30. Dezember 2025
Deutsche Bildungskrise

“‘Wir schaffen das’ war die Losung. Im Bildungssystem haben wir es nicht geschafft”

Fünf Jahre nach dem “Pisa-Schock” ist Deutschlands Bildungslandschaft wieder im Niedergang. Nach sinnvollen Reformen habe in der Politik “Gedächtnisverlust” eingesetzt, sagt Bildungsforscher Köller – mit fatalen Folgen. Den Abstieg des Gymnasiums könne man nicht allein mit Migration erklären, führt er in einem Interview mit der WELT aus.

 

Olaf Köller ist Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Zuvor war Köller Gründungsdirektor des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) und Professor für Empirische Bildungsforschung an der Berliner Humboldt-Universität. Der 62-Jährige ist Co-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz und Co-Vorsitzender der Expertenkommission “Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt”.

 

WELT: Vor 25 Jahren wurde die erste Pisa-Studie erhoben. Als die Ergebnisse 2001 veröffentlicht wurden, ging das als “Pisa-Schock” in die Geschichte ein. Die 15-Jährigen in Deutschland schnitten deutlich schlechter ab als der OECD-Durchschnitt. Kam das Ergebnis tatsächlich so überraschend, Herr Köller?

Olaf Köller: Es gab bereits eine Vorwarnung, nämlich die Veröffentlichung der Internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie TIMSS im Jahr 1997. Schon damals landeten Deutschlands Siebt- und Achtklässler im Mittelfeld. Insofern war das Pisa-Ergebnis nicht maßlos überraschend.

Sabine Menkens, Journalistin bei der WELT

WELT: Der Anteil der Risikoschüler war sowohl im Lesen als auch in Mathematik hoch und reichte bis zu einem Viertel der Schüler. Was waren aus Ihrer Sicht die Ursachen?

Köller: Schon damals bestand das Problem der sozialen und migrationsbedingten Disparitäten, das heißt, wir hatten schwache Leseleistungen vor allem in den sozial benachteiligten Schichten und bei Jugendlichen ohne hinreichende deutsche Sprachkenntnisse. Eine Ursache war die zu geringe Sprachförderung in Kita und Grundschule und die insgesamt unzureichende Förderung im unteren Leistungsbereich der Sekundarstufe.

Zudem hatten wir generelle Probleme in der Unterrichtsqualität. Der Unterricht war kognitiv nicht sehr anspruchsvoll, sehr stark lehrkraftgesteuert und hatte wenig Potenzial, die Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Und schließlich gab es kein funktionierendes System des Bildungsmonitorings und der Qualitätssicherung an Schulen.

WELT: Wie waren die ersten Reaktionen der Politik auf diese Ergebnisse?

Köller: Schon nach TIMSS gab es 1997 mit den Konstanzer Beschlüssen der Kultusministerkonferenz das Bekenntnis zu stärkerer Qualitätssicherung in der Bildung. Nach Pisa wurden sieben Handlungsfelder definiert, um die Probleme anzugehen. Allen voran die Frage der Sprachförderung, die Förderung von Lesen als Schlüsselkompetenz, die bessere Förderung benachteiligter Kinder, die Verbesserung der professionellen Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer. Schließlich wurde der Ausbau der Ganztagsangebote vorangetrieben – getragen vom Gedanken, dass zur Risikogruppe überwiegend Schülerinnen und Schüler gehören, die zu Hause keinerlei Unterstützung erfahren und denen man einfach zusätzliche Angebote machen muss.

“Es gab in der Politik eine große Bereitschaft, gemeinsam mit der Wissenschaft den Karren aus dem Dreck zu ziehen.”

 

WELT: Die empirische Bildungsforschung, also die datengestützte Messung von Lernerfolg, steckte damals noch in den Kinderschuhen. Auch deshalb wurden viele so kalt erwischt. Was folgte auf den Pisa-Schock?

