27. Juli 2024
Christine Staehelins Kommentar zur aktuellen Reformdebatte

Wenn eine Laienpredigt die Glaubwürdigkeit der Volksschule untegräbt

Condorcet-Autorin Christine Staehelin kritisiert die gegenwärtigen Forderungen der selbsternannten Bildungsrevolutionäre als oberflächlich, unsachlich und ohne jede Evidenz.

Christine Staehelin, Primarlehrerin, Mitglied des Bildungsrates und der GLP-Basel: Kein pädagogischer Inhalt mehr.

Keine noch so erfolglose Reform der letzten dreissig Jahre schwächt das Ansehen und das Vertrauen in die Volksschule so sehr, wie der aktuelle Diskurs rund um die Abschaffung der Selektion, der Notengebung, des instruktiven Unterrichts, des Klassenunterrichts und der Hausaufgaben.

Diese unsachliche, oberflächliche und ohne empirisch begründete Argumente geführte Debatte –  falls man hier überhaupt von einer solchen sprechen kann, denn sie erinnert eher an eine Laienpredigt selbsternannter Heilsbringer – trifft die Glaubwürdigkeit der Volksschule mitten ins Herz. Und das schadet ihr mehr als alles andere. Denn wenn wir die Öffentlichkeit glauben lassen wollen, dass die Volksschule total umgekrempelt werden sollte, dann sprechen wir dieser Institution in ihrer aktuellen Form ihre Funktionsfähigkeit ab. Alle jene, die meinen, mit ihren sonderbaren, nicht nachvollziehbaren und ideologisch geprägten Ansätzen irgendetwas zur Verbesserung der Volksschule beizutragen, irren sich deshalb ganz grundsätzlich. Das einzige, was aus der aktuellen Debatte resultieren wird, sind die Destabilisierung der Institution und die verantwortungslose Auflösung der pädagogischen Aufgabe, welche die ältere Generation gegenüber der jüngeren zu erfüllen hat. Während die Reformen sich immer – wenn auch grösstenteils in einer unglücklichen Art und Weise – auf eine pädagogische Institution bezogen, haben die neuen Ansätze, welche in den Medien nun propagiert werden, gar keinen pädagogischen Inhalt mehr. Dies ist nicht nur für die Schule selbst tragisch, sondern auch für jene, welche die Debatte anführen, da sie nicht merken, worüber sie eigentlich reden und wohin das tatsächlich führen wird.

image_pdfAls PDF herunterladen

Verwandte Artikel

Es war einmal: Ein Diktat 1941

Immer wieder erreichen den Condorcet-Blog Bilder, Nachrichten und Mitteilungen von interessierten Leserinnen und Lesern. Hier ein Diktat einer 13-jährigen Schülerin aus dem Jahr 1941.

“Die beste Reform ist eine, die gar nie gestartet wurde” – TEIL 2

Akzeptanz ist eines der Schlüsselwörter für den emeritierten Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers. Wird eine Schulreform von der Gesellschaft und den Pädagogen akzeptiert, gelingt sie, sonst nicht oder verläuft anders als gedacht. Im zweiten Teil über den “Reformwahn” im Schweizer Bildungswesen spricht Oelkers über die ewigen Reformbestrebungen zur Notengebung, über die Reformen, die die Lehrer belasten, aber dem Unterricht nichts bringen, sowie über die Zukunft der Schule. Das Interview ist zuerst im Nebelspalter erschienen. Das Gespräch führte Daniel Wahl.

Ein Kommentar

  1. Genau!
    Das Schlimme ist, dass diejenigen, welche die Volksschule in sog. Führungspositionen verantworten sollten, dafür sorgen, dass ebendiese Volksschule zerstört wird. Und das meine ich sehr ernst. Eltern haben zunehmend die Schnauze voll von diesem Theater und suchen nach Alternativen. Der Staat hat fertig. Und das ist vielleicht ganz gut so…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert