7. Dezember 2025
Grossbritannien

Debatte über Viertagewoche an Schulen

Lehrende an Großbritanniens Schulen klagen über zunehmend schlechte Arbeitsbedingungen. Die Zahl der offenen Stellen hatte Anfang des Jahres einen neuen Rekordwert erreicht, vor allem Junge würden sich erst gar nicht für den Lehrberuf entscheiden. Eine Interessengruppe forderte die britische Regierung nun auf, eine Viertagewoche an den Schulen in England und Wales zu testen. In Schottland will die Regierung eine “flexible Viertagewoche” prüfen. Wir bringen einen Beitrag, der zuerst auf ORF-Online erschienen ist.

 

“Lehrerinnen und Lehrer sind in beispiellosem Ausmaß von Burn-out betroffen”, zitierte unter anderem der “Guardian” am Montag James Reeves, den Kampagnenleiter der Interessenvertretung 4 Day Week Foundation. Bei einer Viertagewoche gehe es nicht darum, weniger, sondern intelligenter zu arbeiten. “Das schützt das Wohlbefinden der Lehrpersonen und verbessert letztendlich auch die Ergebnisse für Schülerinnen und Schüler”, sagte Reeves.

In einem Brief der Gruppe an Labor-Bildungsministerin Bridget Phillipson heißt es, immer mehr Forschungsergebnisse würden zeigen, dass kürzere Arbeitswochen Burn-out reduzieren, die Produktivität verbessern und eine bessere Work-Life-Balance fördern könnten, wie der “Guardian” weiter schrieb.

Schülerverhalten und Klassengrößen als Problem

Das Thema begleitet die britische Gesellschaft schon länger. Wie die britische National Foundation for Education Research (NFER) im Frühjahr erhoben hatte, blieben 2024 mehr als sechs von 1000 Lehrerinnen- und Lehrerstellen unbesetzt. Das sind rund doppelt so viele wie vor der CoV-Pandemie und sechsmal so viele wie bei der ersten Erhebung der NFER im Jahr 2010.

Eine der größten Belastungen für Lehrpersonen sind laut NFER ein immer schlimmer werdendes Verhalten der Schülerinnen und Schüler sowie die immer größer werdenden Klassen aufgrund des Personalmangels.

 

Vor allem junge Lehrkräfte verlassen häufig den Beruf, und zunehmend weniger würden sich für den Lehrberuf entscheiden. Laut britischem Bildungsministerium gaben in England fast genauso viele Lehrende ihren Beruf auf, wie neue dazugekommen sind. Eine der größten Belastungen für Lehrpersonen sind laut NFER ein immer schlimmer werdendes Verhalten der Schülerinnen und Schüler sowie die immer größer werdenden Klassen aufgrund des Personalmangels.

Personalsituation eines der Wahlversprechen

Die britische Regierung hatte versprochen, 6500 neue Lehrerinnen und Lehrer bis 2029 einzustellen. Ohne Veränderungen würde diese ihr Versprechen jedoch nicht einhalten können, heißt es in dem Schreiben der Gruppe weiter. Die Schulen sollten die Möglichkeit haben, verschiedene Stundenpläne zu testen, darunter “kontrollierte Viertagewocheversuche”, um Lehrkräfte und Hilfspersonal zu entlasten und dabei Daten zu erheben, wie die Unterrichtsqualität und schulische Leistungen verbessert werden können.

Es gebe zwar einige praktische Herausforderungen, etwa im Zusammenhang mit der Stundenplanerstellung, allerdings sei das Gesamtbild sehr positiv.

 

In einer Analyse des Rechnungsprüfungsausschusses (Public Accounts Committee) des britischen Parlaments vom Juli kam man zu dem Schluss, dass das Bildungsministerium die Hauptgründe für die Abgänge von Lehrerinnen und Lehrern nicht verstehe und daher keinen schlüssigen Plan habe, um die Personalprobleme in den Griff zu kriegen. In dem Bericht heißt es zudem, dass Vollzeitlehrkräfte ab der Unterstufe im Schnitt 50,3 Stunden pro Woche arbeiten würden.