Köller: Man hatte durch Pisa deskriptives Wissen, wo das Bildungssystem steht – aber zu wenige wissenschaftliche Erkenntnisse, welche Maßnahmen Bildung steigern. Damals wurden große Programme zur Kompetenzförderung aufgelegt, neue Professuren geschaffen, das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen gegründet. Es wurde massiv in die Bildungsforschung investiert, in der vielleicht naiven Hoffnung, die Forschung würde das Problem schon lösen. Und es gab dann Jahre, in denen es besser wurde.

WELT: Da ging also der berühmte Ruck durch Deutschland?

Köller: Auf jeden Fall. Es gab Anfang der 2000er-Jahre einen engen Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Politik. Politik wollte gemeinsam mit der Wissenschaft Lösungen erarbeiten. Damals wurde das “Sinus”-Programm zur Effizienzsteigerung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts ausgebaut und Programme zur Sprachförderung aufgelegt. Es gab in der Politik eine große Bereitschaft, gemeinsam mit der Wissenschaft den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

 

WELT: Die Pisa-Ergebnisse gingen dann ja auch einige Jahre bergauf, bis 2012 verbesserten sich die Leistungen kontinuierlich, auch gegen den OECD-Trend. Ein Erfolg der eingeführten Maßnahmen?

Köller: Ja, aber rückblickend ist es schwer zu sagen, welche der Maßnahmen besonders gut gewirkt haben. In jedem Fall haben sich die Leistungen verbessert, und die Sitzenbleiberquoten sind zurückgegangen. Vor allem aber wurden die fachlichen Kompetenzen wieder stärker in den Vordergrund schulischer Arbeit gestellt, die Schulen wurden wieder an ihren Erträgen im Leistungsbereich gemessen. All das hatte viel mit der Aufbruchstimmung nach Pisa 2000 zu tun.

WELT: Ist man nach dieser Phase des Aufschwungs überheblich geworden?

Köller: Es war weniger Überheblichkeit, eher Gedächtnisverlust. Es kam eine neue Generation von Politikerinnen und Politikern in die Verantwortung, die kaum Erinnerungen an Pisa 2000 hatten und die Verbesserungen erst mal als Beleg dafür nahmen, dass alles wieder gut ist. Dabei war klar, dass die Probleme nicht verschwinden würden.

“Viele der Kinder aus den 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlingsfamilien sind die heutigen Bildungsverlierer.”

 

Der Bildungsforscher Jürgen Baumert hat 2012 darauf hingewiesen, dass die Schülerschaft sich verändert, dass wir mehr Schüler mit Migrationshintergrund und aus sozial benachteiligten Verhältnissen haben werden und daher massiv in die Förderung der Leistungsschwachen investieren müssen. Dazu kamen 2015 die vielen Geflüchteten nach Deutschland. “Wir schaffen das” war die Losung. Im Bildungssystem haben wir es nicht geschafft. Viele der Kinder aus den 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlingsfamilien sind die heutigen Bildungsverlierer.

WELT: Seit 2012, spätestens seit 2015, gehen die Leistungen wieder steil bergab, auch am Gymnasium. Wie erklären Sie sich das?

Köller: Den Abstieg des Gymnasiums kann man sicher nicht mit der Zuwanderung von 2015 erklären. Diese Kinder der ersten Generation besuchen andere Schulformen. Der Abstieg des Gymnasiums ist eher eine Folge abgesenkter Erwartungen, geringer Unterrichtsqualität und nicht mehr zeitgemäßer didaktischer Ansätze. Wir sehen heute Unterrichtskonzepte des 20. Jahrhunderts. Sie stellen sich zu wenig auf die heutigen Schülerinnen und Schüler ein.

WELT: Viele schieben die nachlassenden Schülerleistungen auf die veränderte Zusammensetzung der Schülerschaft, auch durch die Fluchtmigration. Ist das der Kern?

Köller: Leider ist es nicht gelungen, die Geflüchteten sprachlich so zu fördern, dass sie am regulären Unterricht gewinnbringend teilnehmen können. Diese Gruppe macht aber nur gut vier Prozent der gesamten Schülerschaft aus. Sie sind nicht die Hauptursache des Abstieges. Allerdings müssen wir viel mehr tun, um sie in die Bildungssprache Deutsch einzuführen. Denn sonst werden ihre Kinder eines Tages dieselben Probleme haben.

