In der Welt der progressiven Bildungsgestalter klingt es nahezu perfekt: In der integrativen Schule wird jedes Kind bestmöglich betreut; von einer Lehrerin, die nicht autoritär unterrichtet, sondern begleitet, sanft coacht; die starken Schüler helfen den schwächeren, man bringt sich gemeinsam vorwärts; Ausgrenzungen, ja Stigmata wie Kleinklassen sind nur noch eine schlechtere Erinnerung an frühere Zeiten, als die schwarze Pädagogik die Schule in einen Ort der Angst verwandelt hat.
Die Realität ist eine andere. Die Schule wurde umgemodelt in eine Therapieanstalt, für jedes Kind, das nur ein bisschen von der Norm abweicht (und das sind viele), gibt es heute ein Sondersetting. Gemeinsam vorwärtskommen mit stark individualisiertem Unterricht: Wie soll das gehen? Wer intrinsisch motiviert lernen möchte, trägt im Klassenzimmer längst Gehörschutz.

Bekannt ist, dass die integrative Schule die Leistungen der Schüler nun wirklich nicht verbessert hat. Ein Viertel aller Fünfzehnjährigen kann nicht mehr richtig lesen. Schreiben von Hand ist eine Tortur. Rechnen? Na ja.
Die integrative Schule überfordert alle – Schüler, Eltern und vor allem die Lehrer. Damit der Alltag zumindest halbwegs aufrechterhalten werden kann, werden viele Kinder zu Sonderschülern gemacht, obschon sie gar keine sind.
Das hört man nicht gerne, lieber verschleiert man das Offensichtliche und kaschiert Mängel gerne mit sogenannten Nachteilsausgleichen. Mehr Zeit für einen Test. Vorlesen der Aufgabe. Weniger Fragen. Oder weniger schwierige. Bis das Resultat irgendwie stimmt. Natürlich nicht ausgewiesen mit einer Note, das wäre wohl zu anachronistisch, manchmal reicht bereits eine Bestätigung, dass ein Schüler den Unterricht besucht hat.
Hauptsache, man hält die Inklusion hoch – und muss sich nicht mit dem Gedanken befassen, ob es nicht doch sinnvoller wäre, wieder flächendeckend auf Kleinklassen zu setzen. Der Bildungsforscher Andrea Lanfranchi, einer der eifrigsten Befürworter des integrativen Modells, sagt beispielsweise, dass die integrative Schule nun erst recht gestärkt werden müsse. Wie, fragt man sich, könnte man dann noch mehr inkludieren?
Die totale Überforderung
Doch die bildungspolitische Lebenslüge kollidiert mit der Realität. Mehrheitlich nicht bemerkt von der Bevölkerung werden immer mehr Kinder in Sonderschulen geschickt. In Bern wurden allein im letzten Schuljahr 50 neue Klassen geschaffen, im Aargau waren es 150 Plätze, in anderen Kantonen ist dieser Trend ebenfalls ersichtlich. In Zürich gab es vor zwanzig Jahren etwa 3000 Sonderschüler, heute sind es 9000.
Der Grund für diese Entwicklung ist simpel: Die integrative Schule überfordert alle – Schüler, Eltern und vor allem die Lehrer. Damit der Alltag zumindest halbwegs aufrechterhalten werden kann, werden viele Kinder zu Sonderschülern gemacht, obschon sie gar keine sind.
Kamen früher Kinder mit einer Behinderung, geistig oder körperlich, in eine Sonderschule, sind es heute vielmals Verhaltensauffällige und Migranten, die die Schulsprache (noch) nicht beherrschen. Unterrichtet von Lehrern, die etwa speziell ausgebildet sind für Menschen mit Trisomie 21. Jetzt müssen sie sich hauptsächlich um Störenfriede kümmern.
Heuchelei
Es wirkt paradox, dass nun ausgerechnet die Verfechter der totalen Integration dafür gesorgt haben, dass mehr separiert wird denn je. Dass das wenig Sinn ergibt, ist offensichtlich und entlarvt die selbsternannten Inklusiven als Heuchler. Sonderschulen sind tatsächlich isolierend: Sie liegen oft weit weg von anderen Schulhäusern, also vom eigenen Wohnort, meist handelt es sich um kleine Privatschulen. Wer dagegen eine Kleinklasse besuchte, ginge ins selbe Schulhaus wie jene, die eine Regelklasse besuchen. Der Schulweg bleibt gleich, die Gspänli sind dieselben. Ein Wechsel ist dank der Durchlässigkeit des Schweizer Bildungssystems jederzeit möglich. Das wäre sozial und wahre Inklusion.
Umso richtiger ist es, dass verschiedene Kantone die Wiedereinführung – oder, wo sie noch dezimiert bestehen: die Stärkung – von Kleinklassen beschlossen haben oder vorantreiben. Wie Basel-Stadt, Zürich oder der Aargau.


Für normal Denkende war diese Entwicklung absolut vorhersehbar. Die Inklusion, so wie sie eben gelebt wird, setzt geradezu Exklusion vor aller Augen voraus. So geht ideologischer Irrsinn. Und der ist noch nicht fertig: “Schule ohne Selektion” ist das nächste Grossprojekt in der Pipeline wahnsinnig gewordener Politiker und Schulleitender.
Unlängst war eine Primarlehrerin (Unterstufe) bei uns zu Besuch. In ihrer Klasse können deutlich mehr als die Hälfte ihrer Schülerinnen und Schüler KEIN Deutsch. Piktogramme und Zeichensprache sind angesagt…
Die berechtigte und existentielle Frage an die Adresse der Reformturbos lautet: Wie weit wollt ihr es eigentlich noch treiben mit eurer Reformitis?