Versuche mit ähnlichen Arbeitszeitmodellen

In der Vergangenheit gab es in Großbritannien bereits an mehreren Schulen Experimente mit Viertagewoche und ähnlichen Arbeitszeitmodellen. Der Dixons Academies Trust führte im September 2024 in 16 Schulen in Bradford, Leeds, Liverpool und Manchester eine Neuntageregelung ein, bei der das Lehrpersonal alle zwei Wochen einen Tag bei voller Bezahlung freihat, während der Vollzeitunterricht für die Schülerinnen und Schüler beibehalten wird.

Vollzeitlehrkräfte ab der Unterstufe arbeiten im Schnitt 50,3 Stunden pro Woche.

Bisherige Untersuchungen ergaben, dass sich das Wohlbefinden und die Arbeitsmoral dadurch verbessert haben, die Work-Life-Balance besser geworden und das Interesse potenzieller Bewerberinnen und Bewerber gestiegen ist. Es gebe zwar einige praktische Herausforderungen, etwa im Zusammenhang mit der Stundenplanerstellung, allerdings sei das Gesamtbild sehr positiv, hieß es.

Regierung gegen formelle Viertagewoche

Die nationale Bildungsgewerkschaft forderte im September, dass alle Vollzeitlehrkräfte einen Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten dürfen und mehr Flexibilität erhalten sollen. Bildungsministerin Phillipson hatte zuvor ebenfalls erklärt, dass ihrer Meinung nach Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen in England das Recht haben sollten, außerhalb des Klassenzimmers an der Unterrichtsvorbereitung sowie der Benotung und Bewertung von Schülerinnen und Schülern zu arbeiten.

Schottische Gewerkschafter bezeichneten die Arbeitsbelastung für Lehrkräfte als “lähmend”.

 

Eine formelle Einführung einer Viertagewoche für Lehrende lehnt die Ministerin jedoch ab. In kürzlich veröffentlichten Leitlinien der britischen Regierung für England heißt es, dass “alle staatlich finanzierten Schulen an fünf Tagen in der Woche vormittags und nachmittags geöffnet sein und Unterricht anbieten sollen”. Aus dem Bildungsministerium hieß es gegenüber dem „Guardian“ zudem, dass “im letzten Jahr die Abgangsrate von Lehrerinnen und Lehrern so niedrig war wie seit 2010 nicht mehr”.

Schottische Regierung prüft Viertagewoche

Die schottische Regierung hatte letzte Woche angekündigt, eine Viertagewoche zu prüfen, wodurch Lehrerinnen und Lehrer einen Tag pro Woche Zeit hätten, sich auf Unterrichtsvorbereitung oder Benotungen zu konzentrieren. Die Debatte ist in Schottland schon länger Thema. Gewerkschafter bezeichneten die Arbeitsbelastung für Lehrkräfte als “lähmend”. Die Regierungspartei Scottish National Party (SNP) hatte 2021 versprochen, die maximale wöchentliche Anwesenheitszeit für Lehrkräfte von 22,5 auf 21 Stunden zu senken.

Während Schulen in Großbritannien in der Regel fünf Tage pro Woche geöffnet sind, hat sich in den USA ein Wandel vollzogen: 2100 öffentliche Schulen in 26 Bundesstaaten sind zu einer Viertagewoche übergegangen. Allein in Texas stieg die Zahl von 30 Schulen im Schuljahr 2020-21 auf über 500 im Schuljahr 2024/25, wie der Texas Tribune zuletzt berichtete. Schulen, die diese Umstellung vorgenommen haben, berichteten, dass die Zahl der Bewerbungen für Lehrerinnen- und Lehrerstellen stark gestiegen ist.

 

Legende Beitragsbild: Vor allem Junge würden sich erst gar nicht für den Lehrberuf entscheiden. (Quelle: Getty Images/Monkeybusinessimages)

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