Ausgangspunkt für meine Überlegungen ist die Frage nach Gerechtigkeit. Zugegeben, eine schwierige Frage. Ich neige stark der Haltung von Amartya Sen[i]und Martha Nussbaum[ii] zu, welche sich mit ihrem Befähigungsansatz gegen alles Utilitaristische wenden. Ungemein – allenfalls sogar unzulänglich – verkürzt: Das Gemeinwesen hat alles Zumutbare dafür zu tun, dass sich eine Person gemäss ihren Fähigkeiten entwickeln und an der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben kann. Tut das die Schule? Wenn ich die verschiedenen Studien zur Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten und/oder bildungsfernen Schichten oder solchen, welche bei der Selektion (noch) nicht soweit waren, lese, ist das offensichtlich nicht so. Sei das bei Hochbegabten oder Kindern/Jugendlichen mit Entwicklungsverzögerungen oder Lernstörungen[iii] oder bei Kindern mit sozialer Benachteiligung, wie der Schweizer Wissenschaftsrat 2018 festgestellt und entsprechende Empfehlungen formuliert hat[iv].
Es ist stossend, dass im aktuellen System offenbar eine Ungerechtigkeit innewohnt, ja gepflegt wird, ohne dass sich die Trägerschaft und die Verantwortlichen darum scheren.
Theorie und Praxis
Zugegeben, es ist ein schwieriges Thema und Überlegungen, was denn verändert werden müsste, werden rasch von der grossen Komplexität überstrahlt, welche den Themen rund um die Bildung innewohnt.
Fragen nach der Messbarkeit von Bildung, was denn überhaupt Bildung sei und zu leisten hat, tauchen da auf. Vieles bleibt theoretisch, auch die Ideen und Vorstellungen, was denn wie sein könnte oder müsste. Der Übergang zur Praxis ist dornenvoll.
Konkret sollten aus meiner Sicht die Eigenständigkeit und die Entwicklung vor Ort an erster Stelle stehen. Jede Schule sollte die Möglichkeit haben, sich so zu entwickeln, wie das Kollegium, die Eltern und die Gemeinde das mittragen können. Lehrpersonen und Schulleitungen müssen in die Diskussion einbezogen werden, ja an deren Ursprung stehen. Ihnen muss jedoch von der Politik (und der Gesellschaft) auch signalisiert werden, dass ihre Anstrengungen, Wünsche und Visionen Aussicht auf Erfolg haben. Dazu braucht jede Schule den grösstmöglichen Freiraum. Die Forderung nach Aufhebung der Selektion ist hier nur ein Schlagwort. Eigentlich geht es (mir) um die Neugestaltung und das Überdenken der Schule, ja der Bildung als Ganzes. Wie es Rahel Tschopp im Magazin des TA vom 2.2.24[1] formuliert, eine neue Grammatik der Schule muss her. Auf proEDU[2] sind mittlerweile etliche Schulen zusammengefasst, welche sich aktiv um eine Neuausrichtung und
um grundlegende Veränderungen bemühen[3], doch gemessen an den vielen Schulen, welche sich mit dem herkömmlichen System zuweilen schwertun, sind das wenige: Zu Beginn des Schuljahres 2021/22 gab es in der Schweiz 5 436 Schulen auf der Primarstufe 1-2 (Kindergarten/Eingangsstufe), 4 602 auf der Primarstufe 3-8 und 1 614 auf der Sekundarstufe I, also rund 11650 Schulen.[4]
Das System Schule ist (zum Teil noch) verschlossen
Die Schulen (Lehrpersonen und zum Teil Schulleitungen) haben einen Reflex entwickelt, sehr sensibel, ja ablehnend und verschlossen auf jegliche Hinweise aus der Forschung zu reagieren und dieser ihre Praxisferne vorzuhalten. Als Beispiel die Replik von Felix Hoffmann[5] auf das Interview mit Hans Brügelmann[6] oder die Reaktion von Felix Schmutz auf den Artikel von Rahel Tschopp[7] auf condorcet. Man wehrt sich gegen alles, was aus dieser Ecke kommt. Ob all der Streitereien werden die Schulen von der Wirtschaft und der realen Welt überrollt.
