst leben wir in einer Gesellschaft der Digitalsüchtigen, die ihren Blick nicht vom Handy lösen können und sich wie ferngesteuert durch den öffentlichen Raum bewegen. Mit Ausnahme der ältesten Generation, die einen Großteil ihres Lebens ohne Smartphone verbracht hat, gilt das für nahezu alle Altersstufen.
Was Erwachsene sich damit antun, ist schlimm genug – das soziale Miteinander leidet, die Aufmerksamkeitsspanne sinkt, der Zustand der Abrufbarkeit ist entgrenzt, und Menschen, die in der U-Bahn oder im Café ein Buch lesen, gehören zu einer aussterbenden Spezies.
Besonders beunruhigend aber sind die Folgen des schrankenlosen Digitalkonsums für Kinder und Jugendliche. Seit Jahren belegen Studien, dass ihre Bildschirmzeiten immer länger werden. Laut der Jugend-Digitalstudie der Postbank aus diesem Jahr verbringen Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren in Deutschland fast 64 Stunden pro Woche im Internet. Das sind mehr als neun Stunden am Tag.
Eine Studie von Bitkom aus dem vergangenen Jahr ergibt, dass 95 Prozent aller Kinder zwischen sechs und neun Jahren bereits ein Smartphone oder Tablet nutzen. Die Familienstudie der AOK warnt, dass der Medienkonsum auch der Vier- bis Sechsjährigen die empfohlene Zeit oftmals überschreite und sich immer mehr ausweite. In den Vereinigten Staaten lag einer Studie zufolge schon 2020 die Bildschirmzeit von Kleinkindern unter zwei Jahren bei 49 Minuten am Tag.
Gravierend für die Entwicklung der Heranwachsenden
Die exorbitante Ausweitung der Online-Zeit wirkt sich gravierend auf die Entwicklung der Heranwachsenden aus, auch das ist durch zahlreiche Studien dokumentiert. Viele Kinder können sich nicht mehr konzentrieren, ihre motorischen Fähigkeiten leiden, sie spielen weniger draußen, die soziale Interaktion sinkt, die Zahl der Übergewichtigen steigt.
Lehrer berichten, dass manche Kinder nicht einmal mehr ein Lineal in der Hand halten können. Auch ihre physische Beweglichkeit und Fähigkeit zur Koordination leidet, wenn an die Stelle von Bewegung das Starren auf den Bildschirm tritt. Die DAK spricht von Mediensucht unter Kindern und Jugendlichen und warnt vor einem Negativtrend, der nicht mehr zu stoppen sei, “wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird”.
Wenn man den Erziehungs- und Bildungsauftrag für die Kinder wirklich ernst nimmt, müsste eigentlich jeder ein Interesse daran haben, deren Medienkonsum zu begrenzen.
Deshalb ist der Vorstoß von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) richtig, über “ein generelles Handynutzungsverbot” an den Grundschulen nachzudenken und Smartphones im Kindergarten ganz zu verbieten. Dafür sprach sich Prien kürzlich im Interview mit der “Bild”-Zeitung aus.
Natürlich kann nicht einfach zentral ein Verbot verhängt werden; die jeweilige Regelung obliegt den einzelnen Schulen, und die bezieht sich zumeist nur auf die Unterrichtszeit. Aber wenn man den Erziehungs- und Bildungsauftrag für die Kinder wirklich ernst nimmt, müsste eigentlich jeder ein Interesse daran haben, deren Medienkonsum zu begrenzen.
Das gilt umso mehr, als Bildungsstudien seit geraumer Zeit belegen, dass viele Schüler immer schlechter lesen, schreiben und rechnen können. Der allgemeine Leistungsabfall wird zwar nicht allein durch übermäßigen Digitalkonsum verursacht, er kann aber durchaus dazu beitragen.
Orientierungslos ohne Handy
Das betrifft auch ganz basale Fähigkeiten, um im Alltag zurechtzukommen. Wer sich von Google Maps jeden Weg vorschreiben lässt, weiß nicht, wie er sich ohne Handy orientieren kann. Wer sich nie einen Linienfahrplan anschaut und ausschließlich Apps zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, hat im Zweifel weder eine Ahnung, in welche Richtung er gerade fährt, noch das Wissen, wie man sich über Fahrtzeiten und Verbindungen informiert, wenn zum Beispiel der Akku des Smartphones leer ist.
Nun ist die Sorge vor den Folgen neuer Technologien nichts Neues. Wie oft schon wurde der Niedergang der Gesellschaft befürchtet, weil es eine neue Technik gab; sei es die erste Eisenbahn, das Telefon oder der Fernseher.
Doch man muss kein Kulturpessimist sein, um die Omnipräsenz der Smartphones beunruhigend zu finden. Wenn ihre Nutzung nicht von Anfang an begrenzt wird, sind die Kinder nicht nur einer permanenten Reizüberflutung durch die Fülle an oft unnützen Informationen ausgesetzt, die unweigerlich Auswirkungen auf die Entwicklung ihres Gehirns haben. Sie verlieren auch wertvolles Wissen, ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit.
Die sozialen Fähigkeiten werden beeinträchtigt, wenn das Wischen über den Bildschirm die analoge Interaktion ersetzt.
Entscheidend ist aber nicht nur, was in den Schulen und Kitas stattfindet, sondern auch, was Eltern und Erwachsene vorleben. Wenn sie in Gegenwart von Kindern permanent ihr Handy in der Hand haben, werden die Geräte zu einem begehrten Objekt, mit dem die Kinder geradezu konkurrieren müssen. Hier gilt das Gleiche wie in der Schule: Die sozialen Fähigkeiten werden beeinträchtigt, wenn das Wischen über den Bildschirm die analoge Interaktion ersetzt.
Die digitalen Gewohnheiten sind in der Gesellschaft aber mittlerweile so verbreitet und so tief im Selbstverständnis verankert, dass es realitätsfremd wäre, ausschließlich auf Vernunft und Einsicht zu setzen, damit sich etwas ändert. Was die Erwachsenen tun, bleibt in ihrer eigenen Verantwortung – auch wenn es wünschenswert wäre, dass sie ihre Smartphones weniger oft in die Hand nehmen. Für Kitas und Schulen aber braucht es klare Regeln und handyfreie Zonen.
Es geht nicht darum, die Modernisierung zu verweigern und aus dem technologischen Fortschritt auszusteigen, denn das ist keine Lösung. Das Ziel muss sein, einen vernünftigen Umgang mit den modernen Technologien zu finden, der diese Gesellschaft nicht in eine neue selbst verschuldete Unmündigkeit treibt.