 

WELT: Seit Jahr und Tag wird beklagt, dass der Bildungserfolg in Deutschland besonders stark von der sozialen Herkunft abhänge. Warum gelingt es nicht, das zu entkoppeln?

Köller: Soziale Ungleichheit ist kein deutsches Phänomen. Allerdings ist das Problem bei uns relativ groß. Das liegt unter anderem daran, dass wir nach wie vor viel zu wenig in Bildungsprozesse in den Kitas investieren. Bei den zugewanderten Kindern der ersten Generation reicht es nicht, ihnen in der Schule zwei Jahre Deutsch beizubringen. Sie brauchen längerfristige Unterstützungsangebote, etwa durch ein qualifiziertes Ganztagsangebot. Immerhin haben wir jetzt das Startchancen-Programm für Schulen in schwieriger Lage. Wir beten alle, dass die Mittel aus diesem Programm die Probleme zumindest reduzieren.

WELT: Sehen Sie auch mangelnden Reformeifer?

Köller: Ich sehe Reformeifer vor allem dort, wo man ihn nicht gebrauchen kann – etwa bei den Diskussionen um G8 und G9 oder um das differenzierte Schulsystem. Wir drehen an Schrauben, von denen wir wissen, dass sie keine Kompetenzzuwächse bewirken. Solange wir die Qualität des Unterrichts und der Förderangebote nicht steigern, wird sich auch nichts verbessern.

WELT: Wie wertvoll ist Pisa heute? Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die wir daraus ziehen können?

Köller: Unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt ist es die beste Schulleistungsstudie, die wir haben. Den Steuerzahler kostet sie wenig, dafür bekommen wir ein klares Bild unserer Bildungserträge am Ende der Sekundarstufe I. Zudem lernen wir durch Pisa etwas über moderne Bildungskonzeptionen im 21. Jahrhundert. Den Diskussionen in Deutschland, unter anderem in der Kultusministerkonferenz, ist die OECD, die Pisa verantwortet, Jahrzehnte voraus. Unser System ist sehr träge. Bei der Frage, wie wir unser Bildungssystem im 21. Jahrhundert aufstellen müssen, sind wir auf die Impulse aus den OECD-Thinktanks angewiesen. Dort entstehen Innovationen.

 

Sabine Menkens berichtet für die WELT über gesellschafts-, bildungs- und familienpolitische Themen.

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6 Kommentare

  1. Hört endlich auf, in Sachen Bildung zu forschen! Je mehr geforscht und reformiert wird, umso schlimmer wird es. Tut einfach das Offensichtliche und unterrichtet. Endlich. Punkt.
    Ich habe gestern mit einer kürzlich pensionierten Primarlehrerin gesprochen. Kurz vor ihrer Pensionierung war sie noch einmal auf Schulbesuch. Das besuchte Klassenzimmer präsentierte folgendes Bild: Alle Schülerinnen und Schüler arbeiteten mit Gehörschutz und der Boden war übersät mit Blättern und Stiften. Glaubt jemand im Ernst, dass in einer solchen Atmosphäre auch nur annähernd sinnvoll gelehrt und gelernt werden kann?

  2. Olaf Köller zitiert Forschungsergebnisse. Weder kann er genau angeben, worauf die Leistungsschwankungen zurückzuführen sind, noch weiss er echten Rat, wie man die Leistungen verbessern könnte. Stattdessen wühlt er sich durch unbestimmte Vorwürfe an die Lehrerschaft und die Behörden, dass zu wenig Förderung stattfinde, bzw. der Unterricht in antiquierten Mustern verharre. Konkret wird er nicht. Das ist letztlich die Bankrotterklärung dieser «Qualitätsentwickler». Sie lamentieren über schlechte Ergebnisse, teilen nach links und rechts Schuldzuweisungen aus, haben aber in Wirklichkeit keine Ahnung von Unterricht und davon, was die Lage verbessern könnte.

