Die Zielsetzungen der Bildungspolitik um die Jahrtausendwende waren hochgesteckt. Die Lehrerbildung wurde verlängert und auf Fachhochschulstufe angehoben. Der neue Lehrplan sollte allen Schulen den Weg zu einem Spitzenplatz weisen und die Klassengrössen wurden schrittweise herabgesetzt. Damit dies gelingen konnte, wurden die durchschnittlichen finanziellen Aufwendungen pro Schüler massiv erhöht. Die Euphorie der damaligen Zeit mit den grossen Bildungsversprechungen erlaubte es, jedes noch so aufwändige Schulprojekt problemlos an der Urne durchzuwinken.

Doch ein Vierteljahrhundert später reiben wir uns die Augen und fragen, wo der angekündigte Sprung nach vorn geblieben ist. Die aktuelle Kritik an den Bildungsreformen muss man im Licht der vollmundigen Ankündigungen sehen. Es schleckt keine Geiss weg, dass ein Grossteil dieser Fortschrittsziele bei weitem nicht erreicht wurde und teils sogar Bruchlandungen zu verzeichnen sind. Wer so viel Geld in die Schule gesteckt und quasi eine wissenschaftlich begründete Garantie für eine positive Schulentwicklung abgegeben hat, darf zur Rede gestellt werden.
Die Blindflüge bei den Reformen sind ein Ärgernis. Allzu oft haben wir es erlebt, dass neue didaktische Konzepte hochgejubelt und ohne Erprobungsphase gleich eingeführt wurden. Ein trauriges Beispiel dafür ist das überzogene Mehrsprachenkonzept der Primarschule. Der Aufwand für die Frühfremdsprachen ist enorm, der Erfolg jedoch äusserst bescheiden. Doch ein Abbruch der Übung steht nicht auf der Traktandenliste der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz.
Verzögerte und schubladisierte Auswertungen
Noch störender ist die grosse Abneigung der Bildungsverantwortlichen vor dem Evaluieren der Reformen. Sobald man ahnt, dass eine Neuerung nicht den erhofften Erfolg bringt, werden die versprochenen Tests hinausgezögert oder schubladisiert. Man ist peinlichst bemüht, schwache Resultate zu vermeiden, um keine Fehlentwicklungen eingestehen zu müssen. Doch die happigen Aufwendungen für die ewigen Schulbaustellen führen zu einer anhaltenden Verschleuderung wertvoller pädagogischer Ressourcen.
Die Kompetenzziele tönen zwar grossartig, doch das überladene Bildungsprogramm kann die hohen Erwartungen in vielen Fächern nicht erfüllen.
Die Blindflüge sind leider keine Einzelfälle. So erfolgte auch die aufwändige Umstellung des Lehrplans auf eine radikale Kompetenzorientierung grösstenteils ohne vorherige Erprobungen. Die Kompetenzziele tönen zwar grossartig, doch das überladene Bildungsprogramm kann die hohen Erwartungen in vielen Fächern nicht erfüllen. In Geschichte beispielsweise herrscht heute eine inhaltliche Beliebigkeit, welche die Qualität der geschichtlich-politischen Grundbildung ernsthaft infrage stellt.
Dogmen erinnern an Durchhalteparolen
Der zielloseste Blindflug ist aber zweifellos die schulische Integration. Schon seit Jahren verlangen erfahrene Klassenlehrkräfte flexiblere Lösungen beim Umgang mit stark verhaltensauffälligen Schülern. Doch alle Vorschläge zur Wiedereinführung von Förderklassen sind bisher an den sturen Integrations-Leitsätzen gescheitert. Diese Dogmen erinnern unterdessen mehr an Durchhalteparolen als an eine am Schulerfolg und der Kunst des Möglichen orientierten Schulentwicklung.
Der Vorwurf, die Bildungspolitik der letzten Jahre sei von pädagogischer Ziellosigkeit und grosser Abneigung vor Überprüfungen der eigenen Reformen geprägt gewesen, ist berechtigt. Der dadurch entstandene Schaden ist enorm. Es bleibt zu hoffen, dass eine mutigere Generation von Bildungspolitikern die Blindflüge stoppt und die aufgestauten Herausforderungen endlich anpackt.