Die Schule wird nicht einbezogen
Heute ist es doch so, dass die Wirtschaft der Schule sagt, wie sie zu sein hat, was gute Bildung ist. Seien es Microsoft, Google[8] etc., welche mit immer neuen Tools und Innovationen die Schulen überfluten. Sie sagen und bestimmen massgeblich mit, was “gute” und “richtige” Bildung ist. In ihrem Schlepptau sind es dann die Verlage und Anbieter von Bildungsprodukten[9], welche die entsprechenden Lehr- und Hilfsmittel produzieren. Oder seien es die Sekundarstufe II, die Berufsbildung oder economie suisse[10], welche durch ihre Forderungen der (Grund-) Schule sagen, was sie brauchen und was diese anders machen müsste. Oft wird dabei “die Schule” angesprochen, ihr vorgehalten, was sie zu tun oder zu lassen hätte. Dabei gibt es “die Schule” so gar nicht und wenn etwas konkret zu werden droht, sind es sofort die Gemeinden und Kantone, welche das Sagen haben und es wird kompliziert.
Nomen est omen – Die Trägerschaft ist träge
So ist auch klar, dass es auf Bundesebene keine Lobbygruppe[11] für “die Schule” gibt und in den Kantonen wird es wohl ähnlich sein. Die Schulen selber haben jedoch immer das Nachsehen, müssen diese und jene Forderung erfüllen. Sie reagieren immer nur und haben kaum Gelegenheit zur aktiven Mitgestaltung. Wenn sie gefragt werden, dann erst im Nachhinein. Sie können allenfalls dazu Stellung nehmen, wie sie nun mit den Anforderungen umzugehen gedenken. Und auch dann sind es lange nicht alle. Viele Lehrpersonen haben gar nicht die Zeit und Geduld an solch wichtigen, jedoch langwierigen Prozessen teilzunehmen. Die Kantone, als Verantwortliche für das Bildungswesen, kommen jeweils mit Verzögerung ins Spiel – politische Prozesse dauern. Wenn der Zug schon lange Fahrt aufgenommen hat, die PICTS und Schulleitungen landauf und -ab sich kundig gemacht und für ihre Schule einen Umgang mit den Neuerungen zurechtgelegt haben, kommen die Erziehungsdepartemente, bzw. Regierungsräte auch in die Gänge und machen sich daran, Leitlinien zum Umgang mit dem Neuen verfassen zu lassen (Beispiel Kanton Bern[12] ).
Eine breite Diskussion mit allen
Die Vorstellung von Bildung und was die Schule leisten soll, muss breit und unter Einbezug der Schulen und ihren Protagonisten diskutiert werden. Aus meiner Sicht muss sich die Vorstellung grundlegend verändern. Vielleicht ist die Forderung nach der Abschaffung der Selektion der erste Schritt auf diesem Weg, vielleicht wäre die Abschaffung der Noten einfacher, ich weiss es nicht. Jedenfalls beobachte ich eine Zunahme der Diskussionen rund um diese Themen – das ist erfreulich. Auch wenn in Diskussionen vor allem aus bürgerlichen Kreisen schnell (Killer-) Argumente wie “zu utopisch” oder “nicht finanzierbar” vorgebracht werden.
Ich bin nicht so naiv, dass ich denke ohne die Selektion oder durch alternative Beurteilungsformen würde alles besser oder selbst der Weg dahin sei einfach.
Aber ohne diese Fragen zu diskutieren, geschieht gar nichts und die Ungerechtigkeiten bleiben bestehen – das stört mich und kann eigentlich auch in niemandes Interesse sein.
[1] https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2024/02/Die-Schule-der-Zukunft.pdf
[3] Neu bei der Schulvisite – Pro Edu
[4] (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/bildungsinstitutionen/schulen.html)
[5] https://condorcet.ch/2024/02/hans-bruegelmann-will-foerderorientierte-rueckmeldungen-eine-replik/
[6] https://condorcet.ch/2024/01/unternehmen-schaetzen-aussagekraft-der-noten-sehr-gering-ein/
[7] https://condorcet.ch/2024/02/eine-bildungsexpertin-weiss-rat/
[8] https://www.microsoft.com/de-ch/education , https://edu.google.com/intl/ALL_ch/
[9] https://www.startup-insider.com/tag/bildung
[10] https://www.economiesuisse.ch/de/artikel/das-notensystem-den-schulen-ist-ungenuegend
[11] https://lobbywatch.ch/de/daten/lobbygruppe
[12] https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=0792e8936cf541dfb0ade0adcd803957 , eingereicht am 14.06.23, wann dann die Richtlinien effektiv in den Schulen ankommen, ist unklar.
[i] https://www.soziopolis.de/amartya-sen.html
[ii] https://wp.uni-oldenburg.de/politische-philosophinnen/martha-nussbaum/
[iii] https://www.bildungsgerechtigkeit.ch/hintergrundwissen/literaturverzeichnis/; https://chanceplus.ch/;
[iv] https://wissenschaftsrat.ch/images/stories/pdf/de/Politische_Analyse_SWR_3_2018_SozialeSelektivitaet_WEB.pdf
Der Bericht “Soziale Selektivität” des Wissenschaftsrates malt ein zu schwarzes Bild. Tatsache ist, dass das Schweizer Schulsystem immerhin die Chancen bereitstellt, die fast allen Jugendlichen in der Schweiz erlaubt, einen Beruf zu erlernen und nicht der Arbeitslosigkeit ausgesetzt zu sein. Die Möglichkeiten, soziale Nachteile bei der beruflichen Laufbahn auszugleichen, sind vorhanden und werden genutzt. Unter den Ländern, die weniger selektionieren, sind einige mit schlechterer Chancenverteilung, z.B. Frankreich mit seinem Banlieue-Problem. Der Irrtum Jürg Leuenbergers: Er blendet aus, dass Schule aus zwei Akteuren besteht, die kooperieren müssen, die Lehrpersonen und die Schüler(innen). Die Lehrpersonen können motivieren, vermitteln, helfen (vgl. Hermann Giesecke “Was Lehrer leisten”), aber sie können nicht für die Kinder und Jugendlichen lernen. Dazu müssen sich diese motivieren lassen und lernen wollen. Was sie daran hindert, hat der Soziologe Heinz Bude in “Bildungspanik” dargelegt. Es ist nicht die Selektion!
Felix Schmutz, wieso ist das Bild des Wissenschaftsrates zu schwarz? Ein Vergleich mit anderen und der Hinweis, dass es ja bei uns besser ist, kann für die vom ungerechten System Betroffenen nicht wirklich hilfreich sein.
Der Eindruck, dass Kinder und vor allem Jugendliche nicht lernen wollen, mag heute stimmen. Doch ist es ein Blick von aussen. Vielleicht müssen wir uns fragen, wann die Personen eigentlich den natürlichen Antrieb lernen zu wollen, Neues entdecken zu wollen, verlieren. Solange die Gesellschaft den Jugendlichen sagt, was sie wann und wie zu lernen haben und nur so komme es gut, ja dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn der Eindruck entsteht den Jugendlichen fehle die Motivation. Andere Wege wurde bisher nur in Nischen beschritten – mit Erfolg.
Ich habe das Buch von Bude nicht gelesen, nur den einleitenden Text. Ja, es mag nicht die Selektion sein, die habe ich ja nicht eigentlich im Fokus, sie fällt einfach einer gerechten Struktur “zum Opfer”. Er kommt zum Schluss, dass sich zwei Positionen offenbar unvereinbar gegenüberstehen: ” Umso dringlicher stellt sich die Frage nach der dritten Position, die weder vom Ressentiment gegen die »neue Mitte« noch von einem gegen die »Unterklasse« beherrscht ist.”
Was wäre, wenn wir als Gesellschaft wieder einmal diskutierten, was wir denn genau unter Gerechtigkeit verstehen? Was wäre, wenn wir mal vom Individuum her denken und nicht meinen, es sei das Recht der Gesellschaft oder der Erwachsenen zu wissen, was gut und richtig sei? Was wäre, wenn wir jeder Person das Recht einräumten, gemäss ihren Wünschen und Vorstellungen das zu lernen und dem nachzugehen, wofür sie motiviert ist?