  3. “Köller: Den Abstieg des Gymnasiums kann man sicher nicht mit der Zuwanderung von 2015 erklären. Diese Kinder der ersten Generation besuchen andere Schulformen. Der Abstieg des Gymnasiums ist eher eine Folge abgesenkter Erwartungen, geringer Unterrichtsqualität und nicht mehr zeitgemäßer didaktischer Ansätze. Wir sehen heute Unterrichtskonzepte des 20. Jahrhunderts. Sie stellen sich zu wenig auf die heutigen Schülerinnen und Schüler ein.”

    Die abgesenkten Erwartungen sind natürlich eine Folge der “erwarteten” Erhöhung der Abiturquote. Ob das sinnvoll war oder ist, da hält sich die Bildungswissenschaft merkwürdig bedeckt. Man möchte wohl nicht in Konflikt mit den politischen Parteien kommen, die am liebsten das Gymnasium überhaupt abschaffen würden.

    Die weiteren Behauptungen in dem obigen Zitat sind unlogisch: Warum soll gerade nach 2010 (dem Beginn des Abstiegs) der Unterricht schlechter geworden sein? Das Gegenteil hätte der Fall sein müssen, denn die alten Pauker gingen nach und nach in Pension, es rückten junge Lehrer nach, die in ihrem Studium schon mit den Ideen der neuen Schulpädagogik nach PISA in Berührung kamen. Denen wurde schon im Referendariat beigebracht, wie sie “richtig” unterrichten sollen, insbesondere kompetenzorientiert und mit verschiedenen Methoden, auf keinen Fall mit zu viel Frontalunterricht. Und sie gehörten zu denen, die bereits im Studium mit mehr Fachdidaktik gefüttert wurden als frühere Generationen. Zu keinem Zeitpunkt gab es mehr Didaktiker an Universitäten und mehr Didaktik in den Studienplänen als in den Jahren nach PISA. Die Schelte der “nicht mehr zeitgemäßen didaktischen Ansätze” müsste begründet werden. Warum protestieren die Didaktiker nicht? Herr Köller ist Psychologe, warum waren es nicht die falschen psychologischen Ansätze, vielleicht die Lernbegleiter bei den Lehr-Lern-Prozessen und die “Sozialpädagogisierung” von Schule schlechthin?
    Eine hastige Anpassung der Unterrichtskonzepte an “die heutigen Schüler” kann doch wohl so pauschal nicht ernsthaft postuliert werden. Ist das das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung? Wenn die “veränderte Schülerschaft” sich auf die Migration beziehen sollte, so haben sich zunächst mal die Schüler der Schule anzupassen, bevor man umgekehrt den “Tanker Schulsystem” auf einen anderen Kurs bewegt. Haben jemals Einwanderungsländer ihre Schule hastig den jeweiligen Einwanderern angepasst, jenseits von speziellen Sprachkursen (die natürlich nötig sind) ?

    “Bei der Frage, wie wir unser Bildungssystem im 21. Jahrhundert aufstellen müssen, sind wir auf die Impulse aus den OECD-Thinktanks angewiesen. Dort entstehen Innovationen.”

    Darin sehe ich eher die größte Gefahr, denn wer alles in diesen “Thinktanks” das Sagen hat, das wird uns nie verraten. Die OECD ist eigentlich eine Organisation von Staaten. Tatsache ist aber: Der OECD-Lernkompass 2030 in der deutschen Version wurde in der Einleitung von keiner staatlichen Institution, sondern von den Stiftungen von Bertelsmann, Telekom, Siemens sowie einem Verein “Education Y” unterschrieben, der zur Vodafone-Stiftung gehört. Alle Götter der Welt mögen uns davor bewahren, dass diese Leute unser Bildungssystem in ihrem Sinne umgestalten. Das wäre das Gegenteil von Demokratie. Die Frage, wie WIR unser Bildungssystem aufstellen müssen, gehört in die öffentliche Diskussion und in die Parlamente, nicht in die Hinterzimmer von Technokraten.

    1. Herr Kühnel fragt: „Warum protestieren die Didaktiker nicht?“ Eine einfache Antwort: Weil es „die Didaktiker“ nicht gibt – das ist eine sehr inhomogene Gesellschaft. Es ist bedauerlich, dass Herr Köller nicht klar benennt, wen er meint. Meine persönliche Meinung ist klar: Problematisch sind die konstruktivistischen Tendenzen der Didaktik, die zu einer Geringschätzung der fachlichen Struktur geführt haben.

