Der im galizischen Lemberg geborene jüdische Immunologe und Wissenschaftstheoretiker Ludwik Fleck veröffentlichte 1935 in Basel sein wissenschafts-theoretisches Grundlagenwerk „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“. Hier verarbeitete er seine praxisnahen Laborerfahrungen – die er später zwangsweise in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald fortsetzen musste – zu einer wissenschaftstheoretischen Fundamentaleinsicht: Wissenschaftliche Tatsachen sind Produkte sozialer Konstellationen; Fleck spricht von „Denkkollektiven“, die wiederum einen je eigenen „Denkstil“ hervorbringen, wie zum Beispiel das Konzept „Klimawandel“ oder „Corona“, in der Bildungspolitik wären dies «Mehrsprachigkeit», «Integration» «sekektionsfreie Schulen» usw.. Das in diesen Denkkollektiven erzeugte Wissen wird populär, es dringt in die alltägliche Lebenswelt ein und erhält erst dort jene „Gewißheit, Einfachheit und Anschaulichkeit“, die genuin wissenschaftliches Wissen nie haben kann.

Die Pointe von Flecks Argumentation ist nun die Beobachtung, dass dieses zur Gewissheit gewordene Alltagswissen in die Wissenschaft zurückkehrt. Die Wissenschaft erlegt sich nun selbst die Verpflichtung auf, sicheres Wissen zu produzieren, obwohl sie weiß, dass sie es nicht kann: „Wahrheit“ erscheint jetzt als objektive Qualität. Unter diesem Diktat teilen sich die Wissenschaftler in zwei Klassen: „in schwarze Charaktere, die die Wahrheit verfehlen und in weiße, die sie finden“, wie Fleck schreibt. Man kann es auf eine vereinfachte Formel bringen: Wissenschaftliches Wissen ist stets dem Zweifel unterworfen, Alltagswissen ist zweifelsfrei. Und in diesen Alltagsdiskurs werden nun Sätze eingeflochten wie: «Studien besagen…» oder «Es ist wissenschaftliche einwandfrei belegt, dass…»
Fleck notierte diese Befunde 1935 aufgrund seiner Erfahrungen mit der medizinischen, besonders der epidemiologischen Forschungspraxis. Der Bildungsdiskurs der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts hätte ihm ein reiches Anschauungsmaterial für die Richtigkeit seiner These vom Zwang der „Denkkollektive“ gebracht. Die politischen Auswirkungen konnten ihm damals allerdings noch nicht in ihrer ganzen Drastik vor Augen stehen. Heute gehören seine Einsichten zum Standardwissen der Wissenschaftstheorie.
Tatsachen, wie auch immer sie zustande gekommen sind und wie viele es auch immer sein mögen, können nur dann politische Bedeutung gewinnen, wenn sie sich in ein sinnstiftendes Gedankengebäude einfügen lassen. So sind dies beispielsweise die «Urbanstudies» in der Basler Universität, “der Postkolonialismus” oder die “Genderstudies” solche gedankliche Konstrukte, welche die universitären Fakultäten erobert haben. Wenn ein solches Gedankengebäude die größtmögliche Geschlossenheit erreicht hat, spricht man von „Ideologien“, die in ihrer höchsten Vollendungsstufe Tatsachen absorbieren und am Ende überflüssig machen. Solche Ideologien gibt es in totalitären Staaten und in abgeschwächter, aber dennoch nicht wirkungsloser Form auch in unseren Universitäten, PH’s und bildungsbürokratischen Einrichtungen.
Den ganzen Text von Peter J. Brenner finden Sie hier: https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2025/09/Audimax-32-Wahrheit.pdf


Wenn “Wissenschaft” weder Wissen schafft noch vom Schaffen weiss…