Ich weiss das geht ja nicht, wenn jeder könnte, wie er möchte! Wo kämen wir da hin! Auch mich mir klar. Doch ein Herausarbeiten einer in Sinne von Bude dritten Position muss vielleicht von Denkfiguren ausgehen, die zuerst mal quer in der Landschaft stehen.
Es besteht eine Illusion in sehr vielen Bildungsdiskussionen, dass alles “grundsätzlich zu überdenken”, “von Grund auf neu zu denken” und demzufolge vollkommen zu ändern sei. Aktivistisch-generelles Sendungsbewusstsein kostet ja gar nichts, wenn man nicht konkret und im Detail umsetzen muss. Wenn die Schule zur Aufgabe haben soll, Lesen und Rechnen beizubringen und zur Gesellschaftsreife zu bringen, so ist es doch ein wenig naiv und übertrieben und meist auch unbewusst fundamentalistisch zu glauben, dass es so etwas wie ein vollkommen Neues, grundlegend Anderes, wirklich Besseres geben könnte. Damit wird suggeriert, dass es beim Lesen, Rechnen und der gesellschaftlichen Integration so etwas wie einen Paradigmenwechsel oder eine kopernikanische Wende geben könnte. Das sind unrealistische Heilsversprechen, fern von konkreten Problemen. Anstatt immer zu glauben, wir könnten alles neu denken und vollkommen neu erfinden wäre es angemessener, sich darum zu bemühen, permanent zu denken und weiterzudenken, weiter als nur “neu”.
Es mag vermessen, ja naiv sein, etwas “neu” zu denken. Ich kann mich jedoch nicht damit zufriedengeben, mich hinter einer Worthülse, die alles und nichts verspricht (gesellschaftliche Integration) zu verstecken, wenn dabei offensichtlich ein Teil der Gesellschaft auf der Strecke bleibt. Ich wiederhole die Bezüge nicht.
Ja, denken wir permanent weiter: Mir scheint es, dass an der in die Jahre gekommenen Struktur der Volksschule schon so viel herumgedacht, renoviert und “verbessert” worden ist, dass dieses Weiterdenken nur neue Pflaster kreiert und noch mehr Ressourcen verschlingt. Ich sehe im Moment wenig andere Möglichkeiten, als ein Neu-denken, ein Öffnen der Blickwinkel, um überhaupt zu Veränderungen zu kommen, welche die Problematik angehen. Ob dann am Ende des Prozesses (wenn es denn eines gibt) mehrheits- und gesellschaftsfähig ist, wird sich zeigen. Es scheint mir jedoch nicht hilfreich, schon Türen zuzuschlagen und Optionen zu verwerfen, ohne diese ernsthaft und vor allem breit zu diskutieren.
Das Problem, lieber Herr Leuenberger, liegt doch darin, dass Sie und Ihre Mitstreiter, wie z. B. Jörg Berger oder die von Ihnen erwähnte Rahel Tschopp oder die Mercator-Stifung, ständig von Chancengerechtigkeit, aber nie erklären, was sie genau darunter verstehen. Dehalb bin ich sehr einverstanden, mit Ihrer Forderung, einmal darüber zu diskutiern, was genau Chancengerechtigkeit ist. Ich bemängle an Ihrer Argumentation, dass sie die gegenwärtigen Zustände permanent schlecht reden. Meiner Meinung nach hat die Schweiz kein perfektes – aber ziemlich durchlässiges System, hat mit der Einführung der Berufsmatur eine echte Perspektive für gute Lehrlinge geschaffen. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist Weltspitze auch die Integrationsleistung. Wann – in Gottes Namen – ist denn für Sie die Chancengleichheit erfüllt? Und mal unter uns: Wenn nach all den Neuerungen, die uns die Reformen der letzten Jahre beschert haben, der Anteil der Schüler, die nict lesen und scheiben können auf 25% gestiegen ist, dann ist doch dies die dramatischste Gefährdung der Chancengleichheit. Vielleicht noch ein Tipp an Tschopp, Berger und Schulleitervereinigung und Mercator-STiftung. Ich lade sie herzlich dazu ein, ihre Jobs zu kündigen und einmal in einer Brennpunktschule in Biel oder Bern oder Basel ein Jahr lang Unterricht zu geben, unter den aktuellen Bedingungen. Dort fehlen die Lehrkräfte und sie hätten ein regelrechtes Experimentierfeld für ihre Ideen und könnten ihre dortigen Kolleginnen und Kollegen von ihren nsichten überzeugen. Dass ist viel besser als Bücher schreiben oder Zeitungsinterviews geben.
Lieber Benjamin Hart, es liegt mir fern, alles schlecht zu reden. Ich habe höchste Achtung vor denjenigen, die sich täglich an der Front einsetzen. Meine Kritik richtet sich auch nicht gegen die Praxis an sich. Die tut das Beste, was sie kann, im Rahmen der Möglichkeiten vor Ort. Was ich kritisiere, sind die Rahmenbedingungen (unsinnige Bildungsgesetzgebung, Überregulierung, Pflästerlipolitik, …) mit welchen sich die Lehrpersonen und Schulleitungen auseinandersetzen müssen. Ich bin überzeugt, dass eine gerechtere Schule/Bildung entstehen würde, wenn den Direktbeteiligten die notwendigen Freiheiten gewährt würden: Nachhaltige Schulentwicklung kann nur aus jeder einzelnen Schule und ihren Protagonisten selbst erwachsen und nicht via Dekret “verordnet” werden. Und so, davon bin ich überzeugt, würden sich auch Ungerechtigkeiten, wie sie hier https://issuu.com/surprise/docs/surprise-568_low-pdf vom Soziologen Carlo Knöpfel herausgearbeitet worden sind, zumindest etwas ausgeglichen. Daneben verweise ich gerne noch einmal auf die doch konkreten Resultate aus anderen Studien, die ich bereits im Artikel angegeben habe.
Herr Leuenberger, ich kann auf fünfzig Jahre Volksschulgeschichte in Basel-Stadt zurückblicken. Ihr Anliegen einer “gerechteren” Schule, was auch immer das sein soll, beschäftigte die Politik und die Lehrerschaft seit den Sechziger- und Siebzigerjahren und mündete in eine revolutionäre Schulreform: Gesamtschule bis Ende 7. Schuljahr, keine Noten mehr, nur Lernberichte, Selektion für das 8. und 9. Schuljahr gemäss Empfehlung der Schule und Elternwunsch, ein im Vergleich zu heute überschaubarer Lehrplan, Begleitung durch eine wissenschaftliche Evaluation, von linken und bürgerlichen Parteien unterstützt. Ja genau: Man wollte die Schule entgegen der Warnrufe “neu denken”. Erstes Opfer: Die Evaluation, als die Uni Fribourg konstatierte, dass die Basler Schulen nach fünf Jahren Reform das Niveau der Berliner Hauptschule erreicht hätten, also drastisch nach unten nivellierten. Die Berichte verschwanden in der Schublade, Rettungsaktionen wurden durchgeführt, denn das Versagen der Schüler(innen) in Lehrberufen und an Gymnasien verursachte politischen Wirbel: Niveautrennung, Verschärfung der Selektion, mehr Mathematikstunden. Dennoch galt die Reform nach nur 15 Jahren als gescheitert, die nächste Reform, bzw. die nächsten Reformen wurden eiligst angerissen, diesmal nach Lehrplan 21 und mit neuen Strukturen. So läuft es immer: Man will die Schule “neu” denken und fällt an genau denselben Punkten wieder auf die Nase, weil man irgendwelche nebulösen Vorstellungen von “gerecht”, “intrinsisch motiviert”, “selbstentdeckend”, “altersdurchmischt”, etc. erliegt. Nach der Reform 21 sehe ich jetzt wieder einen weiteren unreflektierten Neuerungsschub mit uralten Ladenhütern der Reformpädagogik aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts anrollen. Viel Glück!