      Auch wenn ich vieles von Herrn Kühnels Kritik unterstützen kann, möchte ich ihm doch bei der Aussage widersprechen, es seien keine Anpassungen an die heutigen Schüler jenseits von Sprachkursen nötig. Kinder und Jugendliche, die aus Kulturen kommen, in denen massiv gestraft wird, verstehen beispielsweise oft nicht die sanften Disziplinaufforderungen in unseren Schulen. Das ist mit einem Sprachkurs nicht zu reparieren. Zur Realität der heutigen Schüler gehört außerdem, dass sie wissen, was künstliche Intelligenz leisten kann. Das kann man nicht einfach ignorieren. Wir bringen den Kindern ja auch nicht mehr bei, wie man mit einer Öllampe ein Zimmer erleuchtet – sie wissen, dass es LEDs gibt. Wenn sich die Lebenswirklichkeit verändert, verändert sich auch ein Teil der Motivation für Lerninhalte. Zugegeben, Mathematik hat nahezu ewige intellektuelle Schönheit zu bieten, aber diese schimmert in den aktuellen Lehrplänen kaum durch. Und das ist in meiner Wahrnehmung weniger ein Problem der Didaktik als vor allem der Politik, die aus Angst vor Eltern handelt, die ihre Kinder vor Anforderungen schützen wollen.

      1. “Kinder und Jugendliche, die aus Kulturen kommen, in denen massiv gestraft wird, verstehen beispielsweise oft nicht die sanften Disziplinaufforderungen in unseren Schulen. Das ist mit einem Sprachkurs nicht zu reparieren.”

        Das wurde schon oft gesagt, auch von Toprak und El-Mafaalani, ich sehe auch keinen Grund zu widersprechen, aber ich kann nicht glauben, dass Herr Köller das gemeint hat, er kritisiert ja gerade “alte” Konzepte des 20. Jahrhunderts. Schließlich sind doch alle Bestrafungen von Schülern, die sie irgendwie fürchten müssten, in Deutschland für illegal erklärt worden — in Übereinstimmung mit dem “neuen” Zeitgeist. Es herrscht eine “konsequenzenlose Pädagogik” (aber eben Pädagogik, nicht Fachdidaktik). Die Kinder dürfen alles, stattdessen stehen ganz schnell die Lehrer am Pranger, für die hat man reichlich administrative “Folterwerkzeuge” parat. Zahlreiche Brandbriefe dokumentierten bereits eine allgemeine Hilflosigkeit.
        Die Phrase “Schule muss sich auf die veränderte Schülerschaft einstellen” scheint mir eher eine Vernebelung der Tatsache zu sein, dass niemand zu wissen scheint, wie das erfolgreich (!) zu bewerkstelligen ist. Mich erinnert das an das Märchen vom Hasen und vom Igel. Wenn irgendwas scheitert, kann man immer sagen, man habe sich nicht genügend auf die veränderte Schülerschaft eingestellt, die Schüler sind dann eben noch anders geworden als angenommen, man wird sie nie einholen.

        Aber Ihr obiges Zitat könnte man als Anregung an die wissenschaftliche Kommission SWK der KMK interpretieren, doch bitte mal Empfehlungen für eine Verbesserung der Disziplin in Schulen zu formulieren, unter besonderer Berücksichtigung der “veränderten Schülerschaft”. In der Kommission sitzt doch die Elite von Psychologie, Pädagogik und Bildungsforschung, diese Leute müssen es doch wissen. Man hört auch viel von einem unerträglich hohen Lärmpegel im Unterricht, der zu meiner Schulzeit undenkbar gewesen wäre.
        Gewiss haben die Öllampen ausgedient, aber es ist immer noch nützlich zu wissen, wie man eine Kerze anzündet — nicht nur zu Weihnachten, sondern auch bei Stromausfall (in der Amtssprache: Stromversorgungsunterbrechung; so las ich das kürzlich als Grund, dass die Straßenbahn nicht kam).

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