So verlautbart das Ed-Startup Scobees im O-Ton seine Strategie: “Um eine alternative Lernkultur an einer Schule umzusetzen, müssen wir sowohl Schülerinnen und Schüler auf ein selbständiges Lernen vorbereiten, als auch die Haltung und Werte der Lehrkräfte ändern”… (aus: https://scobees.com). Was soll das heißen? Es heißt, dass Scobees es sich zum Ziel setzt, Widerstände gegen ein “selbständiges Lernen” zu beseitigen. Was meinen Ed-Experts, wenn sie “selbständiges Lernen” anstreben? Das wird am Beispiel von Scobees und deren Angeboten deutlich.
Sie sind Ratgeber für den digitalen Wandel in der Schule. Dafür bieten sie den “Praxisleitfaden Transformation” an für die “Neue vernetzte Lernkultur”. “Scobees bricht starre Lernprozesse auf und stellt mit dynamischen und selbstbestimmten Lernwegen den Lernenden in das Zentrum von Handlungen.” Also im Klartext: Die Kinder arbeiten allein am Computer und werden von Algorithmen durch die Programme geleitet und beurteilt – alles über den Bildschirm vermittelt. Wir sind keine “(Frontend-)Manager”, aber das wollen Lehrer und Lehrerinnen gar nicht sein, weil das für die Arbeit nach einem guten, theoretisch und praktisch gereiften Bildungsbegriff nicht ausreicht.
Einem Kind in Deutschland steht nämlich folgendes mindestens zu: arbeiten in der Gemeinschaft, ständige Präsenz methodisch und didaktisch ausgebildeter Lehrer*innen als Bezugspersonen mit psychologisch-pädagogischer Ausbildung, fachwissenschaftlich geprüfte Curricula, Erziehung zur Persönlichkeit, Erziehung zur Menschlichkeit, Erziehung zur Konfliktbereitschaft und Konfliktbewältigung, seine Bildung als ein sozialer Auftrag des Staates und seine unantastbare Würde. Darüber hinaus muss es vor jedweder Manipulation geschützt werden und es ist in der Schule für später so auszustatten, dass es solche zu durchschauen vermag.
Gestandene Universitäten und gestandene Schulen werden von oben herab “verkauft”.
Man sollte das Gute im Staat nicht ersetzen, weil man es technisch kann, man sollte es nur dann ersetzen, wenn das Neue entschieden und nachgewiesen besser ist und wenn man es demokratisch so entschieden hat. Das läuft falsch: Gestandene Universitäten und gestandene Schulen werden von oben herab “verkauft”. Stress sollte uns nicht der globale Wettbewerb machen, vielmehr sollten wir auf die globale Erwärmung achten, die letzterer erzeugt. Mit welchem Recht geschieht das alles trotz alledem?
Kompetenz ist nicht Befugnis!
Die “Schulbienen” erklären ihre Vision: “Lernkultur zeitgemäß gestalten und nachhaltig verändern – Scobees bricht starre Lernprozesse auf und stellt mit dynamischen und selbstbestimmten Lernwegen den Lernenden in das Zentrum von Handlungen. Vernetzt, digital und nachhaltig für den Wandel.” Die Biene ist ein notwendiges und bedrohtes Insekt und daher bereits ein Sympathieträger. Die Scobees sind also wichtig, ihnen ist wichtig: Der Wandel! Für ihn “nachhaltig” sein! Das Netz! Zeitgemäß sein! Aufbruch der “starren” Prozesse! Schüler*innen endlich ins “Zentrum” von Handlung zu rücken!
Hier sind mindestens sechs falsche Annahmen unterstellt, die, offenbar werbetechnisch eingesetzt, das Vertrauen in die staatlich examinierten Lehrkräfte und deren jahrzehntelanges Bemühen in Misskredit bringen sollen. Pädagoginnen befassen sich immer schon mit Menschen, um deren Wandel (Entwicklung) und den Wandel der Gesellschaft. Dafür sind die verbeamteten Lehrer*innen wie auch Erzieher*innen vom Staate her mit demokratischem Auftrag und Eid befugt, dafür zu bilden und zu erziehen.
Seit Mitte der 90er Jahre haben wir in den Schulen ständig mit deutlich unpädagogisch motivierten, sogenannten Reformen zu tun, die den Vergleich, den Wettbewerb, die Effizienz mit Begriffen und Idealen des Marktes in das soziale System Schule einbringen.
Im Zentrum des Handelns stehen bislang die Schüler*innen, das ändert sich aber zusehends gerade durch die Übernahme ökonomisierender Praktiken auch durch die Einmischungen von sogenannten Ed-Experts. Diese “zeitgemäßen” Praktiken führen zur Verwaltung und Sortierung der Kinder als Produkte für den Arbeitsmarkt. Hierfür werden die offene Vernetzung und die algorithmisierte, also berechnete und damit wirklich “starre” Bewertung effektiv und billig nutzbar.
Seit Mitte der 90er Jahre haben wir in den Schulen ständig mit deutlich unpädagogisch motivierten, sogenannten Reformen zu tun, die den Vergleich, den Wettbewerb, die Effizienz mit Begriffen und Idealen des Marktes in das soziale System Schule einbringen. Sich dagegen zu wehren war und ist kräfteraubend. Dabei haben wir es dennoch geschafft, das Kind als Individuum und Gemeinschaftswesen im Auge zu behalten und es nicht bloß nach Kompetenz und Leistung zu verwalten.
Schulen als Schonraum zum Schutz der Würde der Kinder
Um seine Würde zu schützen geben wir es nicht einfach einem offenen Netz preis. Wir versuchen, trotz allgemeiner Forderung, die Kinder auf “zeitgemäße” Gadgets und das Internet loszulassen, deren Rechte und Daten zu schützen, indem wir die Schule im Gegenteil als Schonraum definieren, der nicht dem Markt preisgegeben werden darf. Die Kinder und der Erziehungs- und Bildungsprozess müssen ein gemeinsames soziales Anliegen bleiben. Hierhin sollten die Steuergelder fließen.
Sie aus Geldmangel an den Meistbietenden zu verkaufen, hieße die Zukunft einer fragwürdigen Ideologie zu überantworten, der es nicht um die Kinder geht, sondern um einen zweifelhaften Fortschritt, um Erhöhung von X, Erweiterung von Y, Verbesserung von Z, Optimierung durch Ökonomisierung und den Erhalt eines ewig prosperierenden Wohlstandssystems. Dieser Traum ist zeitgemäß – ausgeträumt. Auch wenn der Markt es will, er sollte es nicht haben!
Wenn Business-Slang als Beweis für die “neoliberale Ökonomisierung” der Schule vorgebracht wird, dann frage man mal einen richtigen Ökonomen, was er von der schädlichen Reformitis der letzten Jahrzehnte hält. Zum Beispiel zum LP21 oder zu zwei frühen Fremdsprachen oder zum integrativen Unterricht usw. Ein vernünftiger Ökonom erwartet von der Staatsschule nur, dass die Abgänger am Ende der obligatorischen Schulzeit lesen, rechnen und schreiben können. Aller Krims-Krans, der von dieser Aufgabe ablenkt, gehört abgeschafft.
Zumal viele dieser bürokratischen Irrwege in den Betrieben schon längst wieder abgeschafft worden sind. Nur die Bildungsverwaltung und ihre Korporale in den Schuleinheiten haben dies noch nicht bemerkt.